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#MeToo: "Flirten ist etwas völlig anderes"
Hollywood-Mogul Harvey Weinstein soll Dutzende Frauen sexuell belästigt und teilweise sogar vergewaltigt haben. Seit Bekanntwerden der Vorwürfe vergeht kaum ein Tag, an dem nicht irgendwo auf der Welt neue Übergriffe öffentlich gemacht werden. Es wird seitdem hitzig debattiert. Über sexuelle Belästigung, Machtmissbrauch und darüber, was Mann darf. Viele solidarisieren sich mit den Opfern, darunter auch zahlreiche Männer. Gegenwind hat die Debatte nun aus Frankreich erhalten.
Gegenwind aus Frankreich
Die Schauspielerin Catherine Deneuve hatte Anfang Januar in einem offenen Brief an die Zeitung "Le Monde" geschrieben, dass #MeToo eine "Kampagne von Denunziation und öffentlicher Anschuldigung" ausgelöst habe. Knapp 100 Frauen hatten den Brief unterzeichnet und vor einem "Klima totalitärer Gesellschaft" gewarnt. Sie befürchteten außerdem einen "Hass auf Männer und Sexualität" und sahen die "sexuelle Freiheit" gefährdet. Deneuve hat sich mittlerweile bei den Opfern entschuldigt. Ihren Aufruf zur "Freiheit, lästig zu sein" verteidigt sie aber.Stimmen aus der Region
Der WochenSpiegel hat in der Region nachgefragt. Wie wird hier die MeToo-Debatte bewertet? Anne Hennen, Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Trier-Saarburg: "Als Gleichstellungsbeauftragte begrüße ich natürlich diese Debatte und danke allen Frauen für ihren Mut, stattgefundene sexuelle Belästigung und Nötigung jeglicher Art öffentlich zu thematisieren und die Täter anzuzeigen. Es ist gut, dass auch viele Männer sich mit den Frauen solidarisieren und damit verdeutlichen dass kein Täter mehr auf den 'Mantel des Schweigens' vertrauen kann, denn das Klima des Schweigens und Tolerierens macht die Täter stark und sicher. Sexuelle Nötigung ist kein Kavaliersdelikt! Keineswegs sehe ich die Kultur des Flirtens in Gefahr, wie denn auch? Bei dieser Debatte geht es um missbräuchliches Verhalten und die Ausnutzung von Machtpositionen gegenüber Abhängigen und/oder Schwächeren und nicht um die Anbahnung einer 'Liebesbeziehung' auf Augenhöhe. Das Statement von Catherine Deneuve und ihren Mitstreiterinnen kann ich weder nachvollziehen noch verstehen. Wen wollen diese Frauen unterstützen, wer braucht ihre Hilfe ? Aber immerhin befeuert das Statement die öffentliche Debatte und hält die MeToo–Kampagne am Leben.Ich wünsche mir, dass es überall selbstverständlich wird, was eigentlich selbstverständlich sein sollte; das es in einer zivilisierten Gesellschaft keine sexuelle Nötigung geben darf!" Angelika Winter, Frauenbeauftragte der Stadt Trier: "Bereits vor zehn Jahren startete die heute 44-jährige Afroamerikanerin Tarana Burke die MeToo Bewegung, um damit nicht nur schwarzen, sondern unterprivilegierten Frauen auf der ganzen Welt eine Stimme zu geben. Dieser Hashtag bietet Opfern von sexualisierter Gewalt eine Plattform und die Chance das Unsagbare, das ihnen angetan wurde, kundzutun. Auch durch die rasche Verbreitung in den sozialen Medien wird das Ausmaß an sexualisierter Gewalt deutlich. Aktionen wie MeToo zeigen nur einmal mehr, dass Skandale wie der um Hollywood-Mogul Harvey Weinstein nur die Spitze des Eisberges sind. Als Frauenbeauftragte verfolge ich diese Debatten. Auf der einen Seite spülen solche Kampagnen die hohe Opferzahl an sexualisierter Gewalt nach oben – es wird sichtbarer- , auf der anderen Seite erlebe ich leider auch, dass die Nachwirkzeit der zu begrüßenden Kampagnen leider nur sehr kurz ist. Zudem wünschte ich mir, es würden sich noch mehr Männer in die Kampagnen gegen Sexismus einreihen, sich solidarisch zeigen und aktiv gegen Sexismus aufstehen. Sexualisierte Gewalt hat ihre Wurzel meist in ungleichen Machtverhältnissen. Ich hoffe, dass betroffene Frauen durch solche Kampagnen ermutigt werden, sich die Hilfe zu holen, die ihnen zusteht. Den Weg aus der Gewalt heraus und des sich Wehrens muss keine Frau alleine gehen, es gibt Hilfe und Unterstützung. Und ich hoffe leise in mich hinein, dass Frauen und Männer, die einen Flirt von einer versuchten Vergewaltigung nicht unterscheiden können, Letzteres nie erlebt haben." Regina Bergmann, Geschäftsführerin Sozialdienst katholischer Frauen: "Sexualisierte Gewalt gedeiht am besten im Verborgenen. Daher ist es absolut notwendig eine öffentliche Auseinandersetzung zu diesem Thema zu führen. Insbesondere in der MeToo-Debatte zeigt sich, dass sexualisierte Gewalt sich als Machtmissbrauch gegenüber Menschen, hier in wirtschaftlicher Abhängigkeit, manifestiert. Dies ist dann besonders perfide. Damit wird auch deutlich, dass es sich bei sexueller Gewalt und Grenzüberschreitungen eben nicht um Sexualität handelt, sondern um Gewalt und Machtmissbrauch. Es ist nicht in Ordnung und völlig inakzeptabel, wenn Grenzen sowohl bei Frauen als auch bei Männern - leider immer noch hauptsächlich bei Frauen und Mädchen - überschritten werden. Das ist auch niemals und unter keinen Umständen als Flirtversuch zu werten. Flirten ist etwas völlig anderes. Wenn es beim Flirten zu Berührungen kommt, so setzt dies bereits das Einverständnis des Gegenübers voraus. Jeder Mensch, ob Frau, Kind oder Mann hat das Recht sich gegen unerwünschtes Berühren, Anfassen oder Begrapschen zu wehren und darauf zu bestehen, dieses Verhalten umgehend abzustellen. Nicht selten testen potentielle Täter auf diese Weise die Grenzen ihres Gegenübers aus. Daher ist bereits dem unerwünschten und unaufgeforderten Anfassen besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Eine freundliche, aber bestimmte Aufforderung das Verhalten zu unterlassen, ist keine Vorverurteilung, sondern einfach nur das Einfordern eines angemessenen Verhaltens im sozialen Miteinander. Die Statements von Catherine Deneuve oder Ingrid Steeger belegen ja, dass selbst Frauen die sexuelle Gewalt erdulden mussten, sich ihrer Rechte auf Selbstbestimmung und Unversehrtheit noch immer nicht bewusst sind. Daher sind diese Statements insofern von Bedeutung, weil sie erstens die Debatte und die Auseinandersetzung aufrechterhalten und klar machen, dass noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten ist. Sie verweisen auch auf gesellschaftliche Sichtweisen zu diesem Thema, die sich zu unser aller Wohl im Laufe vieler Jahrzehnte und nicht zuletzt auf Grund öffentlicher Diskussionen und Enttabuisierungen verändert haben und sich noch weiter verändern müssen." Marita Singh, Gleichstellungsbeauftragte des Kreises Bitburg-Prüm: "Wir leben in einer Gesellschaft, in der nach wie vor Gewalt gegen Frauen als normal gilt. Und zwar so normal, dass sogar Frauen sie häufig gar nicht wahrnehmen. Wir wachsen mit dem Bewusstsein auf, dass Sexismus eben dazu gehört. Überall - Nicht nur in der Film- und Musikbranche, auch bei uns in der Eifel! Der Hashtag #metoo ist die erneute Solidarisierung mit allen Frauen, die in ihrem Leben sexuell belästigt worden sind und/oder sexuelle Gewalt erfahren haben. Dieses Thema muss immer wieder in der Öffentlichkeit transportiert werden, ob über MeToo, Runde Tische oder jetzt am 14. Februar mit der Tanzaktion 'one billion rising'. Auch Bitburg tanzt am Spittel ab 13 Uhr!" Gabriele Kretz, Gleichstellungsbeauftragte im Landkreis Bernkastel-Wittlich: "Die Debatte richtet den Fokus auf ein gesellschaftliches Machtgefüge zwischen den Geschlechtern. Männer sind stärker und reicher als Frauen, haben die höheren Positionen und somit auch das Sagen, Frauen sind Opfer. Aber Vorsicht vor Verallgemeinerungen! Es sind nicht alle Männer oder der überwiegende Teil der Männer, die sexuell übergriffig gegenüber Frauen sind. Es ist richtig und wichtig dieses Thema öffentlich zu diskutieren und gleichzeitig ist es gefährlich, denn wir müssen uns hüten vor Verallgemeinerungen, aus denen schnell Vorverurteilungen und eine neue Hexenjagd – jetzt mit umgekehrten Vorzeichen entstehen kann! Es gibt klare Regeln und gesellschaftlichen Konsens, was erlaubt und was verboten ist. Vergewaltigung und sexuelle Nötigung sind strafbewährt und hiergegen ist die Strafanzeige das richtige Mittel. Meine Sorge ist, dass in der öffentlichen Debatte die klare Differenzierung verloren geht und dadurch das gesellschaftliche Klima der Geschlechter untereinander gefährdet wird."
MeToo geht um die Welt
- Bereits 2006 startete die Afroamerikanerin Tarana Burke unter dem Hasthag »Me Too« eine Bewegung
- Burke wollte damit schwarzen Frauen, die Erfahrungen mit sexuellem Missbrauch gemacht haben, eine Stimme zu geben
- Im Zuge des Weinstein-Skanals hat die Schauspielerin Alyssa Milano im Oktober 2017 Frauen aufgerufen, den Hashtag in sozialen Netzwerken zu verwenden, um auf das Ausmaß sexueller Belästigung hinzuweisen
- Der Hashtag ist millonenfach in Tweets auf der ganzen Welt verwendet worden
- In einigen Ländern gibt es alternative Varianten des Hashtag, zum Beispiel "balancetonporc" (Verpfeif‘ das Schwein) in Frankreich oder "stilleforopptak" (Ruhe Bitte! Aufnahme!) in Norwegen
"One billion rising"
- "One billion rising" lautet das Motto eines globalen Streiks, an dem sich am Mittwoch, 14. Februar, auch die Stadt Bitburg beteiligt. Ab 13 Uhr sind Frauen und Männer zum Tanz am Spittel eingeladen. In rund 150 Städten Deutschlands gehen Menschen an diesem Tag auf die Straße, um zu zeigen, dass sie nicht bereit sind, Gewalt gegen Mädchen und Frauen hinzunehmen. Organisiert wird die Aktion von den Gleichstellungsbeauftragten zusammen mit Bitburger Tanzstudios und Donum vitae Bitburg.
- Infos gibt es hier.
Hilfe für betroffene Frauen
- Frauennotruf – Beratungsstelle für sexualisierte Gewalt, Ostallee 27, 54290 Trier, Telefon 0651/ 49777.
- Bundesweites Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen", Telefon 0800/0116016.
- Onlineberatungsplattform "Gewaltlos". Hier finden Opfer sexueller Gewalt und anderer Formen von Gewalt anonym Hilfe und Unterstützung. Ebenfalls ist es bei "Gewaltlos" möglich, sich für die anonyme Beratung anzumelden, die als Chat, also in Echtzeit, und im direkten Kontakt zur beratenden Mitarbeiterin stattfindet.
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