»Ihr Land lässt Sie nicht allein«
Mehrere Meter hoch hatten sich in der Ringarena am Nürburgring in den Tagen nach der Flutkatastrophe die Spenden der Bevölkerung gestapelt und so die große Hilfsbereitschaft dokumentiert. In dieser Halle kamen am Mittwoch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Ministerpräsidentin Malu Dreyer, Vertreter von Hilfsorganisationen, die im Ahrtal von Beginn an helfen, aber auch Betroffene und Hinterbliebene zum Staatsakt zusammen, um den 134 Verstorbenen der Flutkatastrophe zu gedenken. Auf fünf großen Tafeln waren im Hintergrund der Bühne alle betroffenen Orte sowie die Namen aller Opfer aufgeführt. »Ich habe enormen Respekt davor, dass Sie trotz Ihrer Verzweiflung nicht aufgegeben haben. Dass Sie trotzdem anpacken, nach vorne blicken, so unendlich schwer es auch oft fallen mag«, sagte der Bundespräsident: »Ich bin gekommen, um Ihnen zu sagen: Wir stehen an Ihrer Seite. Wir wissen, dass in Ihrem Leben nichts mehr ist, wie es war. Aber Sie sollen heute wissen: Auf Ihrem Weg zurück ins Leben lässt Ihr Land Sie nicht allein.« »Ich weiß, dass die größte Sorge vor Ort jetzt ist, vergessen zu werden, wenn sich die Kameras wieder auf andere Ereignisse richten. Dass viel versprochen wird, aber am Ende alles mühsam erstritten werden muss. Den Betroffenen in den Hochwassergebieten sage ich: Niemand wird vergessen!«, versprach die Ministerpräsidentin. Am Wochenende habe sie sich mit den Eltern der jungen Feuerwehrwehrfrau aus der VG Adenau getroffen, die im Einsatz ihr Leben ließ: »Mit ihnen zu sprechen, zerreißt einem das Herz.« Neben allen Helfern dankte Dreyer auch den Mitarbeitenden in den Verwaltungen, den Bürgermeistern und Landräten und der Landrätin in den betroffenen Regionen. Cornelia Weigand, Bürgermeisterin der schwer getroffenen VG Altenahr, beschrieb die Ahr als "früher unsere launige Weggefährtin, die jetzt mit all ihren Zuläufen zu einem Monster, einem brutalen Ungeheuer wurde". Sie bedankte sich »bei denen, die nicht lange gefragt, sondern angepackt haben – jeden Tag neu«. Ebenso neu müsse das Leben an Flüssen gedacht werden. An die Politik appellierte sie, möglichst schnell Perspektiven und Planungen aufzuzeigen. »Wie sollen die Menschen den Wiederaufbau planen ohne zuverlässige Richtschnur?«, fragte sie. Sie wünsche sich Geschwindigkeit eine bundesweite Koordination, damit die betroffenen Regionen beim Aufbau nicht um die besten Köpfe konkurrieren. »Wir brauchen jetzt und in Zukunft Mut, weil sich schnelle Entscheidungen später auch als falsch herausstellen können«, so die Bürgermeisterin. In seinem Beitrag berichtete Thomas Pütz, der den Helfershuttle im Ahrtal organisiert, von der Solidarität, von der die Helfer erzählen: »Man sagt: Wenn du das Vertrauen in die Menschen verloren hast, geh ins Ahrtal, dort wirst du eines Besseren belehrt.« Sein Lieblingszitat, das den Zusammenhalt im Ahrtal zeige, sei: "Alle elf Minuten verliebt sich ein Helfer ins Ahrtal." Eindringlich appellierte er: »Jetzt ist es Aufgabe der Politik, der Behörden und Krisenmanagements, diese Solidarität, diesen Mut zu schützen und diesen Funken am Leben zu halten.« Die Menschen erwarten, dass man die besten Ingenieure und Köpfe zusammenhole. Besonders berührend war die Schilderung von Wilfried Laufer, der mit seinem Vater Bodo Laufer in Altenahr das »Weineck« betrieb. Bodo Laufer starb in den Fluten der Ahr. Am Abend des Katastrophentags wollten sie gemeinsam Essen gehen. Die Feuerwehr habe per Lautsprecher gewarnt, die Häuser vor Hochwasser zu sichern. »Das habe ich längst gemacht, dann können wir gleich los«, habe sein Vater gesagt. Zuvor fuhr Wilfried Laufer noch einmal heim. Doch als er zurück wollte, war der Weg zu seinem Vater nach Altenahr eine Schlammlawine versperrt. Das berichtete er seinem Vater am Telefon. »Ok, dann sehen wir uns morgen«, waren daraufhin die Worte seines Vaters - die letzten, die er je von ihm hörte. »Drei Tage später hat man ihn 25 Kilometer Ahr abwärts gefunden.«