Claudia Neumann

Immer mehr Frauen unter den obdach- und wohnungslosen Menschen

Trier/Region. Schockierende Zahlen: Wohnungslosigkeit in Deutschland auf Rekordhoch / Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) sensibilisiert haupt- und ehrenamtliche Mitarbeitende für den Umgang mit Betroffenen

Gemeinsam mit haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden das Bewusstsein für weibliche Obdach- und Wohnungslosigkeit schärfen, war das Ziel der zweitätigen Diözesantagung des SkF.

Gemeinsam mit haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden das Bewusstsein für weibliche Obdach- und Wohnungslosigkeit schärfen, war das Ziel der zweitätigen Diözesantagung des SkF.

Bild: DiCV Trier / Kristina Kattler

Laut Schätzungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe waren 2022 rund 607.000 Menschen in Deutschland ohne festen Wohnsitz, davon etwa 50.000 Menschen, die tatsächlich auf der Straße lebten. Besonders alarmierend: Frauen machen etwa ein Drittel dieser wohnungslosen Bevölkerung aus – ein trauriger Rekord, der auch auf den steigenden Anteil wohnungsloser Kinder hinweist.

Wohnungslose Frauen: Gewalt und psychische Belastungen als Risikofaktoren

Bei der zweitägigen Diözesantagung des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) in Trier beschäftigten sich etwa 60 Haupt- und Ehrenamtliche mit den spezifischen Ursachen der Wohnungslosigkeit bei Frauen. Im Gegensatz zu Männern, bei denen oft Suchtprobleme als Hauptfaktor auftreten, sind es bei Frauen häufiger Gewalterfahrungen und psychische Erkrankungen, die sie in die Wohnungslosigkeit treiben, wie Birte Steinlechner, Referentin beim SkF Landesverband Bayern, in ihrem Vortrag betonte. Weitere Risikofaktoren seien das Herausfallen aus sozialen Systemen, wie der Jugendhilfe oder aus familiären Zusammenhängen, wodurch oft ganze Familien ohne festen Wohnsitz dastehen. „Wohnungslosigkeit ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen“, so Steinlechner, die hinzufügt, dass der Mangel an bezahlbarem Wohnraum zunehmend auch Doppelverdiener-Familien trifft.

Frauen in Wohnungslosigkeit: Unsichtbar und gefangen in Scham

Wohnungslose Frauen sind trotz steigender Zahlen oft unsichtbar. Aus Scham und Angst vor Stigmatisierung ziehen sie sich zurück und suchen Obdach bei Freunden oder in Zweckbeziehungen – eine vermeintliche Lösung, die oft neue Abhängigkeiten und Risiken birgt. Hinzu kommt, dass Beratungseinrichtungen auf dem Land rar sind und wohnungslose Frauen oft von wichtigen Hilfsangeboten abgeschnitten bleiben. Steinlechner fordert daher flächendeckende Präventionsangebote und spezialisierte Wohnraumhilfen, die auf Frauen und Familien zugeschnitten sind. Aktuelle Angebote richten sich häufig primär an alleinstehende Männer und beinhalten oft eine gemeinsame Unterbringung, die für Frauen weitere Belastungen und Gefahren mit sich bringt.

Neue Perspektiven schaffen: Einblicke in die Lebenswelt wohnungsloser Frauen

Um die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Tagung für die Lebenswelt wohnungsloser Frauen zu sensibilisieren, setzten die Veranstalter auf kreative Zugänge: Kunst, Lesungen, Filme und Workshops sollten helfen, das Thema greifbar zu machen. In einem Workshop zum Thema Sucht, geleitet von Andrea Ehses vom DiCV Trier, wurden die Teilnehmenden für den oft schleichenden Prozess von Konsum zu Sucht sensibilisiert und für die sozialen Auswirkungen von Alkoholismus sensibilisiert. Ein weiterer Workshop unter Leitung von Kathleen Schade vom SkF Trier beschäftigte sich mit dem Thema psychische Erkrankungen – eine häufige Ursache für weibliche Wohnungslosigkeit, die in der Sozialarbeit besondere Sensibilität erfordert.

Gewalt als häufiges Risiko: Prävention und Traumaambulanzen dringend gefordert

Gewalt spielt ebenfalls eine tragende Rolle in der Lebensrealität wohnungsloser Frauen. Regina Bies vom SkF Koblenz verdeutlichte in einem Workshop, dass etwa jede dritte Frau in Deutschland Gewalt in Beziehungen erlebt hat und Kinder oft mit betroffen sind. Bies fordert mehr Traumaambulanzen und gezielte Interventionsangebote, um Betroffenen die dringend notwendige Hilfe zu bieten.

Menschlichkeit als Basis: Umgang mit wohnungslosen Menschen

Ein Workshop von Verena Buhl, Mitglied des Kältebusteams Trier, vermittelte einen empathischen Ansatz im Umgang mit wohnungslosen Menschen. Sie betonte, dass diese Menschen als Teil der Gesellschaft mit Respekt und ohne Vorurteile behandelt werden sollten. Das Ziel: Berührungsängste abbauen und ein respektvolles Miteinander fördern.

SkF fordert öffentliche Debatte zu weiblicher Wohnungslosigkeit

Die Diözesanreferentin des SkF, Melanie Sachtleben, brachte das Anliegen der Tagung auf den Punkt: „Es ist ein Skandal, dass trotz steigender Zahl wohnungsloser Frauen kaum eine öffentliche Debatte stattfindet. Unsere Mitarbeitenden weiterzubilden und für das Thema weibliche Wohnungslosigkeit zu sensibilisieren ist wichtig, doch ein gesellschaftlicher Diskurs ist dringend notwendig.“


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