Johannes Mager

Schreckliche Erlebnisse sind noch gegenwärtig

Die Blicke gehen meist ins Ahrtal. Doch auch an der Kyll leiden viele Betroffene noch an den Folgen der Hochwasserkatastrophe. Das Rote Kreuz hat zur Unterstützung ein neues Fahrzeug für die Hochwasserhilfe im Einsatz.
Barbara Stommen (v.l.), Ingrid Schwarz, Oskar Schwarz und Timo Igelmund haben am 14. Juli 2021 teils dramatische Situationen erlebt.

Barbara Stommen (v.l.), Ingrid Schwarz, Oskar Schwarz und Timo Igelmund haben am 14. Juli 2021 teils dramatische Situationen erlebt.

Bild: Mager

Jünkerath. »Viele gehen bei Regen raus und gucken nach den Gittern an den Brücken«, weiß Silke Meyer: »Auch nach dieser Zeit haben die Menschen noch großen Redebedarf.« Silke Meyer arbeitet für die Hochwasserhilfe des DRK-Kreisverbands Vulkaneifel. Ihre Stelle wurde nach der Hochwasserkatastrophe neu geschaffen. Sie steht Betroffenen in verschiedensten Bereichen bei – sei es bei der Bearbeitung von Anträgen oder als Zuhörerin. Wer die Erlebnisse von Barbara Stommen sowie Ingrid und Oskar Schwarz aus Jünkerath hört, bekommt einen Eindruck davon, warum diese sich nicht einfach abschütteln lassen. Bei einem Pressetermin schilderten sie die dramatischen Stunden.
Barbara Stommen kam am 14. Juli nach einer Hüftoperation aus dem Krankenhaus wieder nach Hause. »Ich bin vor dem Ofen eingeschlafen und wurde wach, weil das Wasser mich nach oben getrieben hat«, berichtet die 85-Jährige. Zwei Mal sei sie gefallen und unter Wasser getaucht. »Ich habe mir gesagt: Mädchen, wenn du dich jetzt nicht aufraffst, stehst du nicht mehr auf.« Bis zu den Achseln stand sie im Wasser. Letztlich gelang es ihr, eine Fensterscheibe zu zertrümmern. Feuerwehrleute retteten sie durch ein Oberlicht in der Küche. Barbara Stommen musste nach den dramatischen Erlebnissen sofort wieder eine Hüftoperation über sich ergehen lassen, an deren Folgen sie bis heute leidet. Es folgten zwei Monate Krankenhaus- und Rehaaufenthalt, in denen sie nach der Flut nicht ein einziges Mal zu Hause war. In der Zwischenzeit wurde das Inventar ausgeräumt. Derzeit wird das Haus wird renoviert – mit privater Hilfe, denn Handwerker sind kaum zu bekommen. Besonders schmerzt Barbara Stommen der Verlust ihrer 4.000 Bücher, die allesamt weggeworfen wurden.
1,90 Meter hoch stand das Wasser im Keller von Ingrid und Oskar Schwarz, die gegenüber dem Jünkerather Bahnhof wohnen. Auch Oskar Schwarz erlebte dramatische Minuten, nachdem er im Keller den Strom abgeschaltet hatte. Im Dunkeln watete er von dort aus in die angrenzende Garage, wo er in eine Grube fiel und unter Wasser geriet. Das Brett, das die Grube sonst bedeckt, war durch das Wasser weggeschwemmt worden. Zwar konnte der 81-Jährige aus der Grube entkommen, doch der Wasserdruck machte es inzwischen unmöglich, die Tür zu öffnen. Das gelang ihm nur gemeinsame mit seiner Frau, die er in seiner Not zur Hilfe rief. Als Feuerwehrmann in Brühl erlebte Timo Igelmund den 14. Juli. Erst als er am nächsten Tag heim nach Jünkerath fuhr, wurde er die Situation in seinem Heimatort gewahr. Als Mitglied des DRK-Ortsvereins Obere Kyll kümmerte er sich sofort um Ersatzbeschaffungen für den Verein. Das DRK-Gebäude und die angrenzende Rettungswache liegen direkt an der Kyll, das Wasser war bis in die erste Etage vorgedrungen. Sämtliche Einsatzkleidung und -mittel waren weggespült, ein Fahrzeug beschädigt worden. »Wir sind vom Landesverband gut unterstützt worden, um wieder einsatzbereit zu sein«, berichtet Igelmund. Die Renovierung des Hauses haben die Ortsvereins-Mitglieder zum großen Teil in Eigenregie geleistet. Rund 170.000 Euro Schaden sind dem DRK in Jünkerath entstanden.
Für die Hochwasserhilfe hat der DRK-Kreisverband nun einen gebrauchten Campingbus erworben und umgebaut. In ihm kann Silke Meyer überall Beratungen für Betroffene anbieten. Das Fahrzeug ist voll als Büro ausgestattet, verfügt aber auch über Betten für den Notfall. Um Beratungstermine zu vereinbaren, ist Silke Meyer unter Tel. 0170/8729800 oder per E-Mail an s.meyer@vulkaneifel.drk.de erreichbar. Zudem finden am 21. März und 25. April je von 16.30 bis 18 Uhr im DRK-Kleiderladen in Gerolstein Gesprächskreise zum Hochwasser statt. Am 22. März um 10 Uhr und am 21. April um 15.30 Uhr werden in Densborn rund einstündige Spaziergänge zum Austausch angeboten (Treffpunkt: Hauptstraße 1).


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