Edith Billigmann

"Lasst doch die Schule im Dorf!"

OBERKAIL. In Oberkail kämpfen Eltern und Schüler um den Erhalt der betreuenden Grundschule.
Wenn es nach dem Willen der Verbandsgemeinde geht, soll die betreuende Grundschule in Oberkail möglichst zügig geschlossen werden. Die Kinder müssten dann in die sieben Kilometer entfernte Grundschule nach Kyllberg gebracht werden.

Wenn es nach dem Willen der Verbandsgemeinde geht, soll die betreuende Grundschule in Oberkail möglichst zügig geschlossen werden. Die Kinder müssten dann in die sieben Kilometer entfernte Grundschule nach Kyllberg gebracht werden.

Bild: privat

(edi)  Unverstanden, übergangen, wenn nicht sogar überrumpelt – so fühlen sich Timo Rausch und Sebastian Herget, die die einhellige Meinung der betroffenen Eltern zum Erhalt der Grundschule in Oberkail vertreten. Am 18. Juni wollen sie im Vorfeld der Abstimmung im Ausschuss für Schulen, Jugend und Kultur des Verbandsgemeinderats mit einer großen Aktion auf ihr Begehren aufmerksam machen. Das Thema soll sachlich, im gegenseitigen Miteinander und auf Augenhöhe diskutiert werden. Denn gerade das habe man bei der Entscheidungsfindung vonseiten des Schulträgers, der Verbandsgemeinde Bitburger Land, schmerzlich vermisst.

Ihre Forderungen: Erhalt der Grundschule in Oberkail zugunsten der Kinder, der Eltern, der Lehrer und der Dorfgemeinschaft. »Wir sind eine betreuende Grundschule, in der sich Lehrer, Eltern und Vereine auf die gegenseitigen Bedürfnisse abstimmen«, argumentiert Rausch. Das sei bei einer Zusammenlegung mit der sieben Kilometer entfernten GS in Kyllberg nicht mehr möglich. »Dann bricht ein großer und wichtiger Teil der gemeindlichen Strukturen des Einzugsgebiets zusammen«, befürchtet er.

Im vergangenen Jahr wurden alle Grundschulen im Kreis in der VG Bitburger Land auf die Anforderungen des neuen Schulgesetzes, das ab 2026 greift und einen Anspruch auf Ganztagsbetreuung rechtlich verankert, überprüft. Das mit einem Gutachten beauftragte Bonner Projektbüro BiRegio kommt zum Ergebnis, dass die Zahl der Grundschulkinder in den kommenden Jahren stark steigen wird: von 966 Kindern im Jahr 2021/22 auf 1220 im Jahr 2025/26. Für das Jahr 2035/36 werden 1602 Schülerinnen und Schüler prognostiziert.

 

Für die VG heißt das konkret:Schulstandorte auf ihre Effizienz und die zu erwartenden Sanierungsmaßnahmen und Umbauarbeiten hin zu überprüfen und je nach Ergebnis zu erweitern, zu schließen bzw. zusammenzulegen.

»Das Gutachten wurde zwar Anfang des Jahres in öffentlicher Sitzung vorgestellt, aber von einer Beschlussvorlage war keine Rede«, erinnern sich Timo Rausch und Sebastian Herget. Erst in der Sitzung des Ausschusses für Schulen, Jugend und Kultur des Verbandsgemeinderats vom 24. Mai habe es geheißen, dass man den Empfehlungen des Gutachters folgen wolle. Und der rät nach eingehender Prüfung zur Schließung der Grundschule Oberkail und Zusammenlegung mit der Grundschule in Kyllburg. Der Ausschuss soll bei seiner Sitzung am 20. Juni die Beschlussvorlage für den VG-Rat erarbeiten, der dann am 13. Juli darüber entscheiden wird.

»Wäre es nach der VG gegangen, wäre der Beschluss schon längst abgesegnet worden. Aber der VG-Rat hatte sich mehr Zeit zur Einarbeitung erbeten und die Vertagung beantragt«, merkt Rausch an. »Auf die VG kommen insgesamt 37 Mio. Euro an Investitionen zu«, wirft Herget ein. Die zu stemmen, sei die VG aber nicht ohne Weiteres in der Lage. »Jetzt müssen Wege und Lösungen zur Finanzierung gefunden werden. Der einfachste Weg sind Schulschließungen und -zusammenlegungen. Dabei fehlt der Blick über den Tellerrand.«

 

These: Ganztagsschulen nehmen Flexibilität

 

Den wagen die beiden Familienväter. Und der könnte so aussehen: »Es gibt keine gesetzliche Forderung, dass es ausschließlich Ganztagsschulen geben darf. Auch eine Betreuungsschule hat weiterhin ihre Berechtigung. Sie muss nur dafür sorgen, dass derjenige, der einen Ganztagsplatz möchte, auch einen erhält«, führt Rausch die jetzige Rechtslage aus. Dieser Bedarf sei, bis auf einen Schüler, in Oberkail nicht der Fall. Und überhaupt hätten im Einzugsgebiet der Grundschule (Gransdorf, Gindorf und Oberkail) lediglich die Hälfte der Eltern einen Betreuungsbedarf angemeldet. Der allerdings sei flexibel und richte sich nach den individuellen Bedürfnissen. »Wir können als Eltern entscheiden, wann das Kind abgeholt wird«, untermauert Herget die nahezu »paradiesischen Verhältnisse«. Diese Flexibilität gehe bei einer Ganztagsschule, bei der der Bedarf unwiderruflich vor Schulbeginn festgelegt werden müsse, verloren. Und hier ist auch schon der nächste Knackpunkt:

Oberkail zählt 600 Einwohner, sieben Vereine plus vier Jugendgruppen sowie etliche Gemeinschaften. »Wir sind ein sehr aktives Dorf«, betont Rausch. Nicht ohne Grund habe Oberkail im Wettbewerb »Unser Dorf hat Zukunft« eine Medaille auf Kreisebene gewonnen. Was die Gemeinde so besonders macht, ist der gesellschaftliche Zusammenhalt oder, wie es Herget ausdrückt, die vereinsübergreifende Inklusion. Für Gindorf und Gransdorf gelten sehr ähnliche Verhältnisse. »Die Oberkailer Lehrer passen ihre Arbeitszeit an die Bedürfnisse der Schüler und Eltern an«, so Rausch weiter, »und ermöglichen dadurch nicht nur ein aktives Vereinsleben, sondern auch eine Betreuung nach Bedarf.«

Dazu merkt Rausch, der auch Vorsitzender des Karnevalsvereins ist, an: »Im vergangenen Jahr wurden drei Gardegruppen gegründet. Die zeitliche Koordination der Gruppen wurde mit der Grundschule abgesprochen. Das wäre mit einer zentralisierten Schule nicht möglich gewesen.«

 

Schülerzahlen ändern sich im kommenden Jahr

 

»Ja«, geben Rausch und Herget zu, die Schülerzahlen seien zum jetzigen Zeitpunkt nicht optimal, doch das ändere sich ein Jahr später. Dann sei auch die Einzügigkeit wieder gegeben. »Aber darüber spricht ja keiner«, äußern sie ihre Enttäuschung.

Bei einem Umbau des Standortes Oberkail zur Ganztagsschule entstehen für die VG durch energetische Sanierung, Modernisierung, Erweiterungsbau und Mensa zusätzliche Kosten in Höhe von über 4,16 Mio. Euro. »Das sind errechnete Kosten für eine Ganztagsschule, beim Erhalt der Betreuungsschule sieht das schon ganz anders aus«, halten Rausch und Herget dagegen. Außerdem entstehe in Bälde in der nur 30 Meter entfernten Kita eine Mensa mit eigener Küche, die die Grundschule nach Absprache und Prüfung mitnutzen könnte, so die engagierten Väter, die das Mensa-Projekt der Kita ohnehin sehr kritisch sehen, da es die jetzt schon hohe Pro-Kopf-Verschuldung nochmals nach oben treibe.

Das künstlich erbaute Zahlenkonstrukt der Verbandsgemeinde gehe am tatsächlichen Bedarf von Schülern, Eltern und Lehrern vorbei, fassen es Rausch und Herget zusammen und werden noch deutlicher: »Wir stellen die Notwendigkeit der Investitionen laut Gutachten deutlich in Frage, weil u.a. die Investitionskosten auf 5.000 Euro pro qm pauschalisiert sind und scheinbar keine Suche nach vorhandenen Alternativen gestartet wurde.«

 

Statements:

Ortsbürgermeisterin Petra Fischer steht hinter den Eltern: »Für alles, was wir mit fairen Mitteln erreichen können, werden wir kämpfen.« Sie gibt allerdings im Hinblick auf die Ungewissheiten der Schülerzahlen und des künftigen Rechtsanspruchs auf den Ganztagesplatz zu bedenken, dass sich die Verbandsgemeinde auch bei Fehlentscheidungen vor dem Rechnungshof rechtfertigen müsse.

 

Janine Fischer, Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde Bitburg-Land, befürwortet die Schließung der Grundschule Oberkail und die Zusammenlegung mit der Grundschule in Kyllburg. „Das Schulkonzept ist eng mit der Schulaufsichtsbehörde ADD abgestimmt. Die Grundschule in Oberkail ist so klein, dass sie nach dem Landesschulgesetz nicht zulässig wäre.“

Auch wenn die allgemeine Tendenz des Lehrermangels, verbunden mit Unterrichtsausfällen und fehlender vernünftiger Vertretungsregelung, in der Grundschule Oberkail zur Zeit kein Thema sei, werde das in Zukunft immer wahrscheinlicher. „Die jetzige Schulleitung und die Lehrer werden in 30 bis 40 Jahren nicht mehr dort sein“, so Fischer weiter und hakt kritisch nach: „Sollen wir in eine Schule investieren, bei der die ADD jetzt schon bezweifelt, sie dauerhaft bestücken zu können? Wir sind doch verpflichtet, die Schüler mit regelmäßigem Unterricht zu versorgen.“

Im Vergleich zu den Diskussionen in 2018 um die Schließung kleiner Schulen im Land sei die Rechtslage heute eine völlig andere. „Wir wissen, dass wir ab 2026 eine Ganztagsbetreuung in den Grundschulen anbieten müssen. Seit einem Jahr sind wir aufgefordert, neue Schulentwicklungspläne aufzustellen. Als Träger ist die Verbandsgemeinde gefordert, große Investitionen zu tätigen. Wenn die Bürger das bezahlen, dann haben sie auch den Anspruch, dass in den Schulen Unterricht stattfindet.“

Emotional könne sie die Gründe durchaus nachvollziehen, aber tragfähig für die Zukunft sei die Grundschule in Oberkail nicht. „Die Aufgabe des Schulträgers ist sicherzustellen, dass die Kinder beschult werden, und nicht zu bewerten, dass und ob die Gemeinde einen Standortvorteil hat. Mit Schulschließungen wird den Ortsgemeinden nichts weggenommen, worauf sie einen Anspruch haben. Wir sind auch der Meinung, dass unsere Dörfer insgesamt stark sind. In 71 Gemeinden haben wir 10 Schulstandorte. Alle anderen Gemeinden funktionieren auch.“

Zu den errechneten Kosten einer möglichen baulichen Anpassung der jetzigen Grundschule an die erforderlichen Auflagen nimmt Fischer wie folgt Stellung: „5.000 Euro pro Quadratmeter ist der aktuelle BKI-Wert, den wir an jeder Schule ansetzen und an dem wir uns ausrichten müssen.“

„In der Schulträgerausschusssitzung am 20. Juni werde ich die Empfehlung geben, die Grundschule Oberkail an die komplette Struktur in Kyllburg einzugliedern.“


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