Lydia Schumacher

Da gehe ich nach 19 Uhr nicht mehr hin!

Im Kreistag berichtete der Streetworker über seine Arbeit und bat um Verstärkung. Gerolstein ist demnach der »Drogenumschlagplatz Nummer eins« für suchtabhängige Jugendliche.
Steetworker Jonas Klein legte auf der Kreistagssitzung gleich mehrere Gründe dar, warum er  dringend Verstärkung benötigt.

Steetworker Jonas Klein legte auf der Kreistagssitzung gleich mehrere Gründe dar, warum er dringend Verstärkung benötigt.

Bild: Stefan Lieser

Von Stefan Lieser

DAUN. Jonas Klein, der seit einem Jahr über das Jugendamt der Kreisverwaltung beschäftigte Streetworker, braucht dringend Unterstützung. Das ist ein Fazit des Zwischenberichts, den er auf Antrag der CDU-Fraktion auf der jüngsten Kreistagssitzung hielt.

Danach musste jedem Kreistagsmitglied klar geworden sein: Wollen sie professionelles Streetworking – also aufsuchende Sozialarbeit, die bei den Jugendlichen ankommt, ihr Problem- und politisches Bewusstsein fördert, und auch Veränderungsverhalten auslösen kann, - dann müssen die personellen Rahmenbedingungen stimmen. Mittelfristig sollte es zudem Ziel sein, in Daun und Gerolstein Jugend-Sozialstationen zu schaffen, so der Streetworker.

Vor allem die Grenzen, die einem einzelnen Streetworker für das gesamte Kreisgebiet gezogen sind, wurden in Kleins Vortrag deutlich. Er äußerte sich zunächst lobend darüber, dass man überhaupt in einem Landkreis wie der Vulkaneifel versuche, ein für städtische Ballungsgebiete entwickeltes Konzept der aufsuchenden Jugendsozialarbeit anzupassen und umzusetzen. So ist der Streetworker in den Sozialräumen, in denen sich die Jugendlichen treffen, präsent. Das sind etwa in Daun das Parkhaus, das TMG-Schulgelände oder der ZOB. In Gerolstein ist es ebenfalls der ZOB, der Kyllpark und die Supermärkte an der Sarresdorfer Straße kommen dort hinzu.

Doch Klein muss nach einem Jahr als Streetworker feststellen: Alleine ist er überfordert. Aufsuchende Jugendsozialarbeit etwa in den Orten der ehemaligen VG Obere Kyll wie Stadtkyll und Jünkerath, in Hillesheim oder Kelberg findet mangels Zeit derzeit nur sporadisch statt. Während der Bedarf in diesen Orten eher unscharf blieb, so ist er für die Kreisstadt und vor allem für Gerolstein umso genauer erkennbar. Dabei ist ihm wichtig festzustellen: Es gehe nicht um »die Jugendlichen«. Sondern den Teil von ihnen, der offenbar mehr oder weniger große Probleme hat, und denen Klein helfen will, und vielleicht auch helfen kann.

Bezogen auf die Ausgangssituation in Gerolstein sprach er offen vom »größten Drogenumschlagplatz im Landkreis«. Es komme nach seinen Beobachtungen zu »offenem, teils starkem Drogenmissbrauch«. Genutzt werden laut Klein vor allen Dingen »Pep, Cannabis und Alkohol«.

Zudem habe er in diesem Zusammenhang auch »organisierte Kriminalität und Drogenhandel« festgestellt. Beschaffungskriminalität gibt es seinen Angaben zufolge auch in Daun. Bei seiner Zielgruppe der 14- bis 27-Jährigen komme es zudem zu »Gewalt physischer und psychischer Natur«, drohender und akuter Jugendobdachlosigkeit, Problemen bei der Lebensbewältigung und Verschuldung. Das meiste davon dürfe der Polizeiinspektion Daun ebenfalls bekannt sein.

Naheliegend ist bei solchen Feststellungen des Streetworkers die Kooperation mit den Beamten. Doch Klein, dem es um den Aufbau von Vertrauensverhältnissen zu den betroffenen Jugendlichen gehen muss, sind da in gewisser Weise die Hände gebunden.

»Sie verfügen zum Teil über Täterwissen, können das aber nur bedingt an die Polizei weitergeben, sonst brauchen Sie sich da nicht mehr blicken lassen«, so beschrieb Gerald Schmitz von der CDU-Fraktion das Dilemma für den Streetworker. Klein seinerseits betonte: »Ich bin kein Mitarbeiter des Ordnungsamtes, und auch kein Polizist!« Er fügte aber hinzu, er benötige die Unterstützung der Polizei aus einem anderen Grunde: der Eigensicherung. In der Kreisstadt habe er das Gefühl, dass ihm im Notfall die Polizei schnell zur Seite stehen würde. Für Gerolstein aber gelte das in den Abendstunden nicht. Dort ist die Polizeiwache bekanntlich montags bis freitags nur bis 19 Uhr besetzt.

Für den Streetworker des Landkreises bedeutet das: »Nach 19 Uhr gehe ich da nicht mehr hin. Ich habe schon Situationen erlebt, die mich an meine Grenzen gebracht haben!« Auch deshalb sprach sich Jonas Klein entschieden für eine zweite Planstelle aus: »Streetwork sollte man grundsätzlich nicht alleine machen, sondern im Team!«

Kleins Schilderung stellt die Kreistagsmitglieder vor eine Art Gretchenfrage: Wollen sie professionelles Streetworking, muss der Kreistag im Stellenplan der Verwaltung die nötigen Voraussetzungen schaffen, sprich in eine zweite Planstelle investieren. Nach Vorschlag mehrerer Fraktionssprecher soll das Thema auf die Tagesordnung des Jugendhilfeausschusses.

Jonas Klein war es nach seinen eindrücklichen Schilderungen ein Bedürfnis, seine Klientel in Schutz zu nehmen: »Packen sie die Jugendlichen nicht in ein Schwarz-Weiss-Denken. Das stimmt nicht. Dazwischen gibt es unendlich viele Schattierungen.«


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