Kleingärtner wollen keine Parzellen für Friedhofserweiterung abgeben
Lange und ausführlich wurde bei der jüngsten Jahreshauptversammlung des Kleingartenvereins "Am Friedhof"diskutiert, das abschließende Meinungsbild fiel dann relativ einheitlich aus: Die Mitglieder des Kleingartenvereins wollen freiwillig keine Flächen abgeben, damit der jüdischen Friedhof auf dem benachbarten Hauptfriedhof der Stadt Bad Kreutznach erweitert werden kann. "Dies richtet sich nicht gegen die jüdischen Mitbürger, sondern ist die Folge einer sorgfältigen Interessenabwägung: Wir würden unsere Gärten genauso verteidigen, wenn sich andere Religionsgemeinschaften dafür interessieren würden", so der Vereinsvorsitzender Bernd Ruden.
Zu Beginn der Sitzung hatte Ruden seine Vereinsfreunde über den Wunsch der jüdischen Kultusgemeinde informiert, sich eine größere Teilfläche im Süden des Hauptfriedhofs zu sichern, um darauf verstorbene Mitglieder der Religionsgemeinschaft mit ewigem Ruherecht bestatten zu können. Eine ursprünglich für die Diakonie reservierte Teilfläche könne theoretisch dafür genutzt werden. Der Erweiterung entgegen stehe hingegen, dass die Friedhofsverwaltung davon ausgehe, dass der Hauptfriedhof ohnehin schon kaum ausreichend werde, die zu erwartenden Bestattungen von Kreuznacher Bürgern anderer Religionen aufzunehmen. "Dies wird auch durch eine knappe Mehrheit im Stadtrat so gesehen", so Ruden. Vor diesem Hintergrund seien dann jüngst Areale der Kleingartenanlage als mögliche Erweiterungsfläche für den Friedhof ins Blickfeld gerückt. Diese liegen im Südwesten des Hauptfriedhofs zwischen Alzeyer und Mannheimer Straße. Der Vereinsvorsitzende ist sich einer Gefahr bewusst: Die Stadt könnte den Pachtvertrag für die Kleingartenanlage, die ohnehin als Friedhofserweiterungsgelände vorgesehen sei, mit sechsmonatiger Frist kündigen. Bei Vorgesprächen mit der Stadtverwaltung und der Kultusgemeinde hatte Ruden deshalb auch einen Kompromissvorschlag im Gepäck: Der Verein könne unter Umständen auf zwei der insgesamt 55 Gartengrundstücke mit je 350 Quadratmeter Fläche verzichte, um eine Erweiterung des jüdischen Friedhofs zu ermöglichen. Dieser Vorschlag scheint nun vom Tisch zu sein: "Ich denke, wir sollten die Zusage für die zwei Gärten zurücknehmen", so Ruden. "Denn die Mitglieder sind dazu offenbar nicht bereit."
Kleingärtner betonen soziale und ökologische Bedeutung der Kleingarten-Anlage
Aus Reihen der Mitglieder wurden unter anderem Argumente angeführt, welche die soziale und ökologische Bedeutung der Kleingärten als wertvolle Freizeitfläche unterstreichen: Meist würden die Gärten von Personen oder Familien betrieben, die sich kein Haus mit Garten leisten könnten, sondern in Wohnungen, oft ohne Balkon, lebten. Für sie sei der Kleingarten die einzige Möglichkeit zur Erholung im Grünen und zur Pflege sozialer Kontakte. Zudem sei die Anlage wichtig für den nachhaltigen Anbau von Gemüse und Obst und trage in Zeiten gestiegener Lebensmittelpreise zur gesunden Ernährung der Kleingärtner bei, die mindestens ein Drittel der Fläche zur umweltfreundlichen Obst, und Gemüseproduktion nutzen sollen. Auch die ökologische Bedeutung als "grüne Lunge der Stadt" sowie als Lebensraum für Insekten, Vögel, Libellen, Eidechsen und Fledermäuse sei nicht zu unterschätzen. Bei der Diskussion der Kleingärtner wurde auch hinterfragt, ob es richtig sei, einer religiösen Gruppe eine auf Ewigkeit angelegte Ruhezeit zuzugestehen, während für alle anderen Gräber maximal 25 oder 30 Jahre Liegezeit gelte. Mit Verweis auf alte jüdische Friedhöfe, die an Ortsrändern oder in der freien Natur liegen, wurde vorgeschlagen, dass die Stadt der jüdischen Kultusgemeinde auch andere Flächen für die Beisetzung mit ewigem Ruherecht anbiete sollte.
Der Vorsitzende fasste zum Ende der Versammlung das relativ einheitliche Meinungsbild so zusammen: Der Kleingartenverein "Am Friedhof" will freiwillig keine Flächen für die Erweiterung des jüdischen Friedhofs abgeben. Dies richte sich nicht gegen die jüdischen Mitbürger, sondern sei die Folge einer sorgfältigen Interessenabwägung: "Wir würden unsere Gärten genauso verteidigen, wenn sich andere Religionsgemeinschaften dafür interessieren würden." Der Wunsch der jüdischen Kultusgemeinde, wegen der Nähe zur Bad Kreuznacher Synagoge einen Teil des Hauptfriedhofs käuflich zu erwerben, sei zwar verständlich, könne aber nicht alle anderen Argumente entkräften, so das Fazit der Diskussion. Wie Ruden mitteilte, hätten die zehn anderen Kleingartenvereine in der Stadt bereits Solidarität signalisiert. Die dortigen Mitglieder würden die Interessen des Kleingartenvereins "Am Friedhof" unterstützen.