Edith Billigmann

Sternekoch Thomas Schanz im Portrait: Willkommen im Paradies

Piesport. Wer ins kulinarische Paradies möchte, der muss erst einmal durch die Himmelspforte, das »Piesporter Goldtröpfchen«, entlang nicht enden wollender Serpentinen. Vor 13 Jahren ist Thomas Schanz wieder nach Hause gekommen, im Gepäck Talent, Fleiß und den festen Glauben an sich selbst, es als Gourmetkoch an der Mosel schaffen zu können. Erreicht hat er viel mehr: Sein Restaurant ist über die Region hinaus zum Gourmet-Tempel geworden.

»Wow, ist das schön hier!«, entfährt es mir beim Blick auf das romantisch gelegene Moseltal, das wie zur Umarmung seine Arme ausgebreitet hat, um mich sanft und sicher die Serpentinen hinunter ins Tal zu begleiten. Kurz hinter der Autobahn-Abfahrt Salmtal öffnet sich für Besucher des kleinen Ortes Piesport der Weg ins Paradies. Ich muss nur noch an der Himmelspforte, dem »Piesporter Goldtröpfchen«, vorbei, suggeriert mir die in großen Lettern in den Weinbergen prangernde Schrift ... Dann bin ich endlich da, wo Milch und Honig fließen, die Götter speisen oder - um im Superlativ unserer Zeit zu bleiben - der Lionel Messi der Mosel kocht. So nämlich hat Guide-Michelin-Chefredakteur Ralf Flinkenflügel den Sternekoch Thomas Schanz (44) bezeichnet, der alles, nur nicht eins ist: abgehoben.

Träume und Visionen

Er gilt als still, in sich ruhend, bescheiden. Ansichtssache. Ich würde ihn nuancierter beschreiben wollen: sehr aufmerksam, reflektiert, aber bescheiden? Nein. Ich sitze einem Menschen gegenüber, der weiß, was er will und was er kann, der Träume, ja Visionen hat, die denkbar und greifbar sind und nur eine Handbreit von der Realität entfernt zu sein scheinen. Etwa, wenn er von der Mosellandschaft als kulinarischem Mekka spricht, möglich durch konkurrenzfreies Denken und sich vernetzende Inspirationen der Spitzenköche und Winzer. »Wir können voneinander nur profitieren«, ist er überzeugt. »Die Region zieht spannende Menschen an, die auch weinaffin sind«, weiß er.
Das alles kam nicht über Nacht, sondern war ein langer Prozess, der bis heute anhält. Doch der Reihe nach.
Geboren in Trier (»Der Umstände halber im dortigen Krankenhaus«), aufgewachsen in einer Winzerfamilie in Piesport, später kam für die Gäste ein kleines Hotel mit Bed & Breakfast dazu - die kleine Welt genügt dem Jungen.
Das, was seine Eltern arbeiten, das liebt er, damit identifiziert er sich. Also, warum nicht Winzer oder Hotelier werden? Eine Hotelfachlehre im 5-Sternehotel »Allgäu-Sonne« in Oberstaufen soll´s richten. Und weil er im Management den Einblick in die Kalkulation brauche, wäre eine Kochlehre als »Zusatz im Portfolio« auch nicht schlecht, meint sein Ausbilder. Und Thomas macht... Mit dem »Hotel Traube Tonbach« wird das beste Haus am Platz seine zweite Ausbildungsstelle.

Schöne, neue Welt

Es dauert ein Jahr, bis er angefixt ist. Kochen eröffnet ihm neue Welten, eine andere Sicht auf sich selbst, fördert seine Kreativität - und treibt ihn an. Nach der Ausbildung folgen anerkannte Häuser wie das »Alte Kelterhaus« in Wintrich und das Drei-Sterne-Restaurant »Gästehaus Erfort« in Saarbrücken. Das »Waldhotel Sonnora« in Dreis wird seine letzte Station. Und dann zieht´s ihn 2011 wieder in die Heimat. Seine Vorstellung von Zukunft ist überschaubar: Davon ausgehend, dass mit einer reinen Gourmetküche dauerhaft kein großes Geld zu verdienen ist, fährt er zweigleisig und bietet auch Speisen für den kleineren Geldbeutel an.

Doch das Schicksal will es anders. Kaum eröffnet, rücken auch schon die ersten Testesser an. Unangekündigt und unbemerkt. Und die befinden das, was sie auf dem Teller vorfinden, nicht nur für gut, sondern sterneverdächtig. »Der Restaurantbesuch muss kurz nach der Eröffnung passiert sein«, denkt Schanz laut nach. »Und zwar innerhalb der ersten drei Wochen. Ansonsten hätte ich es mit der Bewertung nicht ins laufende Heft geschafft.«
Der Anfang ist gemacht, ein neues, ausschließlich auf der Gourmetküche beruhendes Konzept muss her.


Endlich frei !

Die Anerkennung als Sternekoch ist für Thomas Schanz wie eine Befreiung. Er ist entfesselt, wird immer mutiger - und so kocht er auch. »Ich konnte auf einmal alles tun, was ich bisher in Frage gestellt hatte«, erzählt er noch immer begeistert.
Seine Zutaten für ein exzellentes Gericht entstehen im Kopf. Dort spielt sich ein wahres Feuerwerk an Ideen ab. Seine Kreationen entstehen aus der Reduktion aufs Wesentliche. Das fiktive Geschmackserlebnis trägt er so lange auf der Zunge, bis das Gericht geboren ist. Die

Ergebnisse der einsamen Tüftelei werden dann im Team getestet, unzählige Male. Und Schanz erwartet Ehrlichkeit. »Keine Lobhudelei, nur weil ich der Chef bin«, verwahrt er sich vor falschen Schmeicheleien. Konstruktive Kritik brauche er, Mitsprache und ein gutes Miteinander.
»Wenn alles gut gelaufen ist, ist es wie eine Befreiung nach einem erfolgreichen Fußballspiel«, beschreibt er das Gefühl von Zufriedenheit, Stolz und Anerkennung, das sich dann in der Mannschaft breit macht.

Eins - zwei -drei

Sein Mut und sein Innovationsgeist kommen an. »Normalerweise werden an der Mosel Ende Oktober die Bordsteine hochgeklappt. Aber der Stern hat vieles beflügelt. Seitdem kommen die

Gäste auch im Winter«, erzählt er zufrieden.
Der nächste Stern lässt nicht lange auf sich warten und folgt in 2015, sieben Jahre später der dritte. Mit zahlreichen Auszeichnungen als Koch, als Gastgeber und für sein Restaurant findet er sich im »Großen Hotel- und Restaurantguide von Bertelsmann und im Gault & Millau« wieder.

Feine, leichte Küche

Seine Gerichte sind raffiniert und kreativ, das Ambiente nobel und exklusiv, die Gourmet-Menüs perfekt ausbalanciert - Thomas Schanz´ Gerichte tragen seine unverwechselbare Handschrift. »Wenig Fett, viel Sud und Essenzen, die hocharomatisch sind und das Essen sehr leicht und bekömmlich machen«, beschreibt er seine Gerichte, die immer auch auf den Wohlfühlfaktor der Gäste abzielen. Denn sie sollen seine Küche körperlich und mental als angenehm und inspirierend empfinden.
Sein Erfolg hat ihn nicht müde werden lassen - satt schon gar nicht. Und so sucht er, getrieben von immer neuen Ideen, nach dem nächsten perfekten Menü. Mit dem Satz »Mit Fleiß und Arbeit kann ich alles schaffen« hatte er sich zu Beginn seiner Hotelfachlehre auf den Weg gemacht. Dieser Satz hat ihn durch die Kochlehre begleitet und hat noch immer Bestand. Und das »ohne Sponsor oder Mäzen im Rücken«, wie der Guide Michelin anerkennend schreibt.

Woher er die Kraft für ständig Neues zieht? Aus seinem Selbstbewusstsein als kreativer Mensch, aus seiner Berufung als außergewöhnlicher Koch, aus seiner uneingeschränkten Liebe zur Heimat und aus der Familie. Und die hat in diesem Jahr mit der Geburt von Tochter Noemi ihr eigenes Zeichen gesetzt.


Info

info@schanz-restaurant.de
schanz. hotel. restaurant.
bahnhofstraße 8a
54498 piesport

 


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