Es war einmal? "Balance von Form und Raum" (Willi Hahn)
Willi Hahn wurde am 7. Februar 1920 in Saarbrücken geboren, sein Vater war Eisenbahner, seine Mutter Hausfrau im besten Sinne. Als ältester von fünf Kindern sollte er Theologie studieren und wurde hierfür von 1930 bis 1934 zu den Salesianern ins Sauerland geschickt. Nicht Hahns erste Wahl: "Er konnte sich doch nur schwer den weiblichen Versuchungen entziehen", erinnert sich seine Schwiegertochter. Schnell fiel im Kunstunterricht sein Talent auf, dabei vor allem seine Geschicklichkeit, Figuren aus Lehm und Plastillin zu formen. Auf Anraten des geistlichen Studienkollegs, das den Eltern die Förderung eines handwerklichen Berufes nahelegte, kehrte Willi Hahn ins Elternhaus zurück und begann eine Lehre als Maler und Anstreicher. Gleichzeitig mit der Versetzung seines Vaters nach Konz im Jahre 1936 musste Willi Hahn diese jedoch abbrechen, da er sich zwischenzeitlich eine Bleivergiftung zugezogen hatte. Ausbildung zum Bildhauer Seine Eltern, die sein Talent zu fördern bereit waren, schickten ihn zur "Meisterschule des Deutschen Handwerks", die sich am Trierer Paulusplatz befand. Hahn beendete diese 1939 als Steinbildhauer mit Auszeichnung. Schon während dieser Ausbildung kam er intensiv mit historischer Bausubstanz in Berührung. So hatte er zusammen mit anderen Schülern Gelegenheit, an alten Steinen, die im Zuge der Entkernung und Rekonstruktion des Simeonstifts anfielen, zu üben, gewann dabei Anschauungsmaterial sowie Erfahrung in der Bearbeitung verschiedener Werkstoffe. In seiner Arbeit zur Rekonstruktion antiker Bausubstanz, maßgeblich beeinflusst durch den Trierer Denkmalpfleger Friedrich Kurtzbach, löste er sich langsam von den Zwängen schulischer Lehre, er entwickelte sein eigenes Gespür für Materialien und Formen. Darüber hinaus erhielt er Unterricht in Statik und Architektur. Kriegseinsatz Sofort nach dem Ende seiner Ausbildung wird Willi Hahn 1939 zum Kriegsdienst eingezogen. Nach Einsätzen in Frankreich mit Aufenthalten in Paris kämpfte er sich nach Beginn des Russlandfeldzuges 1941 über Polen und das Baltikum bis nach Smolensk vor. Während der Offensive entstanden zahlreiche Zeichnungen russischer Landschaften und ihren Menschen, werden Rückseiten von Meldeblöcken stille Zeugen seines unermüdlichen Künstlerherzens. Schlecht ausgerüstet, in Schnee- und Erdlöchern ausharrend erfährt Hahn die volle Härte des Krieges. Insbesondere auch, da zu dieser Zeit sein jüngerer Bruder fällt. Am 2. Mai 1942 wird Hahn überdies schwer verwundet und nach Wien verlegt. Schließlich gelangt er nach Luxemburg in eine Genesungskompanie, wo er im Sommer 1942 seine spätere Ehefrau kennenlernt. Dem Wachbataillon Trier zugeteilt kehrt er Anfang 1943 nach Paris zurück, wo er sich unter anderem dem Studium mittelalterlicher Architektur und dekorativer Kunst widmen konnte. Unterdessen war die Wehrmacht sowohl im Westen als auch im Osten in der Defensive. Nicht zuletzt unter diesen Eindrücken wurde Hahn im April 1945 erneut für den Kriegseinsatz reaktiviert. Bereits wenige Wochen später ergab sich seine Truppe bei Großgerau: Mit der französischen Kriegsgefangenschaft begann auch die Nachkriegszeit. Neuanfang und erste Projekte in Trier Nach seiner Entlassung 1946 findet Willi Hahn zunächst in Neumagen eine Anstellung als Knecht. Seiner bildhauerischen Leidenschaft nachzugehen, daran war kaum zu denken. "Es kam wohl niemand auf die Idee, sich von einem Künstler in dieser Zeit etwas anfertigen zu lassen", erinnert sich seine Schwiegertochter. Doch der Zufall wollte es, dass der Trierer Baurat Heinrich Otto Vogel, der damals mit der Konservierung kriegsbeschädigter Bausubstanz betraut war und Willi Hahn aus Studienzeiten kannte, zur gleichen Zeit in Dhron einen Auftrag ausführte. So kam es zum ersten künstlerischen Engagement Hahns in der Nachkriegszeit, als er mit Schnitzarbeiten für Türen der St. Gangolf Kirche beauftragt wird. 1947 folgt ein neuer, weitaus größerer Auftrag. Zusammen mit anderen Steinmetzen war er maßgeblich am Wiederaufbau des Kreuzganges der Benediktinerabtei St. Matthias beteiligt. Dabei arbeitete und lebte er zeitweise in unmittelbarer Nähe zur Baustelle. Hier fand er insbesondere im Benediktinermönch Pater Maurus einen guten Gesprächspartner. Mit ihm zusammen entstand die "erzählende" Konzeption der steinernen Kreuzgangkapitelle. "Ich bin kein plastischer Künstler, mit hoher Kunst hatte ich nie etwas im Sinn. Es geht mir um die Harmonie der Verhältnisse", kommentierte Hahn die Idee. Er habe stets versucht, die "Idee des Ortes" in seine Kunst mit einzubeziehen. Willi Hahn etabliert sich Inzwischen hatte sich der eigenwillige Bildhauer einen Namen gemacht. Nach dem Umzug auf den Grüneberg, wo er bis zuletzt ohne fließendes Wasser, jedoch sonst dem Fortschritt zugewandt lebte, folgten eine Fülle regionaler und überregionaler Aufträge. So beispielsweise in der Pfarrkirche St. Marien in Neunkirchen (1954), in der Pfarrkirche St. Joseph in Luxembourg-Limpertsberg (1976) sowie eine Bauplastik in der Evangelischen Schloßkirche in Bad Dürkheim (1981) und der Konzer-Doktor-Brunnen (1983). Das bekannteste Werk Willi Hahns in Trier ist der 1977 vollendete Heuschreckbrunnen am Eingang beziehungsweise Ausgang der Fleischstraße/Richtung Karl-Marx-Haus. Hahn hielt darin die Trierer Originale Fischers Maathes, das "Wichshänschen", Krons Ton sowie Koorscht und Kneisjen fest. Er selbst verewigte sich am Sockel. Zwischen 1982 und 1993 entstehen zudem unzählige Kleinplastiken, in denen sich die künstlerische Entwicklung Willi Hahns im wahrsten Sinne des Wortes greifen lässt. Er selbst sagt dazu: "Die Plastik soll durchlässig werden für ihre Umgebung, ein Wechselspiel soll entstehen für innen und außen; es soll eine Balance sein von Form und Raum, das ist das Grundprinzip meiner Steinmetzkunst." Die Persönlichkeit So einzigartig wie seine Arbeit, so unverkennbar war auch die Persönlichkeit. Baskenmütze und Kinnbart waren optische Merkmale. Er galt als "feinfühlig und hochintelligent". Auf materiellen Besitz war er nicht aus, Honorare für geleistete Arbeit gestaltete er eher flexibel. So konnte es vorkommen, dass er die Beträge entprechend der Zahlungsfähigkeit seines Auftraggebers gestaltete und die Entlohnung nicht unbedingt von der Komplexität seiner Aufgabe abhängig machte. Einen augenzwinkernden Blick hatte er indes auf die Kirche. So ließ er es sich nicht nehmen, hier und dort einen Widerstreit zwischen Engelchen und Teufelchen stattfinden zu lassen. So zum Beispiel zu sehen am Altar in der Kapelle des Klinikums Mutterhaus. Der Sinn? "In jede Kirche gehört ein Teufel, vielleicht gelegentlich im Widerstreit mit Engeln, denn von einem Teufel steckt in jedem etwas, vor allem, wenn man das Evangelium nicht hören will, obwohl man es doch so nötig braucht. Der Mensch kann durch seinen bewussten Einsatz von teuflischen Mitteln die Welt zerstören, aber auch durch seine teuflische Nachlässigkeit." Anlässlich seines 75. Geburtstag fand 1995 in der Abei St. Matthias eine Ausstellung statt. Noch im selben Jahr starb Willi Hahn am 18. September nach schwerer Krankheit in Trier. Fotos: Privat/Neumann/Finkenberg