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Edith Billigmann

Die Erdgeschichte auf der Zunge

Region(edi). "Jeder Wein ist ein Kunstwerk, jeder Winzer ein Künstler", erklärt Winzer Max von Kunow im Gespräch mit dem eff-Magazin.

Zum Inhalt:

  • Teil des Ganzen und im Kreislauf der Natur
  • Interview: Woher ich komme und wer ich bin

Ein Winzer? Ja, aber Max von Kunow ist noch so viel mehr. Er ist Perfektionist und Botschafter für eine geschichtsträchtige Weinregion. Er hat es geschafft, den ausgezeichneten Ruf der Saarweine in die ganze Welt zu transportieren - mit fünf Trauben im Gault Millau, fünf roten Sternen bei Ron Wiegand (Master of Wine), viereinhalb Auszeichnungen beim Feinschmecker, vier Sternen bei Falstaff, vier Sternen bei Eichelmann und dreieinhalb bei Vinum.

Der 44-Jährige lebt seine Philosophie. Er ist ein Kind der kleinen Saargemeinde Konz-Oberemmel und kann mit seinem Weingut von Hövel auf eine lange Geschichte zurückblicken. Seit 1826 gibt es das Weingut, das unter Napoleon als einst säkularisierter Besitz von seinen Vorfahren ersteigert wurde. Diese Geschichte um den französischen Feldherrn, der die Qualität des Hövelschen Weines kennen und schätzen gelernt hatte, ist fester Bestandteil seines Lebens und das Bewusstsein dafür hat seinen Charakter geprägt. Schon früh wusste Max von Kunow, dass er einmal die Nachfolge seines Vaters antreten würde. "Eine Verpflichtung von innen heraus", nennt er das tiefe Gefühl, das er für den Beruf, das Handwerk und den Familienbetrieb empfindet.

 

Teil des Ganzen und im Kreislauf der Natur

In siebter Generation leitet Max von Kunow das Weingut, das für traditionell hergestellte, klassische sowie authentische Weine der Region mit Herkunftscharakter steht. Wenn der Winzer aus Oberemmel von einem geschlossenen Ökosystem und dem Keislauf der Natur spricht, meint er dabei auch immer sich selbst als Teil des Ganzen. Die Verwobenheit der Rebenwurzeln unter der Erde, das kleine Universum im großen Ganzen spiegelt das wider, was für ihn Sinn und Zweck im Leben ist: Gutes bewirken in der Gemeinschaft, basierend auf dem Bewusstsein von Geschichte - der eigenen, die ihn reflektieren lässt: "Woher ich komme und wer ich bin."

2011 hat der Winzer mit 10,5 ha begonnen, heute bewirtschaftet er insgesamt 22 ha Weinberge, darunter einige Steil- und Steilstlagen. Zu den wichtigsten Lagen gehören neben dem weltberühmten Scharzhofberger auch die Oberemmeler Hütte, die sich im Alleinbesitz des Weingutes befindet, sowie die herausragende Monopollage "Hörecker", ein "Filetstückchen" im Kanzemer Altenberg. "Ich bin stolz darauf, mit diesem Betrieb der Spitzenklasse international erfolgreich zu sein", sagt der Winzer, der sich auch gerne in seiner Freizeit im Beruf verliert.

Die Zahlen sprechen für sich: Von acht verschiedenen Ländern, in die die Weine bei der Übernahme exportiert wurden, hat er es - Stand jetzt - auf 48 Länder geschafft. Wie das geht? "Durch Arbeit, Arbeit, Arbeit", antwortet der mittlerweile zweifache Familienvater und fügt hinzu: "Ich war damals Junggeselle und hatte Zeit. Und ich hatte großartige Mentoren wie Léa Linster und Egon Müller, die mich gefördert haben." Die nachhaltige Bewirtschaftung der Weinberge erfolgt nach den strengen Richtlinien des Verbands "Fair & Green". "Wir verzichten auf Herbizide, Mineraldünger und Pestizide", erklärt er hierbei und gibt weiter tiefe Einblicke in das Leben eines seiner ökologischen Verantwortung bewussten Winzers.

 

Woher ich komme und wer ich bin

Gespräch mit einem "Weinverrückten" über die tiefe Verwurzelung nicht nur der Reben

 

Herr von Kunow, die Einzigartigkeit Ihrer Weine erklären Sie mit der Besonderheit der Bodenbeschaffenheit. Was genau meinen Sie damit?

In der Weinbauregion Saar ist am Rande des Hunsrücks in Oberemmel über 290 Millionen Jahre eine ganz besondere, sehr mineralhaltige Bodenstruktur entstanden. Die darin enthaltenen Mikroorganismen sorgen dafür, dass die tief verwurzelte Rebe die Nährstoffe des Bodens gut aufnehmen kann. Und das kann man schmecken: Unsere Weine sind erdig, mineralisch, fruchtig. Da liegt beim Trinken die ganze Erdgeschichte auf der Zunge.

 

Welche Rolle spielt das Klima?

Eine große, denn nur aus dem Zusammenspiel von Devonschiefer mit Quarzitadern, dem einzigartigen Bodenmikroklima und der Nachttemperatur entsteht der unverwechselbare Charakter der Saarweine. Die kühle Nachttemperatur in den letzten Wochen vor der Reife lässt es zu, dass sich die Trauben von Lage zu Lage mit einer natürlichen, spezifischen Fruchtaromatik entwickeln. Zum besseren Verständnis: Je kühler es ist, desto besser halten sich die für die Aromatik verantwortlichen Flavonoide in einer Frucht.

 

Inwieweit macht sich der Klimawandel heute schon bemerkbar?

Noch sind wir in der Lage, sehr typische und individuelle Rieslinge mit geringem Alkoholgehalt und einer animierenden Säure in die Flasche zu bringen. Allerdings ist die Klimaveränderung der letzten Jahrzehnte für uns Winzer spürbar. Es ist paradox: Die Niederschläge sind zwar sehr hoch, aber konzentrierter, sodass wir übers Jahr gesehen weniger Regentage haben. Wenn man die letzten 30 Jahre Revue passieren lässt, merkt man, dass es generell wärmer wird. Auch die kühlen Momente im Herbst kommen früher. Wenn wir aber die Weinberge von der Bodenbewirtschaftung her auf die kommende Klimaveränderung anpassen, können wir auch noch in 30 Jahren unsere typischen Weine produzieren.

 

Sie setzen auf nachhaltigen Weinbau. Ein Allheilmittel?

Es ist auf jeden Fall ein Mittel, um die bestmögliche Traubenqualität zu erzielen. Wir verzichten komplett auf Insektizide und Herbizide und setzen Pestizide nur nach Bedarf ein. Denn jeder Einsatz von Pflanzenschutzmitteln beeinflusst die natürliche Reife der Trauben und geht mit Qualitätsverlust einher. Unser Ziel ist es, den Weinberg in ein ökologisches System zu intergrieren. Reben sind dadurch widerstandsfähiger gegen Pilzkrankheiten und die Biodiversität wirkt sich positiv auf die Traubenqualität aus. Zudem reguliert sich der Ertrag am Rebstock besser. Weinreben sind die ältesten Kulturpflanzen der Welt mit einer symbiotischen Verbindung zu den Wurzeln der Bäume. Mit ihnen korrespondieren sie und bauen ein Wurzelgeflecht auf, das sie widerstandsfähig gegen Schädlinge und Krankheiten macht. In dieser natürlichen Umgebung mit Sträuchern, Bäumen und Büschen dürfen sich unsere Reben ihr eigenes unterirdisches Reich mit dieser besonderen Mikrobenstruktur schaffen. Wie wir sehen, ist alles mit allem verbunden. Das Feinwurzelwerk lockert den Boden auf und verwandelt ihn in Nährhumus. Die Weine nehmen den Geschmack des Bodens mit den darin enthaltenen Mineralstoffen viel besser auf. So entsteht die unvergleichliche Intensität der Herkunft. 80 Prozent der Qualität eines Weines kommt aus dem Weinberg.

 

Doch es gehört ja noch viel mehr dazu...

Das stimmt. Man arbeitet immer mit der Natur, muss viel beobachten und ein Gefühl dafür entwickeln, wann der richtige Zeitpunkt zur Lese gekommen ist. Wie der Wein letztendlich verarbeitet wird, hängt von der jeweiligen Kellerphilosophie eines Weingutes ab. Präzises und sauberes Arbeiten vorausgesetzt, führen viele Wege zu einem guten Wein. Unser Weingut legt Wert auf eine schonende Pressung und Spontangärung.

 

Heißt was genau...?

Wer mit Spontangärung arbeitet, muss viel Zeit und Geduld mitbringen und den richtigen Moment abpassen. Wenn die Moste im Keller von selbst zu gären beginnen und es beim Testen nach Mandarine und Orangenschalen schmeckt, weiß man, dass es Hefen aus dem Weinberg sind. Aber auch kellereigene Hefe kommt durch die Luft an die Weine heran. Für die typischen Saarweine - die feinfruchtigen Kabinettweine, Auslesen und Spätlesen - gilt es, das richtige Verhältnis von Zucker und Alkohol zu finden, um die Gärung dann zu unterbrechen. Die trockenen Weine hingegen müssen durchgären. Viel Ruhe ist das Zauberwort, das unsere von-Hövel-Weine umgibt, die durchaus bis zu 50, 60 Jahre reifen.

 

Was unterscheidet Ihre Weine von einem Industrieprodukt?

Jeder Wein ist ein Kunstwerk für sich. Jeder Winzer ist Landwirt, Verkäufer, Handwerker, Betriebswirt, zugleich Philosoph und Künstler. Seine individuelle Handschrift findet sich im Wein wieder. Die besondere Herausforderung ist, den Herkunftsunterschied für jeden schmeckbar zu machen. Es gibt viele Wege, einen guten Wein zu machen, und es gibt viele Einzelkünstler im deutschen Weinbau. Das unterscheidet unsere Weine vom Industrieprodukt.

 

Wenn Sie nicht Winzer geworden wären, wären Sie jetzt...

...Koch. Ich habe schon als Kind das Praktische und das Zusammenspiel mit der Natur geliebt. Deshalb ist mir die Freundschaft zur Sterneköchin Léa Linster auch so wichtig. Sie hat mir eine andere Welt des Kochens gezeigt. Ich habe sie als Weinbauberater in Luxemburg kennengelernt. Daraus hat sich eine tiefe Freundschaft entwickelt. Wir produzieren jetzt gemeinsam einen Crémant und einen Riesling.

 

Sie zeigen mit Ihrem Unternehmen auch soziales Engagement.

Seit 2008 bin ich bei der Konzer-Doktor-Bürgerstiftung aktiv, bei der es darum geht, Bürger und Unternehmen dazu zu animieren, mehr Eigeninitiative für ein besseres Zusammenleben in der Nachbarschaft, der Stadt und der Region zu ergreifen. Eine Gesellschaft lebt von der Mitverantwortung, das Gemeinwesen miteinander zu gestalten. Insbesondere junge Menschen bedürfen unserer Hilfe bei der Integration oder auch Bewältigung der Einsamkeit, bei der Förderung von Bildung und sozialen Kompetenzen. Respekt und gegenseitige Achtung sind Werte, die wir vermitteln wollen. Und, ganz wichtig in der heutigen Zeit, es geht auch um das Verständnis und die Akzeptanz des freiheitlichen Rechtsstaats und das Bewusstsein für politische Verantwortung.

 

Wie leben Sie diese Werte als Unternehmer?

Als Verantwortlicher eines Betriebs, der weltweit vernetzt ist und ein Rädchen im globalen Getriebe bildet, muss man die freiheitlich-demokratischen Werte verteidigen. Vernünftige, liberal denkende Menschen in der Welt müssen zusammenhalten, sich austauschen und unterstützen. Das machen wir in vielfältigen Projekten. Wir beispielsweise pflegen im Rahmen der Initiative "Twin Wineries" eine Partnerschaft mit einem Weingut in Israel. Wir haben aber auch bereits mit einem Muslim koschere Weine poduziert. Ich bin der Meinung: Jeder kann und sollte aufstehen und sich klar positionieren. Die Gefahr unserer Zukunft ist das Radikale.

 

Die 2022-er Kollektion

Max von Kunow, Gewinner des Wine Awards "Newcomer des Jahres 2016", hat vom Falstaff Magazin für seine 2022er Weinkollektion eine besondere Auszeichnung erhalten. Trotz der Wärme des Jahrgangs zeigen die Weine herausragende Frische und Präzision. Der Fortschritt der Weine aus den neuen Lagen ist auch eine Bestätigung für die nahe am Bio-Weinbau entlang gehenden Arbeitsweisen. www.weingut-vonhoevel.de  


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