Diskussion um Hochwasserschutz am Vichtbach

Die Geschichte ist nicht neu, sie ist auch längst noch nicht „gegessen.“ Die Rede ist von zwei geplanten Hochwasserrückhaltebecken auf Roetgener Gemeindegebiet, in Rott und Mulartshütte, um die Stolberger Altstadt vor möglichem Hochwassergefahren zu schützen. Es gab Gespräche mit dem Wasserverband Eifel-Rur (WVER), Planungen wurden angekündigt, mit der belgischen Seite versuchte man, eine Weserbach-Rückführung zu erwirken, doch alles blieb bisher erfolglos.
Wunsch der Umweltschützer aus Roetgen und Rott: Eingriffe ins Vichtbachtal minimieren und die Natur so belassen. Foto: Sander

Wunsch der Umweltschützer aus Roetgen und Rott: Eingriffe ins Vichtbachtal minimieren und die Natur so belassen. Foto: Sander

von Günter Sander Im Gemeinderat wird das Thema von allen Fraktionen kontrovers behandelt. Grund sind die „enormen Zahlen“ der beiden geplanten Bauwerke. Für das Rückhaltebecken in Rott wird ein Speichervolumen von 880 000 Kubikmeter angegeben, im Klartext sind das 80 000 Kubikmeter mehr als der Stauraum der Perlenbachtalsperre. Zudem wird ein Damm in Höhe von etwa 15 Metern und bis zu 200 Meter Länge erforderlich. Konkrete Zahlen für das Becken in Mulartshütte sind nicht bekannt, die Rede ist von 440 000 Kubikmeter Größe. Ganz besonders wäre, dass man dafür das Freizeitgelände „Auenland“ opfern müsste.

Zwei solcher Becken auf Roetgener Areal wären ein gravierender Eingriff in das bisher weitgehend unberührte Vichtbachtal. Empfehlung: Teile des benötigtenen Rückhaltevolumens im Bereich der Dreilägerbachtalsperre anzusiedeln. Die ideale Lösung liegt auf belgischer Seite: Das Wasser aus dem Wesereinzugsgebiet, das bis heute über den Weserstollen eingeleitet wird, im dort zu belassen.

„Schweres Geschütz“ fahren Rolf Wilden (Geschäftsführer des Heimat- und Geschichtsvereins Roetgen (HeuGeVe) und Rainer Hülsheger (Vorsitzender des Heimat- und Eifelverein Rott) in Sachen Rückhaltebecken auf. Wilden sieht die Ursache in der politischen Situation in der Deutschsprachigen Gemeinschaft (DG) in Belgien. Hier werde eine Renaturierung der Weser behindert. Außerdem hat er das Gefühl, dass die deutschen Behörden andererseits kein Interesse daran hätten, eine Änderung im deutsch-belgischen Grenzvertrag von 1954 auch nur zu versuchen.

Äußerste Priorität für Rainer Hülsheger ist, Eingriffe ins Vichtbachtal zu minimieren und die Natur so zu belassen. Hülsheger (auch im LNU-Vorstand) äußert erhebliche Bedenken gegen die „beiden geplanten Bauwerke.“ Er hat mehrmals deutlich gemacht, dass es nicht ersichtlich und sachlich nachvollziehbar sei. Die Dammbauwerke würden vorhandene geschützte Biotopflächen und Lebensräume vernichten und die Durchgängigkeit des Fließgewässers Vicht, so auch das Aufsteigen der Wanderfische, verhindern. Sein Wunsch wäre, mehr vorhandenen Talraum nutzen und noch alte, intakte Seitenarme wieder zu beleben. „Aufgrund der klimabedingten Trockenheit in unseren Wäldern ist es dringend notwendig, die immer noch ziehenden Drainagegräben zu schließen. Damit wird der Wasserzufluss in den Vichtbach reduziert und unseren Wäldern geholfen.“

Wilden bringt es auf den Punkt: „In einer Zeit, wo kluge Gemeinden ihre funktionsgerecht gemachten Gewässer renaturieren, kann es doch nicht angehen, dass auf dem Gemeindegebiet von Roetgen genau das Gegenteil geplant wird. „Im Falle unserer Vicht sollte man zunächst einmal die Hauptursachen der Gefahren bekämpfen.“ So müsse der künstlich herbeigeführte Zufluss von fast sieben Millionen Kubikmeter/Jahr Weserwasser umgehend gestoppt werden. Dazu bedürfe es einer Änderung im Deutsch-Belgischen Grenzvertrag. „Da müsste die Bundesregierung tätig werden.“ Wer das wunderschöne Vichtbachtal bewahren und den derzeitigen Landschaftscharakter erhalten wolle, darf dort keine Talsperren bauen. Das wäre schlimmer als 1000 Windmühlen.“ Er fragt, wo die Schutzvorrichtungen auf Stolberger Gebiet bleiben?

In einem Schreiben der Wallonie mobilité infrastructures SPW in Namur vom 30. Oktober 2020 an den Wasserverband Eifel-Rur geht es um den Plan zur Aufhebung der Umleitung der Weser auf deutschem Gebiet. Darin wird auf den Vertrag vom 24. September 1965 zwischen Deutschland und Belgien über die Berichtigung der belgisch-deutschen Grenze verwiesen.

Die Aufhebung der Umleitung der Weser würde die Stilllegung des Tunnels zum Grölisbach mit sich bringen, was zur Folge hätte, dass die deutsche Weser über ihr altes Bett in die belgische Weser fließen würde, was Verunreinigungsrisiken birgt. Außerdem bestehe die Gefahr einer chemischen oder organischen Verschmutzung im Weser-Stause. Wenn die deutsche Weser zurück nach Belgien fließt, wären hauptsächlich Verschmutzungen durch Pestizide zu erwarten, welche wir in der Station nicht behandeln können, da wir nicht über Aktivkohle verfügen, die auch nur für einzelne Moleküle effektiv ist (zum Beispiel Pestizide). Jegliche Verschlechterung der Wasserqualität im Reservoir könnte zu einem erhöhten Behandlungsbedarf führen und würde sich auf den Wasserpreis für die Gemeinde auswirken.

In dem Schreiben werden auch quantitative Aspekte zum Ausdruck gebracht. Die SPW MI macht darauf aufmerksam, dass ein erhöhtes Hochwasserrisiko besteht, wenn die deutsche Weser nicht mehr umgeleitet und zum Stausee zurückgeführt wird. Daher müsse beachtet werden, dass die Hochwasser-Entlastungsanlage nicht so dimensioniert wurde, dass der zusätzliche Hochwasserabfluss, der sich aus der Einbeziehung des deutschen Weser-Einzugsgebietes ergeben würde, berücksichtigt werden kann.

Dieses Projekt widerspricht den Zielen der Wasserrahmenrichtlinie der wallonischen Region. „Darüber hinaus möchten wir daran erinnern, dass ein internationaler Vertrag nicht einseitig aufgekündigt werden kann.“  Fazit: Die SPW MI, SPW ARNE und SWDE sind aus den genannten Gründen mit dem Plan, die Umleitung der Weser auf deutschem Gebiet rückgängig zu machen, „nicht einverstanden.“ Klare Worte von belgischer Seite in Richtung Deutschland.  


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