Michael Nielen

Ueze und Üzer

"Sellevs eiße mäht satt": Wer allzu freigiebig sein tägliches Brot verteilt, dem knurrt am Ende selbst der Magen.

Manni kallt über Ueze und Üzer.

Manni kallt über Ueze und Üzer.

Bild: Michael Nielen

Andererseits speisen Jesus und seine Freundinnen und Freunde 5000 Menschen mit fünf Broten und zwei Fischen. Ein Wunder geschieht: Wenn man teilt, ist es am Ende mehr. Gefühlt jedenfalls. Zwölf Körbe (rheinisch "Mangde", Einzahl "Mangk") Krumen soll man nachher eingesammelt haben. Das wären in unserer Mundart "Ueze", Essensreste.

"Maach bloß kenn Ueze" hieß es schon als Kind: Schön den Teller leer essen. Dann jitt et joot Wödde und Regen bleibt aus. "Aber woher in aller Welt kommt das komische Wort für Rest?", fragte mich beim Sommerfest des Barbarahofes Mechernich Jörg Hamacher, ein alter Zeltlagergenosse.

Vielleicht hat es was mit "Unze" zu tun, der Gewichtseinheit von Gold. Das Wort kommt aus dem Lateinischen ("Uncia" = ein Zwölftel, ursprünglich einer römischen Libra). Die Unze entspricht etwa 31 Gramm, ein ganz schöner Brocken für en "Uez".

In der Nähe von Koblenz sagt man "urze" oder "orze" im Sinne von "Essensreste hinterlassen", ebenso im rheinischen, moselfränkischen und hessisch-pfälzischen Gebiet. Die Gesellschaft für deutsche Sprache e.?V. in Wiesbaden schreibt: "Das Deutsche Wörterbuch verzeichnet neben dem Verb "uraßen" bzw. "uräßen" das Substantiv "Uraß" als "verschmähte Überbleibsel von Speise und Futter"…" Es handele sich um ein Mundartwort, das hauptsächlich außerhalb der Schriftsprache in verschiedenen Varianten auftritt: "urz", "uirz", "urze", "orz".

Der jüngst verstorbene Eifeldichter Fritz Koenn schreibt in seinem Standardwerk "Von Abelong boss Zau Dich Jong", dass nicht nur der Essenrest "Uez" genannt wird, sondern auch das letztgeborene Kind, gerne in der Verniedlichungsform "Üezelche".

Nicht zu verwechseln ist die Uez mit dem Uz (Spott) und dem Verb "uzen" für necken, foppen; seinen Scherz treiben. Einen Spötter nennt man in der Eifel "Üzer". Die Einwohner von Bleibuir (Stadt Mechernich) bezeichnete Pfarrer Peter Oebecke in seiner 1922 gedruckten Chronik in ihrer Gesamtheit "Üzer".


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