Lydia Schumacher

Es fährt kein Zug nach Irgendwo

Hier am Bahnhof in Gerolstein hat bereits seit der Flukatastrophe im Jahr 2021 kein Zug mehr gehalten.

Hier am Bahnhof in Gerolstein hat bereits seit der Flukatastrophe im Jahr 2021 kein Zug mehr gehalten.

Bild: Clara Zins-Grohé

Steffi Lorisch, Stadtbürgermeisterin in Gerolstein, sieht in der fehlenden Zugverbindung eine Belasung für Einwohner, Wirtschaft, Tourismus und Klima.

Video: Lydia Schumacher

Gerolstein (lys).  Seit der Flutkatastrophe, Mitte Juli 2021, ist in Gerolstein kein Zug mehr angekommen. Die Baustellen der Flutschäden seien nahtlos mit der geplanten Elektrifizierung verknüpft worden, so Steffi Lorisch, Stadtbürgermeisterin in Gerolstein. „Das alles soll nach aktuellen Aussagen von DB Infra GO mindestens bis zum Fahrplanwechsel 2027/2028 andauern.“ Danach sei allerdings zunächst die Strecke zwischen Hürth-Kalscheuren und Köln-Hauptbahnhof wegen Bauarbeiten vollgesperrt. Lorisch: „Deshalb kann sich das alles locker bis zum Jahr 2030 hinziehen.“
Lorisch sagt gegenüber dem WochenSpiegel, sie sei frustriert, weil die Stadt vom modernen Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) und vom Güterverkehr abgeschnitten werde. „Das hat Auswirkungen auf die Bürger, die nicht verreisen können, auf den Handel hier bei uns vor Ort und auf den Tourismus auch.“ Eine ganze Generation werde vom ÖPNV entwöhnt; Pendler würden sich neue Autos kaufen und dann gewiss nicht wieder auf den Zug umsteigen wollen. Auch angesichts des Klimawandels sei das das falsche Signal.
Früher sei es möglich gewesen, binnen etwas mehr als anderthalb Stunden bis zum Kölner Hauptbahnhof zu fahren. Umgekehrt seien Touristen gerne für einen Ausflug mit dem Zug aus Köln gekommen. Heute benötige der Bus als Schienenersatzfahrzeug so lange bis nach Euskirchen, wo man erst noch in den Zug nach Köln umsteigen müsse. „Wenn man Pech hat, weil zum Beispiel Landwirte mit dem Traktor vor dem Bus unterwegs sind, verpasst man den Anschluss. Dann muss man auf den nächsten Zug warten. Also drei Stunden von Gerolstein bis Köln Hauptbahnhof sind keine Seltenheit“, so Lorisch.
Immer mehr Menschen haben sie darauf angesprochen und sich beschwert. Deshalb hatte sie die Idee, einen Offenen Brief an den Bundesverkehrsminister zu schicken und ihn aufzufordern, das Verfahren zu beschleunigen. Der Stadtrat hat Lorisch für dieses Vorhaben „grünes Licht“ gegeben. Ende Januar ging der Brief zur Korrektur in die Runde der Fraktionen. Inzwischen liegt er wohl bereits auf dem Schreibtisch von Verkehrsminister Volker Wissing.
Darin wird er aufgefordert, „alles in seiner Macht Stehende“ zu tun, um die Eifelstrecke so schnell wie möglich instand zu setzen und den Zugbetrieb wieder aufzunehmen. Das solle nicht nur in eingeschränktem Maß passieren, „sondern mit einer Geschwindigkeit und Taktung, die den Anforderungen einer modernen Verkehrsinfrastruktur gerecht werden“. Zudem, so steht es im Schreiben, soll während der Baumaßnahmen zur Elektrifizierung „regelmäßig mindestens in eine Richtung eine schienengebundene Verbindung“ ermöglicht werden.
Kaum dass der Brief unterwegs war, kam die nächste Hiobsbotschaft bei Lorisch und den Politikern im Gerolsteiner Stadtrat an: Die für Montag, 10. Februar, geplante Wiederinbetriebnahme der Strecke von Gerolstein nach Trier, hat sich ebenfalls verschoben. Hier wird es wohl bis September beim Schienenersatzverkehr bleiben.
Ob sich die Stadtbürgermeistterin überhaupt etwas vom Offenen Brief verspricht, auch angesichts der bevorstehenden Bundestagswahl? Das könne man nie wissen, so Lorisch. Selbstverständlich werde sie sich, zusammen mit dem Stadtrat, nach der Wahl gleich an die neue Bundesregierung wenden. Aber Koalitionsgespräche könnten sich bekanntermaßen hinziehen. „Ich wollte einfach jetzt ein Zeichen setzen“, sagt Steffi Lorisch.. 

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