"Der Patient selbst spielt keine Rolle"
Gegensätzlicher könnten die Meldungen kaum sein. Ab 2020 stellen die Krankenkassen jährlich rund 50 Millionen Euro bereit, um Krankenhäuser in ländlichen Regionen mit je 400.000 Euro zu unterstützen. So soll die medizinische Versorgung auf dem Land gestärkt werden. Auch das St. Josef-Krankenhaus in Adenau zählt dazu. Andererseits besagt eine Studie, die die Bertelsmann-Stiftung Mitte Juli veröffentlicht hat, dass eine Patientenversorgung von guter Qualität lediglich dann möglich sei, wenn von den derzeit rund 1.400 Krankenhäusern in Deutschland nur deutlich weniger als 600 erhalten bleiben. Außerdem wären die Kliniken so wirtschaftlicher zu betreiben.
Laut der Studie gibt es in Deutschland aktuell "zu viele und oft auch zu kleine Krankenhäuser". Das führe zu Defiziten in der Behandlungsqualität, der Patientensicherheit und der Wirtschaftlichkeit. Unter anderem seien viele Kliniken medizintechnisch nicht angemessen ausgestattet. Daneben fehle aufgrund niedriger Fallzahlen oft die Erfahrung, "um typische Notfälle wie Herzinfarkt und Schlaganfall zu versorgen".
Als Modellregion wurde in der Studie die NRW-Versorgungsregion 5 untersucht, die aus Köln, Leverkusen und drei umliegenden strukturschwächeren Kreisen besteht. In Metropolregionen gibt es laut Studie das größte Potenzial, um Krankenhauskapazitäten abzubauen.
Dort sei die medizinische Versorgung gut und ein Abbau der Kliniken verlängere die Fahrzeit für die Patienten kaum. Auch wenn in ländlichen Regionen die Situation eine andere sei, dürften auch "mangelhaft ausgestatte Kliniken auf dem Land" nicht erhalten bleiben, heißt es in der Bertelsmann-Studie. Stattdessen müssten "alternative Strukturen der Rettungsdienste aufgebaut und Konzepte der Zubringerdienste auch für Angehörige entwickelt werden".
Studie ist für die Eifel "nicht zielführend"
Zahlreiche Krankenhaus- und Trägerverbände haben die Studie bereits kritisiert. Der WochenSpiegel hat bei den Krankenhausbetreibern im Kreis Ahrweiler nachgefragt. Auch sie üben Kritik. "Die Studie schießt weit über das Ziel hinaus", sagt Heribert Frieling, Leiter der Stabsstelle Unternehmenskommunikation der Marienhaus Gruppe. Sie betreibt im Kreis Ahrweiler unter anderem das Krankenhaus Maria Hilf Bad Neuenahr-Ahrweiler und das St. Josef-Krankenhaus Adenau.
Frieling kritisiert die Modellregion der Studie. "Ein Knackpunkt ist, dass auf eine Metropolregion geguckt wurde. Für Regionen wie Eifel, Hunsrück und Westerwald ist das nicht zielführend. Die Situationen sind nicht vergleichbar", sagt Heribert Frieling. "Die Studie hilft in der Diskussion um die Zukunft des Gesundheitswesens nicht weiter", findet Thomas Werner, Verwaltungsdirektor des Verbundkrankenhauses Linz-Remagen, zu dem das Krankenhaus Maria Stern Remagen gehört.
"Diese Simulationen und Datenspielereien der Studie mit Ergebnissen aus einer Region, die auch nicht uneingeschränkt auf unserer Region in Rheinland-Pfalz übertragbar ist, sind nicht zielführend. Die Gesundheitliche Versorgung ist mit ein Standortfaktor bei der Entscheidung zum Wohnort", sagt er und moniert: "Der Patient selbst spiele in der Studie keine Rolle."
Keine Nachfolger für Arztpraxen
Zur Daseinsvorsorge und um gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen, seien die Krankenhäuser in ländlichen Regionen wichtig, so Frieling. Aber: "Die Situation wird immer schwiergier und auch dadurch verschärft, dass niedergelassene Ärzte oft keinen Nachfolger für ihre Praxis finden. Wie können wir da auch noch Krankenhäuser schließen?"
Auch in den Krankenhäusern sei die Personalknappheit in manchen Bereichen zu spüren. "Es gibt immer wieder Situationen, wo die Personaldecke sehr eng ist, besonders in der Krankenpflege", sagt Heribert Frieling: "Aber wir sind ein großer Ausbildungsbetrieb. 1.500 junge Menschen lernen dort Gesundheitsberufe. Aus ihnen können wir immer wieder Stellen nachbesetzen." Auch im Verbundkrankenhaus Linz-Remagen können die Stellen im ärztlichen Dienst, insbesondere bei den Fachärzten, besetzt werden. Vorteil sei die Nähe zu Bonn, wo viele der Ärzte ausgebildet wurden und wohnen, so Werner. Problembereich sei der Pflegedienst. Der Arbeitsmarkt gebe nicht ausreichend Pflegekräfte her. »Hier können wir unseren Pflegekräften nicht genug danken, dass sie Zeiten der Vakanzen mittragen«, betont er.
Thomas Werner verweist auf ein Zitat von Dr. Gerald Gaß, Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG): »Wer vorschlägt, von rund 1.600 Akutkrankenhäusern 1.000 platt zu machen und die verbleibenden 600 Kliniken zu Großkliniken auszubauen, propagiert die Zerstörung von sozialer Infrastruktur in einem geradezu abenteuerlichen Ausmaß, ohne die medizinische Versorgung zu verbessern.«
Vertrautes Umfeld ist wichtig
Beim Blick auf die Studie sorgt die »soziale Infrastruktur« auch Frieling: »Große Krankenhäuser werden dann weiter ausgebaut zu Gesundheitsfabriken. In großen Häusern sind die Patienten vielleicht nur eine Nummer.« Gerade für ältere Patienten sei die Nähe zum Wohnort aber wichtig. »Ein halbwegs vertrautes Umfeld ist meist wichtiger als Spitzenmedizin«, sagt Frieling.
Das sieht Werner genauso: »Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung sind erforderlich, um die gesundheitliche Daseinsfürsorge im ländlichen Bereich zu sichern.« Das gelte insbesondere für älteren Patienten, die mit Krankheiten, für die die Grund- und Regelversorgung da sei, ins Krankenhaus kämen und dabei oft nur eingeschränkt mobil seien.
Der Beweis, ob weniger Krankenhäuser bessere Qualität bedeuten, sei noch zu führen, meint Werner: »Dazu schweigt sich die Studie aus und verweist auf andere Länder ohne zu berücksichtigen, dass diese flankierende Präventionsprogramme haben.«
Allerdings hält Frieling »Leuchttürme« in Form von spezialisierten Abteilungen für notwendig. Auch Werner sieht, dass es Kliniken, die nur eine medizinische Grundversorgung anbieten, schwer haben werden. »Auch der reine Grundversorger muss sich spezialisieren oder ergänzend segmentieren«, sagt er. Das Verbundkrankenhaus verfolge das konsequent.
Mehr ambulant statt stationär
In der Studie wird behauptet, dass fünf Millionen der stationären Behandlungen und Operationen auch ambulant erfolgen könnten. Heribert Frieling kann das nicht nachvollziehen: »Ich frage mich immer wieder, wo solche Zahlen herkommen. Der Trend geht doch bereits von stationären zu ambulanten Behandlungen. Die Liegezeiten der Patienten haben sich schon drastisch verringert.«
Außerdem dürften Patienten beispielsweise nach einem ambulant durchgeführten Eingriff nur dann nach Hause gehen, wenn da jemand sei, der sich um sie kümmere. Das sei ja auch nicht immer der Fall.
Auch Werner ist skeptisch. Ob ein stationärer Aufenthalt notwendig sei, werde schon heute streng geprüft. Werde diese Notwendigkeit durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen aberkannt, werden der Klinik diese Fälle nicht bezahlt.
»Voraussetzung ist aber auch, dass die Krankenhäuser endlich zur ambulanten Behandlung zugelassen werden«, fordert Thomas Werner: »Das wird heute nur sehr, sehr eingeschränkt von der Kassenärztlichen Vereinigung erlaubt und vom Gesetzgeber nicht gefördert. Die niedergelassenen Fachärzte werden das nicht auffangen können.«