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Ärzte sehen Politik in der Verantwortung

Dr. Marcus Raum und Dr. Hernan Leonardo Aceval: Zwei ehemalige Ärzte des Adenauer St. Josef-Krankenhauses sorgen sich um die Situation.
Sind Krankenhäuser auf dem Land in der Einbahnstraße? Foto: Mager

Sind Krankenhäuser auf dem Land in der Einbahnstraße? Foto: Mager

Die Schließung der Chirurgischen Abteilung am Adenauer St. Josef-Krankenhaus beschäftigt nicht nur die Adenauer Bevölkerung. Auch ehemalige Ärzte des Hauses sehen die Entwicklung mit Besorgnis.
»Für die Region ist das eine absolute Katastrophe«, sagt Dr. Marcus Raum, von April 2018 bis Juni 2019 Chefarzt in der Adenauer Chirurgie, im Gespräch mit dem WochenSpiegel. Er hatte sich bewusst für das kleine Krankenhaus entschieden und sich ein Häuschen im Umland eingerichtet. »Die Patienten und das Personal kannten sich. Es war ein familiäres Verhältnis und eine besondere Atmosphäre. Deshalb ist die Situation umso bitterer.«  Als er in Adenau anfing, sei die Planung eine ganz andere gewesen. »Ich hätte mehr Zeit gebraucht, um es auf einen guten Weg zu bringen«, sagt Raum. Doch beim Personal sei der Rotstift angesetzt worden. Der ausscheidende Oberarzt der Anästhesie sei nicht ersetzt worden. »Und die Assistenzarztstellen wollte man innerhalb kurzer Zeit halbieren«, sagt Raum. So habe er dort keine sichere Zukunft gesehen. Man könne über manche Managemententscheidung der Marienhaus GmbH, die das Krankenhaus betreibt, diskutieren. Da es schon seit Jahren finanzielle Defizite gebe, habe ein gewisses Verständnis. Mehr sieht der Arzt das Land in der Pflicht. Denn Raum erklärt, dass Operationen an der Wirbelsäule, am Thorax oder von Gelenkprothesen die lukrativen Eingriffe seien. Endoprothetik sei zwar auch in Adenau vorgehalten worden. Für solche geplanten Operationen gingen die Patienten aber eher in große Krankenhäuser. Chirurgische Eingriffe bei zum Beispiel Knochenbrüchen seien hingegen schlecht bezahlt. Es müsse dafür aber fast ebenso viel Personal wie in einem großen Haus vorgehalten werden, weil diese Fälle rund um die Uhr vorkämen. »In der Unfallchirurgie macht man also eigentlich immer Verlust. Ohne Subventionen des Landes sind kleine Häuser so nicht überlebensfähig, wenn andere Einnahmen fehlen. Es ist eine politische Entscheidung, ob man die ländliche Versorgung aufrecht erhalten will – aber da kommt nix«, moniert Raum. Ähnlich sieht es Dr. Hernan Leonardo Aceval, der Ende 2019 der letzte Chirurg im Krankenhaus war: »Es ist immer von Zwei-Klassen-Medizin die Rede. Das ist aber nicht der Unterschied zwischen privat und gesetzlich versichert, sondern zwischen Stadt und Land. Die Menschen auf dem Land bezahlen die gleichen Beiträge und Steuern, aber die Versorgung ist miserabel.« Auch im Fall Adenau hätte das Land reagieren müssen, findet Aceval: »Wenn der Beauftragte nicht in der Lage ist, seinen Versorgungsauftrag auszuführen, muss das Land übernehmen.« Dass die Marienhaus GmbH die Situation absichtlich herbeigeführt hat, glaubt er nicht. Dennoch habe sie Dinge falsch gemacht: »Ob das Mutterhaus oder die Geschäftsführung vor Ort die Situation nicht richtig eingeschätzt hat, weiß ich nicht. Vor Ort hat man die Mitarbeiter weggeschickt. Da trägt die Verwaltung auch eine Verantwortung.« Mitarbeiter seien traurig, verzweifelt und voller Angst gewesen. »Ich habe Leute gesehen, die geweint haben,« sagt Aceval. Er selbst habe 24-Stunden-Dienste geleistet und alle drei Abteilungen zugleich betreut. Geweint hätten auch ältere Menschen. »Weil sie nun nicht wissen, wo sie hingehen sollen, wenn sie sich das Handgelenk brechen«, berichtet der Arzt. Egal ob Hand- und Rippenbruch, Platzwunde oder ein ausgerenkter Arm – würden die Fensterzeiten, in denen eine medizinische Versorgung nötig ist, nicht eingehalten, könne das zu irreparablen Schäden führen, warnt Aceval im Gespräch mit dem WochenSpiegel vor den Folgen der Chirurgie-Schließung. »Ein Krankenhaus ist ein Teil in einem Organismus«, sagt er. So habe das Krankenhaus als Institutsambulanz auch den Bereitschaftsdienst für die niedergelassenen Ärzte übernommen. »Wir haben sie so entlastet und hatten auch keine Deckelung bei Verschreibungen«, so Aceval. Nun hätten die Hausärzte wesentlich mehr Arbeit. »Das Budget zu verwalten und einen Nachfolger zu finden wird so noch schwieriger.« Außerdem habe die Chirurgie die Zulassung gehabt, Schul- und Arbeitsunfälle zu behandeln. Zudem betont Aceval das wegfallende Knowhow der Ärzte. »Bei ‚Rad am Ring‘ haben wir Schlüsselbeinbrüche am laufenden Band operiert. Wir haben ‚Rock am Ring‘ auch bei der Terrorwarnung 2017 ohne Chaos gemeistert. Wir waren die erste Adresse für Unfälle in der Region – wir haben die Patienten für den Weitertransport in Spezialkliniken stabilisiert. Wir hatten was vorzuweisen!«


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