Tattoo trifft Tonstudio: Oliver Lonien veröffentlicht Album
Die meisten Menschen kennen dich als Tätowierer. Dabei warst du bereits Anfang der 90er-Jahre als Drummer in einer der ältesten deutschen Punkbands, "The Idiots" aus Dortmund, aktiv. Das stimmt. Musik habe ich schon gemacht, bevor ich mit dem Tätowieren anfing. Die Wenigsten aber wissen, dass ich eigentlich aus der Punkszene komme. Das mit dem Tätowieren hat auch erst in Dortmund so richtig begonnen, wo ich ein paar Jahre lebte. Damals experimentierten wir in einem besetzten Haus mit selbst gebauten Maschinen. So habe ich mir das quasi autodidaktisch angeeignet. Mit der Fernsehserie "Tattoo - eine Familie sticht zu", die ab 2006 auf DMAX ausgestrahlt wurde, bist du bundesweit bekannt geworden. Wie kam es eigentlich dazu? Ich lebte damals für einige Jahre in Spanien, hatte aber immer noch meinen Laden in Trier, als die Anfrage der Produktionsfirma kam. Offenbar war man durch einige kleinere Fernsehauftritte, die ich vorher zum Beispiel bei ProSieben hatte, auf mich aufmerksam geworden. Ich überlegte lange, ob ich das machen soll oder nicht. Man versprach mir damals "Tonnen von Autos, Mädchen und Geld" (lacht). Schließlich sagte ich mir: Okay, es ist Werbung, und wenn es Mist wird, dann gehe ich eben wieder nach Spanien. Es wurde aber super - die Leute rannten mir die Bude ein, sodass ich nicht mehr wegkonnte. Und wann hast du angefangen, Musik zu machen? Ungefähr mit 16. Wir hingen als Jugendliche immer mit den Punks auf dem Trierer Hauptmarkt herum, von denen es damals jede Menge gab. Oft standen wir vor dem Musikgeschäft und schauten uns die Instrumente im Schaufenster an. Manchmal gingen wir auch hinein und spielten so lange, bis man uns hinauswarf. Ein Kumpel hatte dann die Idee, eine Band zu gründen und auf Tour zu gehen. Der hatte das schon ganz genau im Kopf. Ich nahm die Sache ernst und machte das später wirklich, während er irgendwann aufgab. Eines Tages kam dann die Chance, nach Dortmund zu gehen, weil dort ein Schlagzeuger gesucht wurde. Hattest du jemals Schlagzeugunterricht? Nein, auch das habe ich mir selbst beigebracht. Für Unterricht hatte ich kein Geld. Außerdem wurde ich mit Anfang 20 von einer Art Amokläufer - einem überzeugten Christen, der in uns Punks so etwas wie den Teufel sah - schwer verletzt. Dafür bekam ich dann 1.000 Mark Schmerzensgeld, die ich in ein Schlagzeug investierte. Einer regelmäßigen Beschäftigung bist du also nicht nachgegangen? Nein. Ich hatte eine Ausbildung als Teilezurichter absolviert, aber keinen Bock mehr darauf. Wir teilten uns damals einen Proberaum im Keller des Exhauses mit einer anderen, etwas älteren Punkband. Anfangs kloppten wir einfach auf Mülltonnen herum und nahmen das auf. Das fanden die cool und verschafften uns einen Auftritt, obwohl wir nichts konnten. So begannen wir ernsthaft zu proben. Das war eine richtige Undergroundszene damals. Dein aktuelles musikalisches Projekt nennt sich "Hiob AD". Welche Parallelen siehst du zwischen dir und der biblischen Figur des Hiob? Für mich ist Hiob jemand, der sich von seinem Glauben, seinen Überzeugungen nicht abbringen lässt. Nach der biblischen Geschichte hat Gott den Teufel beauftragt, Hiob zu quälen, um dessen Gottestreue zu testen. Er war aber auch ein Rebell, ein Dickkopf, der vieles angeklagt und hinterfragt hat. "AD" wiederum steht für die Neuzeit, denn viele meiner Texte spiegeln auf subversive Art das aktuelle politische Geschehen in der Welt wider. In deinen Songs klagst du Kriegstreiberei und Kapitalismus an. Möchtest du deinen Bekanntheitsgrad nutzen, um Menschen wachzurütteln und zu politischem Widerstand aufzurufen? Natürlich, denn ich bin davon überzeugt, dass sich etwas ändern muss. Heute bin ich in der glücklichen Lage, einen guten Job zu haben und mir keine Sorgen um meinen Lebensunterhalt machen zu müssen. Die meisten Menschen aber, die im Leben etwas erreicht haben, interessieren sich nicht mehr dafür, wie es anderen geht. Das kann es nicht sein. Deine erste Singleauskopplung, "Mary-Ann", wiederum beschreibt eine destruktive, katastrophale Beziehung. Wie viel von deiner eigenen Biografie steckt da drin? Es geht dabei nicht um mich. Ich kenne keine Mary-Ann. Katastrophale Beziehungen dagegen gab es in meinem Leben schon (lacht). Ich denke, jeder kennt so eine Person, die nichts als verbrannte Erde hinterlässt. Hörst du eigentlich Musik beim Tätowieren? Immer. Manchmal sogar Death Metal, aber das nervt meine Mitarbeiter. Einer flippt immer aus, wenn ich so harte Sachen höre (lacht). Interview: Daniela Wiesner