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Syrer eröffnet Schneiderei: Talent bewiesen, Chance genutzt

Khaled Aoso flüchtete vor 14 Monaten aus Syrien nach Deutschland. Sein Können und etwas Hilfe von außen ermöglichten es ihm, in Trier eine Schneiderei zu eröffnen. Jetzt will er sich hier ein neues Leben aufbauen

Seit geraumer Zeit leben Flüchtlinge aus verschiedenen Ländern in Trier. Meist sind sie vor Krieg geflohen und hoffen auf bessere Perspektiven. Viele von ihnen gehen zur Sprachschule und versuchen Fuß zu fassen. Einer davon ist Khaled Aoso. Vor 14 Monaten kam der junge Syrer nach Deutschland und bemühte sich, schnell eine Beschäftigung in seinem alten Beruf, dem des Schneiders, zu finden. Er absolvierte zunächst ein Praktikum in einer Schneiderei, als ihm das Schicksal zuspielte: Seine Freundin Sashia Liggins machte ihn auf eine Annonce aufmerksam. Dort wurde ein Schneider gesucht, der sehr kurzfristig Showkleider herstellen konnte. Aoso nutzte seine Chance und stellte sein Können unter Beweis – und zwar so beeindruckend, dass Karin Kaltenkirchen, Geschäftsführerin des Modehaus Marx, von seinem Talent erfuhr.

Helfende Hand von außen

Früher führte Aoso zusammen mit einem Freund in Damaskus erfolgreich eine eigene Maß- und Änderungsschneiderei. Für Männer und Frauen war er gleichermaßen eine beliebte Anlaufstelle. Doch die Schneiderei steht nicht mehr. Sie wurde zerstört. Auch Versuche eine neue zu eröffnen, gelangen in dem von politischen Wirren und Krieg gezeichneten Land nicht. Als Karin Kaltenkirchen von der Geschichte hörte, zögerte sie nicht lange. "Er ist ein sehr netter Mann", hält sie begeistert fest. Schon immer versucht sie Benachteiligte ein wenig zu unterstützen, beispielsweise mit Spenden für die Kleiderkammer, aber diesmal wollte sie "aktiver helfen". Das heißt, mit konkreter Hilfe und sichtbarem Ergebnis. Kurzerhand entschloss sie sich deshalb, dem jungen Mann unter die Arme zu greifen. Zufällig passte es gerade, dass die hauseigene Schneiderei gerade ein paar Räume weiter gezogen war und so ein Zimmer frei wurde. Dort richtete ihm Kaltenkirchen eine Schneiderei mit Nähmaschine und Bügeltisch sowie Interieur und Material ein. Den Raum hat Aosu selbst gestrichen und nach seinen Vorstellungen hergerichtet. Über eine eigene Klingel ist die gewerblich angemeldete Schneiderei autonom.

Freundlichkeit erfahren

Aoso bietet in seiner Schneiderei Maßanfertigungen, Änderungen und Bügelservice an. Das bemerkenswerte dabei ist, dass er in seiner Ausbildung gelernt hat, alle Schnittmuster im Kopf zu behalten. Dadurch kann er sehr schnell anfangen und zügig arbeiten. Aoso selbst ist dankbar für die Hilfe, die ihm bisher zuteilwurde. "Ich habe bisher viel Freundlichkeit erfahren und auch schon Freunde gefunden", sagt er und betont die geordneten Verhältnisse, die momentan eine große Diskrepanz zu Syrien darstellen. Nichtsdestotrotz spürt man die Gräuel, die Aosu bisher erduldet hat: Bei dem Gedanken an die Zustände und seine Familie in Syrien muss er schlucken. Die Schneiderei gibt ihm nun aber ein wenig Ablenkung und macht ihm Hoffnung auf eine bessere Zukunft.

Eckdaten zur Schneiderei

Khaled Aoso bietet Maß -und Änderungsschneiderarbeiten sowie Neuanfertigungen und einen Bügelservice an. Die Schneiderei ist montags bis samstags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Sie befindet sich im dritten Stock des Modehaus Marx, An der Meerkatz 3. SF


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