Andreas Bender

Von Polypen bis Probiotika: Der Darm im Rampenlicht

Simmern/Kreis. Was haben Küssen, Bauchgefühl und künstliche Intelligenz gemeinsam? Sie alle spielten eine Rolle beim Infonachmittag zur Darmgesundheit in Simmern.

Dr. Wolfgang Rimili (links), Dr. Stephanie Zang und Privatdozent Dr. Stefan A. Müller.

Dr. Wolfgang Rimili (links), Dr. Stephanie Zang und Privatdozent Dr. Stefan A. Müller.

Bild: Stiftung kreuznacher diakonie / Sandra Beck

Organisiert wurde die Veranstaltung von den Diakonie Kliniken Hunsrück in Simmern. Rund 150 Besucherinnen und Besucher waren in die Hunsrückhalle gekommen, um zu hören, was Chefarzt Dr. Wolfgang Rimili (Innere Medizin) und Privatdozent Dr. Stefan A. Müller (Allgemein- und Viszeralchirurgie) vo Spannendes, Kurioses und Ernstes über das unterschätzte Organ berichteten.

 

Erstaunliche Fakten gab es gleich zu Beginn: Der Darm hat eine Oberfläche von rund 200 Quadratmetern – das entspricht etwa einem Tennisplatz – und ist mit rund 100 Billionen Kleinstlebewesen, den Mikroorganismen, besiedelt. Diese „Untermieter“ haben einen enormen Einfluss auf unsere Gesundheit. Und: Ein Kuss überträgt nicht nur Zuneigung, sondern auch bis zu 80 Millionen Bakterien – was Studien zufolge gut für das Immunsystem ist. Ein etwas ungewöhnlicher Einstieg in ein medizinisch ernstes Thema – aber durchaus gewollt. „Wir wollen sensibilisieren, ohne zu erschrecken“, so Dr. Wolfgang Rimili.

 

Im Mittelpunkt des Nachmittags stand die Darmkrebsvorsorge. Denn obwohl die Heilungschancen bei frühzeitiger Diagnose sehr hoch sind, gehört Darmkrebs zu den häufigsten Tumorerkrankungen in Deutschland. Die gute Nachricht: Mit einer Darmspiegelung lassen sich Krebs-Vorstufen, wie Darmpolypen zu 97 bis 98 Prozent erkennen und sogar gleich entfernen. „Die Koloskopie ist die einzige Vorsorgeuntersuchung, die auch vorbeugt“, erklärt Rimili. Seit dem 1. April gilt: Die Vorsorge-Darmspiegelung wird ab dem 50. Lebensjahr von den Kassen übernommen – für Männer und Frauen gleichermaßen. „Nutzen Sie das, nehmen Sie Veränderungen im Körper ernst“, appellierte der Gastroenterologe.

 

Privatdozent Dr. Müller übernahm den zweiten Teil des Nachmittags: Was passiert, wenn doch operiert werden muss? Der Viszeralchirurg zeigte moderne, minimalinvasive Verfahren auf – von der laparoskopischen Entfernung von Tumoren über die Behandlung von Divertikeln bis hin zur komplexen Enddarmchirurgie. Dank schonender Operationstechniken – winzige Schnitte, Kameraeinsatz, präzise Instrumente – ist heute vieles möglich: „Weniger Schmerzen, kürzere Klinikaufenthalte, schnellere Erholung, oft kein künstlicher Darmausgang mehr“, so Müller. Auch bei proktologischen Erkrankungen wie Hämorrhoiden, Analfissuren oder Abszessen könne durch frühzeitige Diagnose und Behandlung die Lebensqualität erhalten werden.

 

Mikrobiom, Stimmung und Stuhltransplantation – der Darm als heimliches Multitalent


Ein weiteres Thema: das Mikrobiom – die Gesamtheit aller Mikroorganismen im Darm. Dieses „zweite Gehirn“ beeinflusst nach neuesten Studien nicht nur das Immunsystem, sondern auch unsere Stimmung. Die sogenannte Darm-Hirn-Achse wird derzeit intensiv erforscht. Ein gesunder Darm bedeutet mehr als nur gute Verdauung: Er kann Entzündungen hemmen, Stress reduzieren und sogar Depressionen mildern.Stichwort Stuhltransplantation – ja, das gibt es wirklich. Gesunde Darmflora in Kapselform, etwa bei chronischen Darmerkrankungen. In Deutschland ist diese Therapie allerdings bislang nicht zugelassen. Aber: „Eine ausgewogene Ernährung wirkt genauso gut“, so Dr. Rimili.

 

Die zahlreichen Fragen aus dem Publikum – etwa zu Wartezeiten auf Vorsorgetermine oder zum Umgang mit positiven Stuhltests – zeigten, wie groß der Informationsbedarf ist. Dr. Rimili und PD Dr. Müller beantworteten geduldig jede einzelne. Ihr Appell zum Schluss: Achten Sie auf sich. Gehen Sie zur Vorsorge. Und denken Sie daran – der Darm ist vielleicht nicht das beliebteste Organ, aber eines der wichtigsten.

 

Mit einem musikalischen Augenzwinkern und Liedern aus den 30er Jahren sorgte Dr. Stephanie Zang, Leiterin der Zentralen Notaufnahme, für entspannte Übergänge. Auch der Förderverein der Hunsrück Klinik und des Aenne Wimmers Hospizes trug mit einem kleinen Imbiss zur angenehmen Atmosphäre bei.


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