Mario Zender

Tödlicher Verkehrsunfall: Wie ist ein Autofahrer dafür zu bestrafen?

Der folgenschwere Unfall ereignete sich zwischen Bremm und Ediger-Eller. Eine Frau (53) starb an den Folgen, ihre Tochter wurde schwer verletzt, ist arbeitsunfäig.

Der folgenschwere Unfall ereignete sich zwischen Bremm und Ediger-Eller. Eine Frau (53) starb an den Folgen, ihre Tochter wurde schwer verletzt, ist arbeitsunfäig.

Bild: Archiv/Feuerwehr Ediger-Eller

Cochem. Ein tragischer Verkehrsunfall und seine juristischen Folgen: 840 Tage nach dem Unglück, das zum Tod einer 53-jährigen Frau aus der Eifel führte, landete der Fall vor dem Cochemer Amtsgericht. Die zentrale Frage: Wie ist ein Autofahrer zu bestrafen, der durch sein Fehlverhalten einen derart folgenschweren Unfall verursacht hat? Amtsrichter Christian Klinger stand vor keiner leichten Aufgabe.
Von Mario Zender

Der Unfall ereignete sich am 13. Oktober 2022 auf der B 49 zwischen Bremm und Ediger-Eller. Der 48-jährige Angeklagte war damals als Aushilfsfahrer für eine Wäscherei tätig und mit einem Lieferwagen unterwegs. Gegen 18.09 Uhr fuhr er in einer Fahrzeugschlange hinter einem Traktor mit Anhänger, als er plötzlich und trotz Gegenverkehrs zum Überholen ansetzte. Eine Zeugin beschrieb die Schrecksekunde so: »Ich dachte: ,Was macht der da?‘« Auf der Gegenfahrbahn befanden sich eine Mutter (53) und ihre Tochter (33), die vom Einkauf im Globus kamen. Die Tochter berichtete vor Gericht: »Ich sah den Fahrer, er hatte weit aufgerissene Augen.« Dann sei es auch schon zum Zusammenstoß gekommen. Beide Frauen wurden schwer verletzt und mit dem Hubschrauber ins Krankenhaus geflogen. Trotz aller Bemühungen der Ärzte starb die 53-Jährige neun Tage nach dem Unfall in einem Trierer Krankenhaus.
Die Gerichtsmedizinerin stellte bei der Obduktion fest, dass ein Multiorganversagen die Todesursache war. Vor Gericht konnte sich der Unfallverursacher nicht mehr an den Unfall erinnern. Er wisse lediglich noch, dass er in einem Hotel in Ediger-Eller Wäsche ausgeliefert habe. Nach dem Unfall wirkte er abwesend, wie Zeugen berichteten. Zunächst bestand der Verdacht, dass er betrunken gewesen sei, weshalb die eingesetzten Polizeibeamten – wie ein Hauptkommissar vor Gericht erläuterte – eine
Atemalkoholkontrolle durchführten. »Das Ergebnis betrug 0,00 Promille«, so der Beamte.
Der Autofahrer gab an, seit Jahren Diabetiker zu sein, und vermutete, dass eine Unterzuckerung die Ursache für seine »Abwesenheit« gewesen sein könnte. Die Sachverständige fand dafür jedoch keine konkreten Anhaltspunkte. »Es wurde versäumt, nach dem Unfall den Blutzuckerspiegel zu ermitteln«, kritisierte die Ärztin der Mainzer Uniklinik. Da die Polizeibeamten bei der
Atemalkoholmessung keinen Alkohol feststellten, wurde dem Mann auch keine Blutprobe entnommen, sodass diese Werte nicht nachträglich untersucht werden konnten.
Dem Unfallfahrer war im Prozess anzumerken, dass ihn das Unglück und die schwerwiegenden Folgen für die Familie aus der Eifel tief bewegten. »Es tut mir sehr, sehr leid, was passiert ist. Ich fühle mit Ihnen. Ich wünsche Ihnen, dass Sie wieder gesund werden«, sagte er zu der schwer verletzten Frau, die als Zeugin vernommen wurde. Ihr Leiden war deutlich erkennbar: Sie musste mehrfach operiert werden und ist seither arbeitsunfähig. Die schwerwiegenden Unfallfolgen berücksichtigte auch die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer. Wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung forderte sie eine Haftstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt werden könne. Verteidigerin Roberta Kastor sah den Fall anders. Ihrer Meinung nach konnte die Sachverständige eine Unterzuckerung des Angeklagten zum Unfallzeitpunkt nicht ausschließen. Daher sei »in dubio pro reo« (im Zweifel für den Angeklagten) anzuwenden, weshalb ein Freispruch erfolgen müsse. »Das ist sicherlich für die Angehörigen nur schwer nachzuvollziehen«, so Kastor. Dennoch könne nicht ausgeschlossen werden, dass eine gesundheitliche Beeinträchtigung durch seine Diabetes den Unfall verursacht habe.
In seinem letzten Wort betonte der Angeklagte, der bis auf einen Strafbefehl bislang nicht vorbestraft war, erneut, wie leid es ihm tue. Gleichzeitig bat er das Gericht um ein mildes Urteil.
Amtsrichter Christian Klinger betonte in der Urteilsbegründung, dass gerade fahrlässige Tötungen zu den tragischsten Fällen gehören, die man als Strafrichter am Amtsgericht verhandeln kann. »Der Unfall spricht für ein Augenblicksversagen, das leider immer wieder vorkommt.« Es sei auf eine Unachtsamkeit zurückzuführen, und eine solche Unachtsamkeit stelle eine Fahrlässigkeit im Straßenverkehr dar, die zu einer Verurteilung führe. Der Angeklagte wurde schließlich wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung zu einer Haftstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Von einer Geldstrafe sah der Richter ab und verhängte stattdessen 100 Sozialstunden als Bewährungsauflage. »Auf den Angeklagten kommen noch Forderungen der Krankenkassen und Schmerzensgeld zu. Deshalb würde eine finanzielle Auflage keinen Sinn machen. Es ist besser, etwas Gemeinnütziges zu tun.«
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig!

Weitere Nachrichten aus Kreis Cochem-Zell
Meistgelesen