Michael Nielen

Als zur Weihnacht die Bomben fielen ...

Dollendorf. »Jedes Jahr um die Weihnachtszeit kommt sie wieder, die Erinnerung an meine Kindheit«, sagt der 85-jährige Josef Krämer aus Dollendorf. Während die meisten an gutes Essen, Geschenke oder lachende Kindergesichter denken, schweifen seine Gedanken 80 Jahre zurück, als der Krieg das Dorfleben bestimmte.

»Meine Erinnerungen sehen anders aus«, sagt Josef Krämer, »so wie bei vielen Menschen meiner Generation.« Obwohl er damals gerade einmal fünf Jahre alt war, hat er den frühen Weihnachtsmorgen des Jahres 1944 nicht vergessen. Die Eltern wollten gerade zur Kirche gehen, als sie die Flugzeuge hörten. »Kurz darauf sahen wir die Flieger, die Leuchtschirmchen abwarfen«, so der gebürtige Dollendorfer.

Gegenüber dem Elternhaus von Josef Krämer befand sich ein Gemeindeschuppen, der im Dorf auch »Schafstall« genannt wurde. Das Gebäude erstrahlte beim Auftauchen der Flieger noch in hellem Licht. »Fast gleichzeitig erschienen die Bomber und warfen ihre Fracht auf den Schafstall. Innerhalb von Sekunden brannte das ganze Gebäude«, erinnert sich Josef Krämer. Die Familie hatte berechtigte Angst, dass die Bomben auch das eigene Haus treffen könnten, und flüchtete in den Garten.

Die Geschenke, die das Christkind am Vorabend gebracht hatte, hatte die Mutter in eine Windel gewickelt. Viel war es nicht, ein paar Plätzchen und Wachskreide. Während die Familie geduckt hinter dem Zaun im Schnee lag und vor Kälte und Angst zitterte, flogen brennende Teile umher und landeten im Garten. »Im Schafstall waren auch Munition und Benzinkanister der Wehrmacht gelagert, die immer wieder zu Explosionen führten«, berichtet Josef Krämer.

Zudem gab es in dem Gemeindeschuppen eine Wohnung, welche die Familien Bergs und Langen sowie einem Ehepaar aus Köln bewohnten. »Die Kinder Christa und Günter, mit denen mein drei Jahre älterer Bruder Matthias und ich an Heiligabend gespielt hatten, sahen wir nie wieder«, so Josef Krämer. Nur das Kölner Ehepaar sowie im Schafstall untergebrachte Soldaten entkamen dem Inferno.

Es war eine Zeit, in der auch die Kinder tagtäglich mit Verlust und Tod konfrontiert wurden. Er erinnert sich an den Soldaten, der ihn und seinen Bruder regelmäßig mit zur Feldküche bei Pittisch nahm, um Essen zu holen – nur am 6. Februar des Jahres 1945 nicht. »Es muss Gottes Vorsehung gewesen sein, denn an dem Tag starb unser Soldat, als eine Bombe das Haus Pittisch zerstörte.« Ein anderer Soldat ließ seine Geige zurück, als er an die Westfront musste. Er versprach, das Instrument wieder abzuholen. »Leider hat er seine Geige nie mehr geholt.«

»Wir können uns glücklich schätzen, dass wir seit bald 80 Jahre in Frieden und Freiheit leben konnten«, sagt Josef Krämer, der am 6. Januar 2025 seinen 86. Geburtstag feiern kann. Heute, in der Rückschau, fügt er hinzu: Auch wenn man sich momentan in einer unsicheren Zeit befinde, »so hoffen wir, auch weiter in Frieden leben zu können!«


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