Patrizia Casagranda verknüpft bewusst Materialien im Zersetzungsprozess, um ein Bewusstsein für die großen, globalen Themen der Zeit zu schaffen.
Bild: Edith Billigmann
Bild: Edith Billigmann
Auf besondere Weise dokumentieren ihre Werke Zeitgeschichte. Schicht um Schicht gewähren sie beim Betrachten tiefe Einblicke in ein Leben (vor) unserer Zeit.
Marilyn Monroe als Rasterbild - kennt man, mag man, ist immer ein Hingucker. Doch bei der Deutsch-Italienerin Patrizia Casagranda versteckt sich da noch mehr. Schritt für Schritt öffnet es sich dem Betrachter, zeigt seine Fragilität, Verwundbarkeit, Vergangenheit. Wie auf den Straßen Roms reißt mit jedem Schritt des Näherns die Oberfläche auf und gewährt den Blick in eine nicht gekannte Tiefe.
Fasziniert von den Ölgemälden des Nachbarn, zieht Patrizia die Malerei schon als Kind magisch an. Bei ihm verbringt sie die meiste Zeit, darf experimentieren und sich in der Kunst wiederfinden. Schon früh entwickelt sie eigene Techniken; Kunst begleitet sie durch ihr Leben. Dennoch dauert es, bis sie als professionelle Künstlerin 2016 den Schritt in die Selbstständigkeit und damit ins eigene Atelier wagt. Dazwischen liegen Ausbildung und Studium sowie ihre Arbeit als Grafikdesignerin und Illustratorin u.a. für Günther Uecker und Markus Lüpertz.
Ihre Technik ist einzigartig, ihre Arbeiten - ausdrucksstarke Symbiosen aus Collage, Malerei und Graffiti - sind angesiedelt zwischen nostalgischem Chick und Street Art. Ihr eigenwilliger Stil verknüpft bewusst Materialien im Zersetzungsprozess, um ein Bewusstsein für die großen globalen Themen der Zeit zu schaffen, aber auch den Prozess der Vergänglichkeit in all seiner Schönheit zu zeigen. Doch dieser erschließt sich dem Betrachter erst bei genauem Hinschauen, wenn sich hinter aufbröckelndem Material Rost, vergilbtes Papier und alte Farben zeigen.
Die neue der bisher fünf Portraitserien trägt den Namen "Belief". Mit ihren dafür portraitierten Frauen unterschiedlicher Religionen geht sie leise, aber bestimmt an die dringend erforderliche gegenseitige religiöse Akzeptanz heran, die den Austausch auf Augenhöhe und gegenseitigem Respekt zwingend voraussetzt.
Casagrands portraitierte Frauen sind zugleich Ausdruck ihrer Solidarität und ihres sozialen Engagements. Ihr Atelier in Krefeld teilt sie mit einem Künstler, der das Projekt vor Ort betreut, durch das sie indische Müllsammlerinnen aus der Kabalia-Kaste kennenlernte. Deren Müllfunde kaufte sie ab und nutzte sie als Grundlage für ihre Gemälde. So entstand die Idee des Werks "Wand an der Wand", bei dem unter Verwendung recycelter Materialien und einer mit Farbpigmenten angereicherten Gips-Mörtel-Mischung bis zu 20 Schichten entstehen können. Diese Schichten treten - ähnlich wie bei den Pointillisten - erst bei näherem Betrachten in den Vordergrund, während sich zugleich das Motiv in den Rasterpunkten verliert. Erst aus der Distanz ist es erkennbar. Über die außergewöhnliche Leuchtkraft ihrer Werke sagt Casagranda: "Das Geheimnis liegt in den verwendeten Pigmenten." Und die stammen aus dem alten Farbladen eines Den Haager Pigmentgeschäfts aus dem 17. Jahrhundert, das sie vor zweieinhalb Jahren gekauft hatte. Neben Pigmenten und Ölen entdeckte sie dort ein Original-Rezept für die Farben der Stradivari. Wir dürfen gespannt sein auf das nächste Projekt ...
- Patrizia Casagranda schloss 2002 ihr Design-Studium an der Fachhochschule Niederrhein mit Auszeichnung ab und besuchte die Malakademien in Nizza, Ravensburg und Trier. Nach wechselnden Tätigkeiten im Design-Bereich arbeitet sie seit 2015 als freischaffende Künstlerin. Die Mittelpunkte ihres Schaffens sind Deutschland, die Niederlande und Indien.
- Die Krefelder Künstlerin wurde mit zahlreichen internationalen Kunstpreisen ausgezeichnet: 2023: Spotlight Award-Artexpo New York, USA, International Artprize Michelangelo, Italy, 2022: Golden Art Award-Osten Biennial, Mazedonien 2021: Kunstpreis Deutschland, Emerging Scene Art Price, Dubai, First Place-Lorenzo il Magnifico Award, Italien
Casagranda stellt ihre Werke in der Fleischstraße 67 bei Guillaume und in der Galerie Kaschenbach (Neustraße 60) aus.
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