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Vor der Impfpflicht bleibt viel zu klären

Zum Schuljahresbeginn nimmt die Thematik um die ab März 2020 geplante Impfpflicht für Schul- und Kindergartenkinder sowie das Personal in Schulen und Kitas erneut Fahrt auf.
Ungeimpfte Kinder sollen nach dem Gesetzentwurf zur Masernimpfpflicht von der Kita ausgeschlossen werden können. Foto: FF

Ungeimpfte Kinder sollen nach dem Gesetzentwurf zur Masernimpfpflicht von der Kita ausgeschlossen werden können. Foto: FF

Pünktlich zum Ferienende kam die Warnung der Weltgesundheitsorganisation WHO in die sozialen Medien, in denen zuvor heftig über Sinn und Unsinn der von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn vorgesehenen Impfpflicht gestritten wurde. Demnach haben sich die Masernfälle im Vergleich zum Vorjahr weltweit verdreifacht. Bereits 2018 lag die Zahl der Infektionen doppelt so hoch wie 2017. Der aktuelle Anstieg betrifft nicht nur Afrika oder die USA, wo er besonders drastisch ausfällt, sondern auch Deutschland.

"Herdenimmunität" passé

Wurden im Bundesgebiet im gesamten vergangenen Jahr 540 Fälle gemeldet, so sind es im ersten Halbjahr 2019 bereits jetzt mehr Fälle in mehr Bundesländern. Laut Barmer-Krankenkasse sind in Deutschland mittlerweile weniger als 90 Prozent der Kinder gegen Masern, Mumps oder Röteln geimpft. Die so genannte Herdenimmunität, die auch Nicht-Impfbare wie etwa Säuglinge oder chronisch Kranke schützt, setzt erst ab einer Impfquote von 95 Prozent ein. Schulen und Kitas machen sich nun konkret an die Vorbereitungen zur Befolgung der geplanten Impfpflicht. "Früher waren wir gehalten, aus Diskretionsgründen gar nicht erst nach dem Impfstatus zu fragen", erläutert Beatrix Herrmann, Leiterin der Integrativen Kita Prüm in Trägerschaft der Lebenshilfe, den Wandel, "heute lassen wir uns Impfpass oder -buch vorlegen und müssen nicht geimpfte Kinder dem Gesundheitsamt melden. Das berät die Eltern dann nochmals." Doch Impfskepsis ist ebenso rar wie eine Häufung von Krankheitsfällen: "Unser Personal ist freiwillig geimpft und wir hatten bislang nur einen Fall von Eltern, die ihr Kind nicht impfen ließen. "Auch die Einrichtungen der Katholischen Kita gGmbH Bitburg, zu denen neben 23 anderen die Kita St. Peter in Bitburg gehört, setzt sowohl bei den Eltern wie beim Personal bereits vor Einführung eines gesetzlichen Zwanges auf Aufklärung. "Beim Anmeldegespräch für jedes Kind prüfen wir, ob ein Impfberatungsgespräch beim Kinderarzt stattgefunden hat; wenn das fehlt, wird das Gesundheitsamt informiert", sagen Roswitha Meyer, Gesamtleiterin der gGmbH für Bitburg-Süd, und Anne Kristin Jutz, Leiterin der Kita St. Peter. Natürlich wisse man nicht, welches Ergebnis aus der Beratung resultierte, aber: "Wir haben den Eindruck, dass der Impfstatus allgemein gut ist." Für die Erzieherinnen ist alle drei Jahre eine Biostoffuntersuchung durch den Betriebsarzt vorgeschrieben, der auch den Impfstatus der Beschäftigten überprüft. "Die ausgebildeten Fachkräfte wissen um die Bedeutung dieser Schutzmaßnahmen", schildert Meyer die Kooperationsbereitschaft, "und Praktikanten, die sich weigern, die entsprechende Belehrung mitzumachen, müssen wir nach Hause schicken".

Vertrauen statt Kontrolle

Für Erni Schaaf Peitz, Leiterin der Kita in Wittlich-Neuerburg, ist die Impfpflicht ein zweischneidiges Schwert. "Es gab bei uns in der Vergangenheit weder Masernvorfälle noch nennenswerte Impfmüdigkeit, aber wir haben das Thema intensiv mit Pro und Contra diskutiert." Eine Impfung der Kinder per Zwang sieht sie skeptisch. "Denn es kann nicht unsere Rolle als Kita sein, Kinder impfkritischer Eltern auszuschließen. Unsere wichtigste Aufgabe ist es, Vertrauen zu schaffen, und nicht, Kontrollinstanz zu sein. Wir sind keine Mediziner, zudem gibt es einen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz, den haben auch nicht geimpfte Kinder." Schaaf Peitz ist überzeugt, dass eine umfassende und vor allem individuelle medizinische Aufklärung über die Risiken des Impfens und des Nicht-Impfens notwendig ist. "Ein pauschaler Zwang für alle gleichermaßen ist aus meiner Sicht problematisch." Und sie befürchtet, dass impfskeptische Erzieherinnen den Beruf verlassen, was den Fachkräftemangel verschärfen würde. Und wie sehen es die Kinderärzte? Sylvia Stoffel-Leuchter, Managerin der Praxis von Simone Scheid und Romain Krier in Wittlich, konstatiert auch in der Region einen Trend zur Impfmüdigkeit, wenngleich es noch eine hohe Durchimpfung gebe: "Die Krankheiten mit ihren oft dramatischen Folgen sind zu selten geworden und aus dem Bewusstsein raus. Man profitiert noch von der Herdenimmunität." Bereits bestehende Impfpflichten in europäischen Nachbarländern hätten dort zu einem guten Schutz geführt. "Aber die Frage ist immer, wer kontrolliert: die Gesundheitsämter, die Schulen und Kitas, wir Ärzte?" Und wer sanktioniert wie, wenn die gesetzliche Pflicht nicht eingehalten wird? Sie betont, dass Geldstrafen nicht zu einem besseren Impfstatus führen. Zudem sei Impfen für Kinderärzte das Thema schlechthin und betreffe nicht nur Masern, Mumps, Röteln und Windpocken, die durch eine Kombi-Impfung bekämpft werden, sondern auch Tetanus und andere Krankheiten. "Beratung und Aufklärung wird unsere essentielle Aufgabe bleiben." Extra Ziele der Impfpflicht, Sanktionen bei Nichtbeachtung und gesundheitliche Risiken einer Masernerkrankung online unter: www.bundesgesundheitsministerium.de/impfpflicht Online-Petition "Deutschland braucht keine Impfpflicht! www.openpetition.de/petition/online/deutschland-braucht-keine-Impfpflicht


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