Andreas Bender

Zukunft unserer Wälder: Naturnähe vor Wirtschaftlichkeit

Boppard. Verlängerte Vegetationsphasen und Extremwetterlagen: Die Wälder müssen sich Klimaveränderungen anpassen. Wir haben mit Förster Johannes Nass über die Herausforderungen gesprochen.

Johannes Nass inspiziert die Weihnachtsbaumkultur im Stadtwald. Hier sind die Herausforderungen der Wälder noch kein großes Thema.

Johannes Nass inspiziert die Weihnachtsbaumkultur im Stadtwald. Hier sind die Herausforderungen der Wälder noch kein großes Thema.

Bild: Bender

Wir treffen den Förster in der Weihnachtsbaumkultur zwischen Buchholz und Herschwiesen, wo er nach den Nordmanntannen schaut. Hier und am Rothenberger Hof können Interessierte traditionell ihren Baum im Advent selbst schlagen. Als Revierleiter im Bopparder Stadtwald (Forstrevier II) hat er natürlich den gesamten Wald im Blick. Und dieser ist seit Jahren im Dauerstress. Verlängerte Vegetationsphasen und vor allem Extremwetterlagen, wie trockene und heiße Sommer, stellen Mensch und Wald vor Herausforderungen. »Bei den Weihnachtsbaumkulturen können längere Trockenperioden auch zu Ausfällen und Spätfröste zu Erfrierungen an austreibenden Bäumen führen«, sagt Nass, »aber bisher haben wir das noch gut im Griff.«

 

Mehr Sorgen machen die rund 3 000 Hektar »regulären« Waldflächen. »Die heißen Sommer 2018 bis 2020 waren in der Heftigkeit neu für uns«, erklärt der Förster, »und haben nicht nur den Borkenkäfer gefördert.« Dieser hat vor allem der Fichte zugesetzt. Vor 15 Jahren betrug der Fichten-Anteil im Stadtwald rund 20 Prozent. Heute sind es noch etwa fünf Prozent.

 

Im Bopparder Stadtwald sieht man auch andere Baumarten, die abgestorben sind, weil sie nicht genügend Wasser aufnehmen konnten. »Der Borkenkäfer ist nicht der einzige Schädling«, betont Nass. Daher sei das Gebot der Stunde, die Wälder stabil zu halten. Das gilt besonders für die Eichenniederwälder entlang des Rheins, die seit längerem nicht mehr forstwirtschaftlich genutzt wurden. »Diese Bereiche sind heute überaltert, weshalb sie besonders stark unter dem Klimawandel leiden«, betont Nass. »Die Hänge werden lichter, auf partiellen Flächen kann man von Waldsterben reden. Hier wird mit Nachdruck die Naturverjüngung vorangetrieben.«

 

Wichtig sind Mischwälder, um die Risiken durch den Ausfall einer Baumart gering zu halten. Dabei wird mehr auf klimaresistente Arten gesetzt. Also wärmeliebende Bäume, die gut mit Hitze und Trockenheit klarkommen. Dazu gehören neben der Eiche unter anderem die Esskastanie, die Elsbeere, der Speierling oder französische Ahornarten, die an extremen Standorten gedeihen. Aber auch stillgelegte Bereiche können helfen. Auf rund 300 Hektar wird bereits seit 25 Jahren geschaut, wie sich der Wald ohne den Menschen entwickelt.

 

Dieser Trend ist nicht neu bei Forstämtern und in Boppard beschäftigt man sich seit Mitte der 1980er Jahre mit dem Klimawandel. »Ein Umdenken hat mit den zahlreichen Stürmen, die große Windwurfflächen verursachten, eingesetzt«, sagt Nass. »Das waren die ersten Anzeichen für einen Wandel. Die Stürme traten öfter auf und waren heftiger.« So entschied sich die Stadt, dass nicht die Wirtschaftlichkeit an oberster Stelle stehen sollte. Der ökologische Aspekt (Naturnähe, Biodiversität) bekam einen höheren Stellenwert, um die Zukunft der Wälder zu sichern.

 

Denn Schäden, die etwa durch Trockenheit im Wald entstanden sind, können nicht einfach mit einem durchwachsenen Jahr oder verregneten Sommer ausgeglichen werden. Tote Bäume können nur durch Förderung vorhandener Naturverjüngung und Aufforsten mit Jungpflanzen ersetzt werden. Das braucht Zeit. So haben sich die Zuwächse in den letzten zehn Jahren in Boppard verringert, wodurch auch weniger eingeschlagen wird.

 

Um mehr Wasser in den Wäldern zu halten, werden verschiedene Maßnahmen angewandt. Auf den Höhen können, wie in anderen Hunsrückwäldern, Tümpel und Biotope dafür sorgen. Dies ist in den Hangbereichen des Rheintals nicht möglich. Hier werden vermehrt Wasserabschläge und Versickerungsmulden entlang der Wege angelegt, um die Verweildauer des Wassers im Wald zu erhöhen, damit nicht alles ins Tal fließt.

 

Abgesehen davon, dass Bäume bei der Photosynthese Kohlenstoffdioxid aufnehmen und Sauerstoff abgeben, fungieren Wälder als Klimaregulatoren. »Wenn der Wald nicht da ist, verändert sich das Klima in den Städten und Dörfern und es wird dort deutlich wärmer«, betont Johannes Nass. Zudem ist der Wald ein Erholungsort vor der Haustür. Und er trägt in den Rheinhängen zum Boden- und Erosionsschutz bei. Gesunde Bäume sorgen mit ihrem Wurzelwerk dafür, dass die Hänge nicht abrutschen.


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