"Ich gehe mit einem lachenden und einem weinenden Auge"
Triers Bischof Stephan Ackermann muss erneut einen personellen Aderlass verkraften: Mit Clemens Grünebach kehrt schon wieder ein höherrangiger Priester der römisch-katholischen Kirche den Rücken, um zur alt-katholischen Kirche zu wechseln. Wir haben ihn zum Interview getroffen:
Was waren die Gründe für den Wechsel in die alt-katholische Kirche?
Ich glaube schon lange, dass sich die römisch-katholische Kirche (im Bistum Trier und weltweit) grundlegend erneuern muss, um wieder Vertrauen und Glaubwürdigkeit zu erlangen. In der Trierer Synode habe ich mich daher mit viel Herzblut dafür stark gemacht, dass sich die kirchlichen Strukturen so grundlegend verändern, dass sie lebensdienlicher und evangeliumsgemäßer werden. In meiner Zeit im Hochwald haben wir dies ja schon gelebt, als wir z.B. aus ehemals 8 Pfarreien die neue Pfarrei St. Franziskus gegründet haben. (Ich bin Bischof Ackermann dankbar, dass er 2012 den Mut hatte, eine Synode auszurufen, einem in Deutschland in der römisch-katholischen Kirche eher seltenen Ereignis; dass er im Anschluss 2016 die Beschlüsse der Synode in Kraft gesetzt hat und sich und dem Bistum Trier die diakonisch-missionarische Kirchenentwicklung auf die Fahnen geschrieben hat.) Ich bin davon überzeugt: Gute Strukturen sind nie nur Nebensache, sondern sie bilden die sichtbare Seite der Botschaft, die wir verkünden möchten und sollen. Das Christentum ist nicht nur eine Idee oder ein Inhalt, sondern muss sich im Hier und Heute konkretisieren, um wirksam zu werden. Daniel Bredel aus Hermeskeil, mit dem ich in meiner Zeit in Hermeskeil gerne und gut zusammengearbeitet hat, hat mir als Reaktion auf meinen Wechsel in die alt-katholische Kirche geschrieben:" Der Glaube an Gott und das Christ sein braucht ein ehrliches und modernes "zu Hause"……..! Und genau deshalb gehe ich, weil neuer Wein in neue Schläuche gehört, wie das biblische Sprichwort sagt, und nicht in alte.
Sie kommen aus einer katholisch geprägten Familie. Wie hat diese Ihre Entscheidung aufgenommen?
Mit meinen Geschwistern, habe ich ein sehr enges Verhältnis und sie wissen schon länger über mein Ringen bescheid. Sie stehen voll hinter meiner Entscheidung, weil Sie gemerkt haben, wie ich unter der damaligen Situation und der aktuellen Lage der Kirche gelitten habe. Sie haben mich sehr bestärkt meinen Weg zu gehen weil sie auch viele Entwicklungen in der Kirche sehr kritisch sehen. „Nur, wenn es dir gut geht mit deinem Weg und du davon überzeugt bist, kannst du auch ein guter Seelsorger und Pfarrer sein“, haben sie mir sinngemäß gesagt.
Im Jahr 2021 sind im Bistum Trier fast 18.600 Menschen aus der katholischen Kirche ausgetreten. Laut Bistum sind das so viele wie noch nie innerhalb eines Jahres. Was muss geschehen, um diesen Prozess zu stoppen?
Ich war ja zuletzt auch Pfarrverwalter in zwei Saarbrücker Gemeinden. Im ersten Halbjahr hatten wir dort schon fast 200 Austritte. Hochgerechnet auf das Bistum rechne ich mit einer deutlichen höheren Zahl an Austritten als 2021. Das hat mich erschrocken aber auch gezeigt, dass die Menschen sehr mündig sind und mit diesem Schritt oft ein Zeichen setzen wollen. Gemeinsam mit der Gemeindereferentin Barbara Heid haben wir uns daher entschlossen diese Menschen zu kontaktieren: Wir habe den Ausgetretenen eine Karte zu Weihnachten geschickt und sie herzlich zu unseren Gottesdiensten eingeladen. Wir wollten Ihnen sagen: Wir haben Verständnis für diesen Schritt: Unsere Türen stehen Euch offen!
Für manche Katholiken, die sich mit den erzkonservativen Werten der römisch-katholischen Kirche nicht mehr identifizieren können, ist die evangelische Kirche eine Alternative. Warum war das keine Alternative für Sie und warum haben Sie sich für die alt-katholische Kirche entschieden?
Ich bin aus Überzeugung katholisch (im Sinne von „die ganze Erde umfassend“ nicht enggeführt im Sinne von ausschließlich römisch-katholisch). Die alt-katholische Kirche ist entstanden im Nachgang des ersten vatikanischen Konzils 18070-71, auf dem das Unfehlbarkeitsdogma und das Dogma vom Jurisdiktionsprimat des Papstes beschlossen wurde. Dies bedeutet kurz gefasst, dass der Papst als letzte Instanz überall auf der Welt, bis in jedes Bistum hinein das letzte Wort hat und alleine entscheiden kann. Eine große Gruppe von Gläubigen und auch von ganzen Gemeinden haben dieses Dogma damals nicht akzeptiert, weil es weder biblisch begründet noch in der Tradition der Kirche belegbar war. „Alt“ bezieht sich daher auf die frühe Zeit der Christen in den ersten Jahrhunderten, in denen z.B. Mitbestimmungsrechte schon in der Kirche verankert waren. „Alt“ bedeutet nicht altmodisch! Vielleicht wäre Reform-katholisch die bessere Bezeichnung.
Bei den Alt-Katholiken wird Ökumene groß geschrieben und wir haben ausgezeichnete Beziehungen insbesondere zu den evangelischen Kirchen. In den westlichen Gesellschaften werden die Kirchen sowieso viel enger zusammenarbeiten müssen, damit die Botschaft Jesu überhaupt gehört wird. Dazu bin ich bereit.
Den Zölibat gibt es in der alt-katholischen Kirche nicht. In der rk Kirche wird gar in bestimmten Zusammenhängen von „Verfehlung“ gesprochen, wenn es um Liebe und Geliebt-Werden geht. War das mit ein Grund, warum Sie der rk den Rücken kehren?
Was die Lebensform der Geistlichen angeht, ist diese in der alt-katholischen Kirche der freien Entscheidung der Geistlichen überlassen. Dies war für mich neben anderen mit ein Grund, dorthin zu wechseln. Auch andere sehr wichtige Fragen, die auch auf der Tagesordnung des Synodalen Weges stehen, wie Synodalität (d.h. demokratische Mitbestimmung), Gleichberechtigung was Männer und Frauen angeht, (d.h. es gibt in der alt-katholischen Kirche auch Priesterinnen), Zulassung zu den Sakramenten, Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren, Einladung von Christen anderer Konfessionen zum Abendmahl und der Eucharistie sind dort schon positiv beantwortet.
Der frühere Speyerer Generalvikar Andreas Sturm hat ja bereits im vergangenen Jahr mit seinen Austritt aus der rk Kirche für Schlagzeilen gesorgt und anschließend ein Buch geschrieben. Inwieweit war dessen Entscheidung Inspiration für Sie und werden Sie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse nun auch in einem Buch verewigen?
Mich hat im letzten Jahr die Entscheidung von Andreas Sturm ebenfalls überrascht. Mein Entscheidungsprozeß war damals schon weit fortgeschritten, so dass mich seine Entscheidung nicht beeinflusst, wohl aber bestärkt hat.
Ich könnte über die letzten 4-5 Jahre mehrere Bücher schreiben, tue es aber nicht. Wenn ich mal irgendwann ein Buch schreiben sollte, dann wird es darum gehen, wie man als Christin und als Christ im 21. Jahrhundert seinen Glauben und seine Sinnsuche leben kann und warum es eine große Hilfe sein kann, das eigene Leben und die Herausforderungen zu bewältigen, wenn man Jesus an der Seite hat.
Noch ein Wort zum Schluss...
Ich bin von Herzen gerne Christ und Priester. Daher gehe ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge, denn ich bleibe ja Christ und Priester und wechsle nur das Bistum, aber ich verlasse das Bistum Trier, in dem ich sozialisiert bin und seit über 28 Jahren tätig bin. Mehr als die Hälfte dieser Zeit war ich in den Gemeinden rund um Hermeskeil aktiv und ich nehme tolle Erfahrungen aus dieser Zeit mit. Ich habe vielen Menschen dort und an anderen Orten im Bistum Trier sehr viel zu verdanken und das wird bleiben!
Interview: Andrea Fischer

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