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Mario Zender

Manfred Schnur: »Ich war mit Herzblut Landrat«

Interview mit Landrat Manfred Schnur zum Abschied aus dem Amt

Amtseinführung von Landrat Manfred Schnur vor 16 Jahren durch seinen Vorgänger, Landrat Eckhard Huwer.

Amtseinführung von Landrat Manfred Schnur vor 16 Jahren durch seinen Vorgänger, Landrat Eckhard Huwer.

Bild: Kreisverwaltung

KREIS. Nach 16 Jahren als Landrat tritt Manfred Schnur in der kommenden Woche in den Ruhestand. WochenSpiegel-Chefredakteur Mario Zender hat mit ihm ausführlich gesprochen. Über seine 16-jährige Amtszeit, seine Erfolge und darüber, welche WochenSpiegel-Berichterstattungen ihn besonders geärgert haben. Herausgekommen ist ein sehr persönliches Interview, bei dem Manfred Schnur außerordentlich offen über persönliche Erfahrungen während seiner Amtszeit spricht.

WochenSpiegel: Herr Landrat, wie fühlen Sie sich angesichts Ihrer bevorstehenden Versetzung in den Ruhestand, nach so vielen Jahren in Ihrem Amt? 5840 Tage Landrat sind es genau, wenn Sie am 31. Oktober dieses Jahres ausscheiden.

Landrat Manfred Schnur: Natürlich ist Wehmut dabei. Ich habe alle meine beruflichen Tätigkeiten gerne gemacht. Ich war mit Herzblut Landrat. Aber wie heißt es: Alles hat seine Zeit! Und nun ist Zeit abzutreten und anderen das Feld zu überlassen. Ich freue mich, wenn ich morgens nicht mehr um fünf Uhr aufstehen muss, dass ich keine Verantwortung mehr tragen muss oder das ganze Tagesgeschäft zu erledigen habe. Natürlich hätte ich in so einigen Bereichen schon noch Pläne und Ideen. Aber die bleiben nun bei mir.

WochenSpiegel: Welche Momente oder Errungenschaften aus Ihrer Amtszeit als Landrat des Kreises Cochem-Zell werden Ihnen besonders in Erinnerung bleiben?

Landrat Manfred Schnur: Da gibt es nicht den Einzelfall - aber • die Fusion Cochem Stadt und Land. • die Bewältigung der Flüchtlingskrise im Jahr 2015. • die Corona-Pandemie. Das waren schon besondere Momente und Ereignisse, die vollen Einsatz gefordert haben. Auch die namentliche Anerkennung der Digitalisierung in unserem Landkreis durch Bundeskanzlerin Angela Merkel vor allen Landrätinnen/Landräten Deutschlands – das war schon etwas Besonderes.

WochenSpiegel: Viele visionären Entscheidungen haben Sie in Ihrer Amtszeit für den Landkreis initiiert oder durchgedrückt. Anfänglich wurden einige belächelt, später wurde aber klar, dass Sie goldrichtig lagen, wie bundesweite Auszeichnungen belegen. So etwa beim Thema Breitband, dem Engagement zum Null-Emissions-Landkreis und vielem mehr. Gibt es Projekte oder Initiativen, auf die Sie besonders stolz sind und die einen nachhaltigen Einfluss auf den Landkreis hatten?

Landrat Manfred Schnur: Glück gehabt! Bei vielem lagen wir richtig, ob das • Breitband • Schulentwicklung. • Klimaschutz und Energiewende. • Digitalisierung mit E-Government. • Integrationsplanung – das Fest »Mosaik der Kulturen«. • Kreiswerke (Virtuelles Kraftwerk, Kreisenergiegesellschaft). • Nachhaltigkeit. • Standortmarketing waren, um nur einige zu nennen. Auch Pfeiler unserer Kreisentwicklung sind gelungen, wie • Stadtwaldlinie. • Moderne Schulen (Navi-Raum, WLAN). • Tragfähige Strukturen zu schaffen und zu entwickeln für gleichwertige Lebensbedingungen, ohne die Identität des Dorfes und der ländlichen Region aufzugeben. • Selbstbewusstsein zu schaffen, zu wissen, was wir haben. • Stopp des demographischen Bevölkerungsverlustes mit einer Renaissance des ländlichen Raumes. • Ausgeglichener Haushalt. • Zukunftscheck Dorf zeigt, was in unseren Dörfern steckt. • Engagierte Bürgerschaft. • motivierte, leistungswillige, kompetente Verwaltung mit einem Frauenanteil von 60 Prozent. • Entschuldung bei den Liquiditätskrediten. Ja! Es kam schon etwas zusammenkommen in 16 Jahren.

WochenSpiegel: Welche Veränderungen oder Entwicklungen haben sich in Ihrer Amtszeit im Landkreis ergeben, die Sie als besonders positiv oder bedeutsam erachten?

Landrat Manfred Schnur: Wenn ich dies zusammenfasse, sind Klima, Digitalisierung, IKZ, Standortmarketing, Nachhaltigkeit ganz elementare.

WochenSpiegel: Wie hat sich Ihre Sicht auf die Herausforderungen und Verantwortlichkeiten eines Landrats im Laufe der Jahre verändert?

Landrat Manfred Schnur: Landrat ist eine Herausforderung, die einen Menschen vollständig und vollumfänglich fordert. »24/7« (24 Stunden – sieben Tage). Ich hätte mir nie vorstellen können, Telekommunikation, ÖPNV, ärztliche Versorgung oder Energie als kommunale Aufgabe zu erfüllen. Aber die Kommunen werden immer mehr zum letzten Sammelbecken, wenn es um Aufgabenerledigung geht.

WochenSpiegel. Immer wieder gab es Diskussionen um die Zukunft des kleinen Landkreise Cochem-Zell. Glauben Sie, dass es den eigenständigen Landkreis Cochem-Zell auch in den nächsten Jahrzehnten noch geben wird?

Landrat Manfred Schnur: Natürlich haben wir lange gezittert und viele hatten unseren Landkreis auf der Streichliste oder sogar schon aufgegeben. Aber wir haben gezeigt, was in uns steckt und haben bewiesen, dass wir die an uns gerichteten Aufgaben – auch als kleiner Landkreis – meistern können; in vielen Bereichen als Vorreiter und das bei nicht üppiger Finanzausstattung. Mittlerweile scheint zumindest die Politik die Lust auf eine erneute Verwaltungsreform verloren zu haben. Mit dem IKZ und den Möglichkeiten der Digitalisierung soll ein anderer Weg probiert werden. Wir haben uns dem Weg gestellt, zusammen mit drei weiteren Landkreisen – durchaus mit ersten messbaren Erfolgen. Ich glaube, dass mittelfristig – die nächsten zehn Jahre – dieses Thema nicht erneut aufgerufen wird. Cochem-Zell hat Zukunft und das noch lange. Aber wir müssen unseren Beitrag dazu leisten.

WochenSpiegel: Gibt es bestimmte Momente oder Erlebnisse, die Sie in Ihrer Amtszeit besonders geprägt haben?

Landrat Manfred Schnur: Es gibt nicht unbedingt den einen Moment. Es gibt mehrere Ereignisse, wie zum Beispiel das/die Ahrhochwasser/-flut, die spürbaren Klimaveränderungen (Trockenheit, Sturm, Flächenbrände), Corona aber auch das Thema Flucht – die haben schon geprägt.

WochenSpiegel: Sicherlich hat Ihnen nicht immer unsere Berichterstattung im WochenSpiegel oder unsere zahlreichen An- und Nachfragen gefallen. Oder wenn uns Informationen zu Themen aus nichtöffentlichen Sitzungen »durchgestochen« wurden und wir dann frühzeitig darüber berichtet haben. Wie froh sind Sie, dass Sie nun im Ruhestand von solchen Anfragen des WochenSpiegel verschont werden und Ihnen nicht ständig jemand auf die »Finger schaut«?

Landrat Manfred Schnur: Enttäuschend ist nicht die Berichterstattung, sondern der Informant! Kritische Berichterstattung einer freien Presse ist ein elementarer Bestandteil unserer Demokratie. Wer in einem politischen Amt ist, muss dies wissen und aushalten. In meinem früheren Leben war ich einmal Pressereferent. Sicherlich ist dies etwas, wovon ich im Ruhestand verschont bleiben möchte. Zum Glück habe ich alles überstanden und durchgestanden. Ich habe keinen einzigen Leserbrief in all den Jahren geschrieben.

WochenSpiegel: Hand aufs Herz: Welcher WochenSpiegel-Beitrag in den vergangenen 16 Jahren hat Sie am meisten geärgert?

Landrat Manfred Schnur: Es gibt schon einige, die wehgetan haben. Zum Beispiel die Berichte in der Corona-Pandemie oder zu vertraulichen Gesprächen über die Zukunft der Krankenhäuser, aber auch zu den Nebentätigkeiten.

WochenSpiegel: Die Erinnerungskultur war Ihnen immer besonders wichtig. Insbesondere auch das jüdische Leben und das Erinnern an die Gräueltaten der Nazis an Juden aus unserer Heimatregion. Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten zusammen mehrere Projekte dazu initiiert und durchgeführt. Das war auch für Sie immer eine Herzensprojekt.

Landrat Manfred Schnur: Erinnerungskultur war mir sehr wichtig. Über die Initiative des Wochenspiegels war und bin ich sehr dankbar, dass von dort das Thema aufgegriffen und begleitet wurde. Ziel dabei war, Jugendliche von einem Weg der Radikalisierung und Verblendung abzuhalten. Ein besonderes Erlebnis war für mich der Besuch von Frau Knobloch, das Gespräch mit rund 1.000 Schüler/innen und der Gegenbesuch in München. Frau Knobloch persönlich kennenzulernen ist schon etwas Außergewöhnliches.

WochenSpiegel: Welche Pläne haben Sie für Ihre Zeit im Ruhestand? Gibt es besondere Hobbies oder Interessen, denen Sie sich nun vermehrt widmen möchten?

Landrat Manfred Schnur: Ich bin alle Lebensabschnitte in meinem Leben mit einem Plan angegangen. Natürlich habe ich Hobbies: Lesen, Tennis, Karten spielen. Aber der Mittelpunkt wird meine Familie sein – mit meinen vier Enkeln.

WochenSpiegel: Werden Sie im Ruhestand mit Ihrem Erfahrungs- und Wissensschatz dem Kreis Cochem-Zell auch zukünftig ehrenamtlich »erhalten« bleiben?

Landrat Manfred Schnur: Ich werde auch künftig im Kreis wohnen und leben. Ich habe keinen Grund, meine Heimat zu verlassen. Treis-Karden ist nicht aus der Welt. Ich werde mich nicht mehr aktiv an der Kreispolitik beteiligen oder noch ein politisches Amt begleiten. Wenn man meint, dass mein Rat gefragt ist oder ich helfen kann, stehe ich immer bereit. Aber nie ungefragt.

WochenSpiegel: Welche Botschaft oder Abschiedsworte möchten Sie an die Bürgerinnen und Bürger des Landkreises richten?

Landrat Manfred Schnur: Wir leben in einer traumhaften Region mit viel Potential und einer guten Ausstattung. Wir haben ein tolles, vielfältiges Vereinsleben und das Ehrenamt wir im Landkreis Cochem-Zell großgeschrieben. Wir haben eine aktive Bürgerschaft. Das ist Zukunft! Wir müssen nur mehr an uns glauben. Es war mir eine große Ehre und Freude dem Landkreis und den Menschen zu dienen.

WochenSpiegel: Vielen Dank für das ausführliche Gespräch.


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