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Künstler kämpfen in der Krise

Das kulturelle Leben steht auch in Trier und der Region seit Inkrafttreten der Coronaverordnung nahezu still. Vielen selbstständigen Künstlern ist der Lebensunterhalt weggebrochen, Hilfen kommen oder wirken nicht. Aber es gibt auch Projekte, die aus der Situation das Beste machen wollen.

Als größte Trierer Kultureinrichtung ist das Stadttheater in allen drei Sparten von den Bestimmungen der Coronaverordnung betroffen. Für das Haus bedeutet dies das vorzeitige Ende der Spielzeit 2019/2020. Ganz unvorbereitet hat es das Stadttheater aber nicht getroffen. »Wir haben damit gerechnet«, sagt Schauspielerin Barbara Ullmann. »Obwohl sich die Situation von Tag zu Tag entwickelt hat, war es für uns dennoch surreal.« Durch ihre feste Anstellung entgehen die Künstler des Stadttheaters immerhin dem Schicksal der freien Schauspieler, denen nach Wegbrechen ihrer Engagements oft nur noch der bittere Gang in die Grundsicherung übrig bleibt. Doch von den Folgen der Pandemie ist auch das Trierer Theater nicht frei. So befindet sich das künstlerische Personal in Kurzarbeit. Untätig ist dennoch keiner. Während die Kostümabteilung Schutzmasken schneidert, entwickeln die Mitglieder der drei Sparten Beiträge für die »digitale Spielzeit«. Darin präsentieren die Künstler unterschiedliche Beiträge ihrer jeweiligen Kunstform, auch Interaktives, wie Ullmann berichtet. »Wir wollen mit dem Publikum im Kontakt bleiben«, sagt sie. Außerdem sei eine mehrstündige Gala in Planung. Veröffentlicht werden die Videos auf der Facebook-Seite des Stadttheaters (www.facebook.com/theatertrier). »Die Live-Kultur ist aber durch nichts zu ersetzen«, so die Schauspielerin weiter. Deshalb raucht nicht nur beim Intendaten Manfred Langner der Kopf. Die nächste Spielzeit wird unter Einbezug etwaiger Beschränkungen geplant. Dabei müssen Abstandsregeln auch auf der Bühne eingehalten werden. Ullmann: »Das ist nicht ganz einfach, denn wir wollen unserer Verantwortung auch gegenüber dem Publikum gerecht werden.«

Veranstaltungsbranche ist im Pausenmodus

Oliver Neufang ist ein über die Trierer Stadtgrenzen hinaus bekannter Event-Veranstalter, DJ und Musikproduzent. Die Coronaverordnungen wirken in seiner Branche wie ein Berufsverbot, denn ohne Publikum läuft dort so gut wie gar nichts. Als Mitveranstalter musste Oliver Neufang seit Mitte März sechs Events absagen, vier eigene Shows als DJ fielen ebenso flach. Und dennoch bleibt er verhalten optimistisch. »Ich finde, es ist nicht an der Zeit zu jammern«, sagt er. Wichtig sei, dass die Krise so schnell wie möglich durchgestanden werde. Wie sich die Branche im Krisenmodus entwickeln wird, ist schwer zu sagen. »Viele Künstler harren der Dinge, überlegen aber natürlich langfristig, welche Alternativen sie haben«, sagt Neufang. Ob alle dort weitermachen können, wo sie aufgehört haben, bleibt ungewiss. Eine Alternative haben Neufang und drei weitere Protagonisten aus der Trierer Veranstaltungsszene für sich bereits gefunden: Mit dem (Auto)Kino- und Kulturprojekt »Carpitol« gibt es eine Neuauflage des Freiluftkinos im Messepark. Dazu sind neben Kinovorstellungen auch Live-Auftritte bekannter Acts geplant. Weitere Infos dazu gibt‘s online unter www.carpitol-trier.de sowie unter www.wochenspiegellive.de.

Viele Künstler fallen durch das Raster

Doch viele Kulturschaffenden, die ausschließlich von ihrer Kunst leben, können nicht so einfach neue »coronakompatiblen« Projekte aus dem Boden stampfen. So auch nicht Hannes Brogmus und Henning Walker. Zusammen treten sie als »Hennich und Hanschel« auf oder führen Touristen musikalisch durch die Stadt. Beiden blieb nach dem Wegbrechen ihrer Einnahmen nur noch die Beantragung von ALGII übrig, ein Umstand, der beide zu den Mitinitiatoren eines offenen Briefes an Ministerpräsidentin Malu Dreyer werden lies. »Das größte Problem aus unserer Sicht ist ALGII, das so genannte Corona-Grundeinkommen, weil es Menschen ausschließt, nicht rückwirkend beantragt werden kann und die Zuverdienstmöglichkeiten begrenzt sind«, sagt Henning Walker. Ihre Forderung: »Wir brauchen einen Finanztopf für alle Kulturschaffenden, der niemanden ausschließt und zumindest einen gewissen Prozentsatz der ausgefallenen Honorare kompensiert.« Und sie kritisieren die Kommunikation des Landes. »Die Menschen glauben, wir werden alle staatlich unterstützt«, sagt Brogmus. Das Gegenteil sei der Fall. Man fühle sich von der Landesregierung im Stich gelassen.
»Kein Mensch will Grundsicherung beantragen, denn die meisten sind ja nicht arbeitslos«, sagt Tufa-Geschäftsführerin Teneka Beckers. Auch in ihrem Haus hat man sich auf die neue Situation eingestellt, denn in den kommenden Monaten wird es dort digitaler zugehen, als sonst. »Im kleinen Saal richten wir ein Studio für das Streaming ein«, so Beckers. Dank städtischer Zuschüsse ist sie in der Lage, Gagen zu zahlen. »Wir wollen ja, dass Künstler auch in der Krise auftreten können«, sagt sie. Denn unter den jetzigen Bedingungen habe die Live-Kultur eine »schwierige Perspektive«.


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