Druck, Stress, Mobbing. Jeder fünfte Bundesbürger erkrankt ein Mal im Leben an einer Depression. Zehntausende Arbeitnehmer leiden unter dem Job so stark, dass sie ausscheiden müssen. Immer mehr Menschen sind arbeitsunfähig wegen psychischer Krankheiten. Die Geschichte einer Misere.
Fast 40 Jahre lang hat Johanna Siebert (Name von der Redaktion geändert) als kaufmännische Angestellte - viele Jahre davon in leitender Funktion - bei einer renommierten Baufirma gearbeitet. Urlaub machte sie nur, wenn es in die Projektplanung ihres Arbeitgebers passte. Krank war sie so gut wie nie. Alles lief gut, solange Johanna ihr gesamtes Leben auf den Job ausrichtete.
Geht nicht, gibt es nicht
"Ich arbeitete ständig am Limit, weil ich auch nie nein gesagt habe, wenn mein Chef schon wieder mit einem Stapel Arbeit ankam", erinnert sich die heute 58-Jährige aus einer kleinen Gemeinde im Raum Trier. Oftmals nahm sie auch noch Arbeit mit nach Hause. Als die Kinder noch klein waren, so Johanna, sei sie sehr oft an ihre Grenzen gestoßen - körperlich und mental. Haushalt, Kinder und Job waren nur schwer unter einen Hut zu bringen. Der Chef merkte jedoch von alledem nichts.
Kolleginnen-Mobbing
Alles änderte sich, als zwei neue Kolleginnen in Johannas Abteilung kamen. Die beiden jungen Frauen wollten Karriere machen, schmeichelten sich beim Chef ein. Dem gefiel die Aufmerksamkeit. Immer öfter übertrug er Johannas Kompetenzen an sie. "Er wusste genau, wie er mich am besten unter Druck setzen konnte", erzählt die Mutter von zwei erwachsenen Kindern. Schließlich wurde sie von den beiden gemobbt. Unterlagen verschwanden wie von Geisterhand, es wurde getuschelt, wenn Johanna den Raum betrat. Mit Johannas Gesundheit ging es rapide bergab. Die Dauerbelastung hatte Spuren hinterlassen, sie konnte nicht schlafen und war so tags darauf müde. Aber sie wollte sich nichts anmerken lassen.
Wenn der Druck zu groß wird
Eines Tages sei der Leidensdruck aber so groß gewesen, dass sie ist nicht mehr zur Arbeit gegangen ist: "Ich bin dann einfach liegen geblieben und habe mir die Decke über den Kopf gezogen«, sagt Johanna. Was ihr Arbeitgeber davon hält, war ihr einfach völlig egal. Zwei Tage lang habe sie im Bett verbracht und einfach nur geweint. So fand sie dann auch ihre Tochter, die sie in eine Klinik brachte. Diagnose: Schwere Depression.
Unterschätzte Volkskrankheit
Nichts ging mehr: Was Johanna erlebt hat, kennen Millionen Deutsche. Für die Bundesrepublik schätzt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Zahl der Menschen mit Depressionen auf 4,1 Millionen – 5,2 Prozent der Bevölkerung. 4,6 Millionen Menschen leben mit Angststörungen. Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe spricht von einer Volkskrankheit. Depressionen gehören zu den häufigsten und mit Blick auf die Schwere am meisten unterschätzten Erkrankungen. Sie sind mit Abstand die häufigste Suizidursache in Deutschland. Viele Menschen mit Depressionen geben sich selbst die Schuld an ihrem Zustand und sind zu erschöpft und hoffnungslos, um sich Hilfe zu holen. Dabei sind Depressionen behandelbar. Die WHO rückt die Krankheit deshalb ins Zentrum des Weltgesundheitstages 2017.
Weltgesundheitstag am 7. April zum Thema Depression
Am Gründungsdatums der Weltgesundheitsorganisation findet jährlich am 7. April der Weltgesundheitstag statt. Das Thema für 2017 lautet "Depression – Let’s talk". Die Öffentlichkeit soll zum einen besser über die Erkrankung, ihre Ursachen und Konsequenzen, einschließlich des Suizidrisikos, informiert werden und zum anderen über Möglichkeiten der Prävention und Behandlung. Die Kommunikation über Depressionen spielt dabei eine entscheidende Rolle, sowohl in der Vorbeugung und Therapie als auch im Abbau gesellschaftlicher Vorurteile und Stigmatisierungen.
FIS/CN