gepostet von Julia Borsch

"Dän aale Budik" in Pronsfeld

Region. Lesen Sie hier einen neuen Beitrag der Reihe "Eefeler Verzellcher". Eifelautor Joachim Schröder erzählt über die "aale Budik" in Pronsfeld, 1955.

Bild: Archiv. Joachim Schröder

Unsere "Tante Emma" in Pronsfeld hieß Katharina Heinz, nur "Basten Käthchen" genannt. Ihr Domizil mit Laden befand sich mitten im Dorf, an der Kreuzung Prüm, Habscheid, Lünebach. Es war eine bescheidene Wohnung im Obergeschoss, der Ladenraum umfasste kaum mehr als 25 Quadratmeter. Aber es war wie immer früher - man war genügsam und zufrieden.

Zuerst möchte ich auf ihren freundlichen Charakter und ihr mildtätiges Wesen verweisen - nicht selbstverständlich in den Nachkriegsjahren! Selbstverständlich war es bei Käthchen - einer sehr gläubigen Junggesellin - , dass es nach jedem Einkauf für uns Kinder ein Bonbon gab, man durfte wählen zwischen einem "Zückerchen", also einer süßen Kamelle, einem "Himbeerchen", einem fruchtigen "Böngchen" oder einer "Malz", das war der kleine braune Block, der es mir besonders angetan hatte.
Blieben mal zwei Pfennige übrig, wählte ich noch zusätzlich eine Kirsche, das war sogar "Kamelle plus", nämlich ein kleiner runder Lutscher. Hatte ich mal einen Groschen zuviel, entschied ich mich immer für eine Lakritzschnecke oder ein "Pfeifchen" - bestehend aus Lakritz und einer Pfeifenfüllung aus zuckrigem buntem Süßstoff. Manchmal durfte es auch ein Mohrenkopf sein. Lecker für den Kindermund! Ich war immer auf's Neue begeistert.

Nun sei noch erwähnt, dass es für mich ein leicht ausgefallener Einkaufstag war: es war der Vorabend des Kirmessonntags. Ja - ich bin ein Sonntags- und Kirmeskind. Also wurde das Kirmesgeld mal schön zurückgehalten, um tags darauf wenigstens ein paar "Knuppautofahrten" finanzieren zu können. Das selbst im Vorblick auf "Päter" und "God" , die beide immerhin ein kleines Kirmesgeld "springen ließen".
Das "Zeitbild" ist nur deshalb so authentisch lieferbar, weil ich genau den Einkaufszettel von 1955 noch in meiner Schreibwerkstatt "wie einen Augapfel" behüte - freilich vergilbt und ramponiert. Aber was heißt das schon? Dieses Mini-Dokument ist mir persönlich so wichtig wie anderen ihre Geburtsurkunde.
Da steht es also handschriftlich auf einem Fetzen der "Trierischen Landeszeitung" von mir - ganz pingelig - mit Bleistift notiert:
500 gr Mehl
250 gr Zucker
1 Packung gemahlene Haselnüsse
2 Päckchen Vanille Pudding, 2 Schoko-Pudding
Zimt
12 Heringe
0,5 Liter Öl
1 Packung Batavia (Tabak für Papp)
Streichhölzer
5 Hustenbonbons (Hustelinchen)

Den Endpreis weiß ich nicht mehr - ich schätze ihn aus heutiger Sicht auf 3,50 DM.
Apropos: Brot ist hier nicht aufgeführt. Das kam von Hambuch's Pitter, der von uns Roggen erhielt und wir im Gegenzug von ihm Brotmärkchen. Die weiteren Naturprodukte wurden natürlich selbst erzeugt - im Garten, in der Milchkammer und im Keller. Beispielhaft seien genannt: Sauerkraut im "Musdöppen", "Klatschkiss" (Quark) in der kühlen Kammer, Marmeladen und Eingemachtes in der Küche.
Frischfleisch, Wurst, Obst und Gemüse fehlten ebenso im Tante Emma Laden. Auch Kartoffeln gab es nicht. Diese Lebensmittel wurden in den Haushalten selbst hergestellt. Ebenso Getränke wie Bier, Saft, Viez oder Tee. Größere Läden führten später aber auch diese Produkte. Schließlich gab es im damals 800 Einwohner-Ort Pronsfeld sechs Kaufläden und ebenso viele Gaststätten, die teilweise auch gerauchte Würstchen, Süßes und Tabak verkauften.


Käthchens Laden beherbergte auf kleinem Raum ein unfassbar großes Angebot. Essbares wie Heringe, Essig oder Öl kamen aus dem Fass, Süßigkeiten aus den dicken Glasgläsern, Maggi aus der großen Nachfüllflasche und Mehl, Zucker, Salz, Reis und Grießmehl fanden den Weg aus einem Sack in die Tüten, die sauber auf der die Theke bestimmenden Waage abgewogen wurden. Seife, Putz- und Waschmittel lagerten in einer Stellage, ebenso Tabak, Sirup, Senf und Pudding. Praktisches für die Hauswirtschaft wie Nähnadeln und Messer befanden sich ebenso wie Klebstoff, Scheren, Ziehgummi und Briefpapier in diversen Schubladen.


Auch Kittelschürzen, Schnürsenkel und Gürtel waren zu haben. Im Nebenraum lagerten sogar Pantoffeln, Gartenstiefel und Kleinteile wie Nägel und Glühbirnen.
Viele Markennamen haben sich in diesen Kinderjahren regelrecht in mir eingebrannt: Reval, Overstolz, Eckstein, Grenzhäuser (Tabak), Pril, Rei, Omo (Waschmittel), Kathreiner (Kaffeeersatz), Penaten (Heilcreme), Brandt (Zwieback), Knorr (Fleischsuppe), Erdal (Schuhpflege), Frigeo (Brause) und viele andere.
Manchmal dachte ich als kleiner Junge, welch ein wohlhabendes Reich Käthchen zu betreuen hatte. Alles im eigenen Haus - wie reich musste sie nach meiner Meinung sein! Reich war sie gewiss nicht, vielleicht im karitativen Sinne. Sie spendete viel an soziale Einrichtungen und stiftete gar nach ihrem Ableben ihr Kaufhaus für einen guten Zweck.


Text: Joachim Schröder

 


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