Johann Wilden steht nur noch ein Jahr am Zapf
»Ich habe mein ganzes Leben hier verbracht. Meine Frau ist hier mit eingestiegen, meine Kinder sind hier groß geworden und die vielen schönen Begegnungen kann man gar nicht alle aufzählen.« Doch dass irgendwann Schluss ist hinter dem Tresen, das ist Johann Wilden schon länger bewusst. Im nächsten Jahr wird der »Wirt aus Leidenschaft« 70 Jahre alt. »Meine Frau ist gesundheitlich angeschlagen und auch ich merke, dass ich die langen Abende nicht mehr so einfach wegstecke.« »Es war eine bewusste Entscheidung für ein etwas anderes Familienleben«, versichert Brigitte Wilden, die in Emsdetten im Münsterland geboren wurde und der Liebe wegen 1970 nach Simmerath kam. »Wir hatten kein Wochenende, keine Feiertage und nur selten Urlaub. Wir mussten immer dann arbeiten, wenn andere feiern gehen«, erinnert sich die Gastronomin. »Dass wir die Gaststätte gemeinsam übernehmen, war damals eine Selbstverständlichkeit und wir haben es auch nie bereut«, versichert die vierfache Mutter. 1976 hatten Johann und Brigitte Wilden den Familienbetrieb von Mutter Anna übernommen. Zur Gaststätte gehört der bekannte Festsaal und eine Kegelbahn. »Gekegelt wird heute fast noch wie früher, aber die typischen Kneipengänger sind rar geworden«, weiß Johann Wilden. Das sei einem Wandel in der Gesellschaft geschuldet. »Wer trinkt denn noch ein Feierabend-Bier in der Kneipe? Wer besucht den Frühschoppen am Sonntag Morgen?« Er wolle niemandem Vorwürfe machen, das sei nun einmal so. Und dass immer mehr Kneipen aus den Ortsbildern verschwinden, habe auch nichts mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Rauchverbot zu tun. »Nicht nur, dass man eher Zeit mit der Familie verbringt, als sich in der Kneipe zu treffen. Auch die Vielzahl an Vereinsheimen hat den Gastronomen zugesetzt«, stellt Wilden fest.
Theater und Karneval
Wenn die Beiden nun im Frühsommer 2019 das letzte Bier über den Tresen geben, dann verliert Simmerath nicht nur eine Traditionskneipe. Mit dem Saal geht auch die große Feierstätte des Ortes verloren. »Die Theatergruppe wird im Januar ein letztes Mal bei uns aufspielen und die »Sonnenfunken« müssen schon jetzt teilweise Alternativen auftun.« Denn den Stress des Zugausklangs am Tulpensonntag tue er sich nicht mehr an. Auch die Bewirtung bei der großen Kappensitzung in der Dreifachhalle am Berufskolleg hat er schon abgegeben. »Die Vereine wissen früh genug, dass wir aufhören. Klar haben die jetzt ein Problem, aber so ist es nunmal«, erklärt Wilden. Gaststätte, Wohnhaus und Festsaal wollen die Wildens verkaufen. »Unser Traum wäre natürlich, wenn sich ein ambitionierter Gastronom finden würde, der die Gaststätte in unserem Sinne weiterführt«, so der Wirt. Doch das werde schwierig. »Nachfolger in der Gastronomie zu finden ist sehr schwer. Und hier müsste sicher einiges neu gemacht werden, um sich zukunftsfähig aufzustellen.« Brigitte und Johann Wilden suchen aber nicht nur einen Käufer für ihr Zuhause, sondern auch ein kleines Häuschen für sich. »Wir wollen mieten, um im Alter flexibel zu sein.« Potenzielle Käufer und Vermieter können sich gerne in der Gaststätte Wilden, Tel. 02473/1232, melden. Wenn der Zapfhahn stillsteht, gibt Johann Wilden aber längst nicht alles auf. »Unsere Jever-Touren wird es weiter geben. Und auch zum Eishockey nach Düsseldorf werde ich immer wieder gute Freunde und Wegbegleiter einladen. Schließlich haben mein Enkel und ich eine Dauerkarte...«Schluss nach fünf Generationen
Die Gaststätte Wilden wurde 1844 erbaut und von Schuhmacher Peter Stollenwerk betrieben. Deswegen heißt Johann Wilden auch heute noch » Schomeischesch Schang«.1924 wurde der Saal angebaut und »Fremdenzimmer« eingerichtet.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das völlig zerstörte Haus wieder aufgebaut.
Legendär ist »Mutter Anna«. Sie führte den Familienbetrieb nach dem frühen Tod ihres Mannes Klemens von 1952 an.
1976 dann übernahmen Johann und Brigitte Wilden. »Mutter Anna« blieb bis zu ihrem Tod 1999 die gute Seele des Hauses.
Mehr zur »Jever-Kneipe« gibt es auf www.gaststaette-wilden.de