
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Der pensionierte Hausarzt war überrascht, als er feststellte, welch großen Anteil seine Berufsgruppe an den Verbrechen der NS-Herrschaft trägt. »Wer eine Tante hatte, die psychisch oder sozial auffällig war, oder Geschwister, die bereits zweimal die Klasse wiederholt haben, gerieten rasch ins Visier der Amtsärzte«, weiß Lenzen. So wurden schätzungsweise 140 Menschen aus dem ehemaligen Kreis Monschau in der NS-Zeit zwangssterlisiert, 70 weitere gar ermordet. »Es gab nach dem Krieg für die Sterilisationsopfer zunächst keine Entschädigung, weil die Unfruchtbarmachung eine richterliche Entscheidung zugrunde lag. Es war eine medizinische Maßnahme, keine politische«, schüttelt der 72-Jährige mit dem Kopf. Studenten wurden schon Mitte der 1930er Jahre zu »Eifelforschungen« aufs Land geschickt - es wurde nach Inzucht und dem Einfluss »artfremden Blutes« geforscht. »In den 1980er Jahren gab es eine Pauschalentschädigung von 5.000 DM und erst 2007 hat der Bundestag die Zwangssterilisationen als NS-Verbrechen gebrandmarkt, doch Stolpersteine oder andere Denkmäler auf die Opfer sucht man im öffentlichen Raum«, weiß Lenzen. Auf 395 Seiten geht Lenzen den Schicksalen der Betroffenen nach, hat 18 Interviews geführt, aber auch recherchiert, wer für die ergriffenen, menschenverachtenden Maßnahmen regional und örtlich Verantwortung trug. »Es ist bezeichnend, in welch verantwortungsvolle Positionen diese Verstrickten nach Kriegsende wieder gehievt wurden«, so Lenzen. Auch ein Monschauer Ehrenbürger lobte in der NS-Zeit öffentlich die Eugenik der Nationalsozialisten. »Vielleicht ist es in Zukunft mit einem noch größeren zeitlichen Abstand einfacher, über die Verbrechen sowie die Opfer zu berichten, wenn die Haltung der Betroffenen und ihrer Angehörigen nicht mehr von den erlittenen Verletzungen überschattet sind«, hofft er.