Ungeheuer direkt

... wie jene Oma, die in der Nachkriegszeit "auf dem" ("omm") Hellenthaler Standesamt ihren unehelichen Enkel anmeldet, dessen Vater nach der Zeugung unbekannt verduftet ist: "Oss Dröck: 15mohl op de Kirmes - nüühs. Oss Änn: Eemohl Katholikendaach - Dä!"

Platt bzw. "Huhdütsch mött Knubbele" kann aber auch ziemlich umständlich sein, zum Beispiel durch die permanente Voranstellung des Universal-Hilfsverbs "Tun" ("Dohn"). Ich dohn "Manni kallt Platt" schrieve, dohn et anschließend lößse, dohn alles wedde dörchstriche unn dohn wedde va führ aanfange…

Diese Umstandskrämerei setzt sich fort, wenn der Rheinländer "Hochdeutsch sprechen tut". Eine andere Unsitte ist das "am-men", das anzeigt, dass eine Tätigkeit noch andauert. Ich bin am schreiben, am lesen, am durchstreichen, am wieder von vorne anfangen… Fehlt nur noch eine Kombination aus beiden "Warteschleifen": "Stör misch nisch, ich bin am essen tun".

Oder: "Lomischnrouh, in senn jraad am Kreuzwoorträtsel löse dohn!" Ganz zu schweigen davon, wenn einer "am machen tun ist". Oder, O-Ton aus der Dürener Fußgängerzone: "Jackeline, weiß Du, watte biss? Du biss die Schuh am verlieren tun." Der ripuarische Dialekt ist ein Wunderwerk der Poesie, aber verkannt, verleugnet und verschmäht als Sprache eines ungebildeten Flussanrainer- und Bergvolks, die man Kindern besser nicht beibringt, auf dass sie "ördentlich Huhdütsch liere".

Was nicht stimmt: "Pänz" wachsen problemlos mit mehreren Sprachen auf, wenn beispielsweise die Mutter Französin ist, der Vater Deutsch spricht und die Familie in Finnland lebt. Selbst Only-One-Language-Native-Speaker wie ich sind nicht verloren. Als ich in die Volksschule eingeschult wurde, lehnte man ab, weil ich zu der Zeit nur Platt konnte.

Was nicht verhindert hat, dass ich später meine Brötchen mit Hochdeutsch verdiente. Mein früherer Chef Wolfgang Rau sagte stets: "Datt Schwazze senn de Buchstabe!" Und ich begriff: Man muss sie nur in die richtige Reihenfolge bringen…