

Monschau. Auch nach 50 Jahren erinnert sich sein Sohn Hubert Leyendecker ganz genau an den aufgeregten Gesichtsausdruck seines Vaters.
Aber der Reihe nach: Nachdem der Rat der Stadt Monschau beschlossen hatte, mit der südfranzösischen Stadt Bourg-Saint-Andéol eine Städtepartnerschaft zu begründen, oblag 1975 der Verwaltung die administrative Umsetzung dieser Entscheidung. Leider gab es jedoch sowohl unter den Beschäftigten als auch unter den politischen Mandatsträgern kaum Personen mit fundierten Kenntnissen der französischen Sprache. Stadtdirektor Lauscher beauftragte mit dieser neuartigen Aufgabe Leo Leyendecker. Auch dieser beherrschte keine Fremdsprache. Glücklicher Zufall: Seine Ehefrau Marlene stammte aus dem benachbarten Belgien und hatte als junge Frau während ihrer dortigen Arbeitstätigkeit im wallonischen Teil recht gut Französisch erlernt. Und so wurden kurzerhand sehr viele Arbeitsschritte zur Vorbereitung der Gründung der Partnerschaft aus dem Monschauer Rathaus in das heimische Wohnzimmer der Eheleute Leyendecker nach Kalterherberg verlegt. Es galt, Schriftstücke zu übersetzen, Treffen vorzubereiten sowie persönliche Korrespondenz der politisch Verantwortlichen beider Städte zu begleiten. Parallel dazu baten Monschauer Vereine die Eheleute Leyendecker darum, Ihnen bei der ersten Kontaktaufnahme zu Clubs in Bourg-Saint-Andéol behilflich zu sein.
Übersetzerapps kannte damals noch niemand. Was im Jahre 2025 mit Hilfe von Computer und Smartphone innerhalb von Sekunden erledigt werden kann, musste damals mühsam per Brief zwischen beiden Städten übermittelt werden. Selbst Telefax kannte man noch nicht. Die wichtigsten technischen Hilfsmittel für die Eheleute Leyendecker waren die mechanische Schreibmaschine und – so die offizielle Bezeichnung – der in jedem Haushalt übliche Fernsprechtischapparat mit Fingerlochscheibe, Farbe farngrün. Telefone mit Display waren damals noch nicht üblich. Für den Fall, dass Marlene Leyendecker bei Eingang eines Anrufes aus Südfrankreich einmal nicht daheim war, hatte sie ihrem Ehemann einen kurzen französischen Ausdruck eingeprägt: »Marlène partie«. Marlene ist unterwegs. Das funktionierte, das Anliegen aus Frankreich wurde dann eben mit leichter Verzögerung erledigt.
Die Feierlichkeiten zum 50. Geburtstag der Städtepartnerschaft werden im Mai 2025 in Bourg-Saint-Andéol begonnen.
In Sachen Städtepartnerschaft nimmt die Stadt Monschau in der Region eine Sonderrolle ein: Zahlreiche weitere Kommunen aus der Städteregion Aachen sowie den Nachbarkreisen Düren und Heinsberg unterhalten partnerschaftliche Beziehungen zu Kommunen in Frankreich, jedoch ausschließlich zu solchen in der nordfranzösischen Normandie oder Bretagne. Allein Monschaus Partnerstadt Bourg-Saint-Andéol befindet sich in Südfrankreich.
Hubert Leyendecker hat übrigens aus dem sprachlichen Dilemma seines Vaters Lehren gezogen: Fast zeitgleich mit der Gründung der Partnerschaft begann er 1975 am Monschauer St.-Michael-Gymnasium im Leistungskurs die französische Sprache zu erlernen. 1977 lernte er im Rahmen des Schüleraustauschs in Bourg-Saint-Andéol seine Gastmutter kennen. Mit ihr hat er bis heute Kontakt. Leyendecker bedauert, dass das Schulfach Französisch auch an den weiterführenden Schulen in Monschau und Simmerath nur eine untergeordnete Rolle spiele.
Das Partnerschaftskomitee Monschau feiert das 50-jährige Bestehen der Partnerschaft zwischen Monschau und Bourg Saint Andéol vom 23. bis 27. Mai in Frankreich statt.
Eine Delegation aus Monschau reist per modernem Reisebus nach Bourg Saint Andéol. In einem »Dorf der Partnerstädte« kommen alle Gäste zusammen. Parallel zum dortigen Frühlingsfest finden viele interessante Aktivitäten statt. Vertretungen aus Gaggiano (Italien) und Albertirsa (Ungarn), den Partnerstädten von Bourg Saint Andéol, reisen ebenfalls an.
Interessierten Bürgern aus Monschau bietet das Partnerschaftskomitee eine Mitfahrgelegenheit für 100 Euro an. Die Unterbringung ist selbst zu organisieren.
Wer interessiert ist oder Fragen hat, kann sich bei Hermann Mertens per Mail mertens.hermann@t-online.de oder unter Tel. 02472/1860 melden.