![](/i/fileadmin/user_upload/import/artikel/263/649263/649263_FB_IMG_1738942871557.jpg?_=1738945553&w=236&a=1.5&f=inside)
![](/i/fileadmin/user_upload/import/artikel/263/649263/649263_FB_IMG_1738942871557.jpg?_=1738945553&w=236&a=1.5&f=inside)
Mit gemischten Gefühlen mache ich mich auf den Weg zum Islamischen Zentrum schräg gegenüber dem Rathaus. Es ist Freitag. Ich bin mit Mohammad El Hussein, dem Vorsitzenden des Vereins, verabredet.
Schuhe ausziehen
Ich habe noch nie eine muslimische Gebetsstunde erlebt und bin gespannt. Gleich an der Tür heißt es »Schuhe ausziehen«, alles soll »rein« sein. Zusammen mit den anderen, meist männlichen Gläubigen stelle ich meine Schuhe schön ordentlich in ein Regal. Neugierig werde ich von allen gemustert. Ein Mann blickt weniger freundlich. Er sagt etwas auf Arabisch. Ich gehe lieber in den kleinen Raum zu den Frauen. Eine von ihnen klärt mich auf. Ich trage kein Kopftuch. Das missfällt. Mohammad El Hussein beschwichtigt: »Das ist kein Problem.« Doch ich fühle mich fremd und irgendwie nackt ohne Kopfbedeckung. Der Raum eher spartanisch, alles in Hellgrün und Weiß gestrichen. Der dunkelrote Teppich ist mit Markierungen versehen. Sie geben die Gebetsrichtung vor. Neben rund 20 Männern kommen zwei Frauen mit Kindern. Sie gehen in den kleineren Nebenraum. Die Männer seien einfach mehr, deshalb der größere Raum, erklärt mir Mohammad El Hussein.
Gebete auf Arabisch
Hinter einem Podest hat ein Mann seine Stimme erhoben und ruft die Gläubigen auf Arabisch zum Gebet. Aufmerksam hören die muslimischen Gläubigen zu. Ich auch, verstehe aber nur »Allah«. Dann tritt Mohammad El Hussein vor und übersetzt Imam Aden Samatars Predigt mit knappen Worten ins Deutsche. Er tue das nicht nur wegen mir, sagt er, sondern so sei die Gebetsstunde immer aufgebaut, damit auch nicht Arabisch sprechende Besucher wissen, worum es geht.
Fremd ohne Kopftuch
Der Imam aus Somalia lächelt mir freundlich zu und sagt, ich dürfe Fotos machen. Und ich versuche, das Lächeln zu entschlüsseln. Was sehen diese Männer in mir? Eine Ungläubige ohne Kopftuch oder einfach nur eine Reporterin, der es zu beweisen gilt, dass hier alle willkommen sind?
Im Gebet geht es um Ehrlichkeit und um das Leben des Propheten – Frieden und Segen seien auf ihm und Allah sei gepriesen. Und ich – ohne Kopftuch – darf mir aussuchen, wo ich dem Imam zuhören will: im kleinen Nebenraum bei den Frauen oder, weil ich Gast bin und keine Muslima, bei den Männern. Ich will lieber zu den Frauen. Vielleicht fühle ich mich dort weniger fremd. Da stehe ich nun irgendwie verloren neben den Frauen mit Kopftuch. Ein Kind schaut mich mit großen Augen an. Der Imam singt von Allah. Die Männer und Frauen gehen auf die Knie und beugen sich im Gebet kopfüber auf den Boden. Ich bleibe unsicher stehen und denke für mich, dass es in einer christlichen Kirche mit Kniefall und so auch nicht viel anders ist.
Eine unbekannte Welt
Die Predigt zieht an mir vorüber wie eine Karawane in der Wüste Gobi. Dies ist ein Ort, der seine eigenen, mir höchst unbekannten Regeln hat, ein Ort mitten im Hochwald. »Ist gleich vorbei«, flüstert mir eine der Frauen zu und lächelt mich verständnisvoll an. Man sieht also, dass ich mich unwohl fühle, denke ich und schäme mich ein wenig. Das wollte ich nicht...
Fotos für die Ewigkeit
Mohammad El Hussein winkt mich heran. Ich könne jetzt Fotos machen, denn das Foto, das ich bereits von den stehenden Gläubigen gemacht habe, zeige ja nicht, wie Muslime beten, findet der Vereinsvorsitzende. Die Männer gehen vor mir auf die Knie und beten. Ich schieße fleißig Fotos und wunder e mich, dass ich das darf.
Austausch der Kulturen
Dann ist die Gebetsstunde vorbei. Von Mohammad El Hussein erfahre ich mehr über den Verein. Er und seine Mitstreiter wollen Neuankömmlinge aus Syrien, Somalia oder Eritrea bei ihrer Integration in die Gesellschaft unterstützen. Deshalb biete der Verein Deutschkurse an. Darüber hinaus sollen seine Glaubensbrüder und -schwestern aber auch mehr über deutsche Werte, Kultur und Regeln des Zusammenlebens erfahren. Auch seien Ausflüge und gemeinsame Aktivitäten geplant. Dazu seien alle willkommen. »Wir wollen für alle da sein, die sich für den Islam als Religion und Kultur interessieren. Unsere Türen stehen offen«, betont der Vereinsvorsitzende. »Wir stehen für einen toleranten und weltoffeneren Islam. So wollen wir an einem friedlichen Miteinander von Menschen unterschiedlicher Herkunft mitarbeiten«, erklärt El Hussein.
Ich frage ihn, was er gut finde an Deutschland. Hier fallen dem Vierfachvater sofort Werte wie Ordnung, Ehrlichkeit und Gerechtigkeit ein – das alles seien Werte, die auch im Islam wichtig sind, sagt er. Auch die anderen Männer beteiligen sich am Gespräch. Ich entspanne langsam. »Schön, dass Sie da waren«, verabschiedet mich Mohammad El Hussein und reicht mir zum Abschied die Hand. Fast hätte ich meine Schuhe vergessen, doch ein freundlicher Mann erinnert mich. Auf dem Weg zum Auto denke ich, dass es gut war, hierher zu kommen.
ZUM VEREIN:
Der eingetragene Verein wird seit dem 21. Juli im Handelsregister des Amtsgerichts Wittlich geführt. Der Vorstand: Mohammad El Hussein (Vorsitzender), Aden Samatar (Stellvertreter), Houssein Abdulhak (Sekretär), Mukhles Musa (Finanzen), Hasan Murshed, Saleh Omardin, Cuma Karatas (Beisitzer). Kontakt: ikzh@outlook.de. Ab Januar sind jeden Sonntag für alle Kinder Kurse in Arabisch und im Koran geplant. Kosten pro Kind: 10 Euro/Monat. Mitgliedschaft im Verein: 20 Euro, Unterricht inklusive. Spenden: Islamisches Kulturzentrum, IBAN: DE 76585501300001084730, BIC: TRISDE55.
FIS