stp

Familienglück nach 73 Jahren

73 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkriegs ist eine Frau aus der Ukraine auf der Suche nach ihren Wurzeln. In Gamlen wird sie fündig.
Eugenia (Mitte) mit ihrer Tochter Oksana (rechts), ihren Cousins Peter (links) und Werner sowie ihrer Cousine Irene auf dem Friedhof in Gamlen. Dort ist ihr Vater 1982 beerdigt worden.

Eugenia (Mitte) mit ihrer Tochter Oksana (rechts), ihren Cousins Peter (links) und Werner sowie ihrer Cousine Irene auf dem Friedhof in Gamlen. Dort ist ihr Vater 1982 beerdigt worden.

Der 25. Februar ist ein bitterkalter Sonntag. Am Nachmittag ist in Gamlen niemand draußen unterwegs - bis auf vier Menschen - darunter eine ältere Frau, die offensichtlich auf der Suche nach etwas sind. Dass, was sie suchen hat mit einem Mann aus Gamlen zu tun: Josef Hermes (1907-1982). Die ältere Frau hat einen Zettel dabei, auf dem steht "Josef Hermes / Simons". Die wenigen Menschen, die sie treffen können, damit nicht fiel anfangen. Einzig der Hinweis, einmal das Haus der Familie von Peter und Ulla Hermes aufzusuchen, scheint erfolgsversprechend. Als sie dort klingeln, braucht man Peter Hermes nicht zu fragen, wer da vor ihm steht. Er weiß es direkt. "Das konnte nur meine Cousine Hedwig sein, die 1945 als Zweijährige mit ihrer Mutter Anna in die Ukraine zurückging", erzählt Hermes, der damals sechs Jahre alt war. Eine Lebensgeschichte im Schatten des 2. Weltkriegs Die Geschichte ist schier unglaublich. Anna wurde im 2. Weltkrieg der Familie von Josef Hermes als "Fremdarbeiterin" zugewiesen. Gertrud Hermes war Witwe und ihr Sohn Josef war während des Krieges zumindest zeitweise freigestellt, um sich um die Landwirtschaft zu kümmern. Anna hat ihm offensichtlich gefallen, denn zwischen dem Junggesellen und der Ukrainerin entwickelte sich eine heimliche Liaison. Das Produkt ihrer Liebe erblickte 1943 das Licht der Welt: ihre Tochter. Das Mädchen wurde nach ihrer Patentante Hedwig genannt. Dass Josef Hermes der Vater war, stellte in der Familie niemand in Frage. Eine Heirat wäre problematisch gewesen. Die Ehe mit einer Zwangsarbeiterin hätte für Josef Hermes wahrscheinlich Repressalien der Nationalsozialisten mit sich gebracht. "Es gab wohl auch Hinrichtungen, aber Oma Gertrud war sowieso gegen die Verbindung", berichtet Peter Hermes. Das gemeinsame Glück von Josef Hermes und seiner Anna endete 1945. Die damals 23-Jährige kehrte in die Ukraine zurück. "Josef war damals wahrscheinlich in Kriegsgefangenschaft, sodass er davon nichts mitbekam", spekuliert seine Nichte Irene Diederichs. Nach Hause zurückgekehrt schien ihn der Verlust so stark getroffen zu haben, dass er Zeit seines Lebens ledig blieb. Seine Anna wurde nach ihrer Rückkehr in das Reich Stalins wieder in die Zwangsarbeit getrieben. Später hat sie in der Ost-Ukraine geheiratet und ihre Tochter, die jetzt Eugenia genannt wurde, groß gezogen. Hedwigs Traum lebte Es gab keine Bilder von ihrem Josef und ihr Mann wollte auch nicht, dass sie von ihm sprach. Aber Hedwigs Traum lebte. Sie wollte wissen, wo ihr Vater gelebt hat. Ein erster "Kontaktversuch" um das Jahr 2000 verlief im Sande. "Damals gab es eine Anfrage wegen eines Rentenanspruchs, aber da stimmten einige Daten nicht. Und dann haben wir nichts mehr von dieser Sache gehört", erzählt Irene Diederichs. Und am 25. Februar 2018 klappte es dann doch. Eugenia - mittlerweile Urgroßmutter - trifft in Gamlen zwei Cousins und eine Cousine. "Es war eine lange Nacht. Ich konnte ihr Josef noch in einem Video zeigen und es wurden unheimlich viele Fotoalben gewälzt", so Werner Hermes. "Josef hätte sich gefreut, er hat sein ganzes Leben auf diesen Augenblick gewartet", sind sich alle sicher.  Foto: Walter Ternes


Weitere Nachrichten aus Kreis Cochem-Zell
Meistgelesen