Andrea Fischer

Damit immer ein Arzt da ist

Hermeskeil. Ärztlicher Bereitschaftsdienst im Raum Hermeskeil - eine »never ending« Story?

Kürzlich haben sie sich im Mehrgenerationenhaus getroffen - 11 Mitglieder der neuen Bürgerinitiative (kurz: BI) zum Neuaufbau eines ärztlichen Bereitschaftsdienstes für Hermeskeil und die umliegenden Dörfer. Stadtbürgermeisterin Lena Weber - gerade mit Haushaltsfragen der Stadt sowie Besuchen von Jubilaren mächtig im Stress - nutzte die Gelegenheit, um den Mitstreitern und Mitstreiterinnen der BI die aktuelle Situation der medizinischen Versorgung und die ersten Ergebnisse des von ihr ins Leben gerufenen "Runden Tisches" mit VertreterInnen des regionalen Gesundheitssektors näher zu erläutern. Und schon beim zweiten Treffen am Sonntag, 12. März wurde klar: So einfach wie die Forderung der Bürgerinitiative nach einem "vollwertigen, ärztlichen Bereitschaftsdienst in Hermeskeil… (Red. damit) wir immer sofort einen Arzt in Hermeskeil finden und nicht erst nach Birkenfeld, Idar-Oberstein, Saarburg oder Trier fahren müssen" - wie's in der Unterschriftenaktion der engagierten BI heißt - ist es leider nicht…

Jedem wird bei einem medizinischen Notfall geholfen

Eines vorab: Unter der leider immer noch zu wenig bekannten, bundesweit geschalteten Rufnummer 116 117 soll auch in unserer Region jedem geholfen werden, der außerhalb der gängigen Praxiszeiten ein medizinisches Problem hat. Die Online-Präsenz www.116117.de ist eine Informationsplattform der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zum ärztlichen Bereitschaftsdienst in Deutschland. Darüber hinaus gibt es die Zentrale Notaufnahme (kurz: ZNA) im St. Josef Krankenhaus Hermeskeil, die 24 Stunden am Tag und sieben Tage in der Woche für uns da ist. Dazu heißt es auf der Website des Krankenhauses: "Die ZNA ist die zentrale Anlaufstelle für alle Patientinnen und Patienten, die aufgrund einer akuten Erkrankung, einer Verletzung oder der Verschlechterung einer bestehenden Erkrankung medizinische Hilfe benötigen." Erreichbar für eine Notfallbehandlung ist die ZNA über die Rufnummer: 06503-81-2851 - allerdings bitte nur in wirklich dringenden Fällen kontaktieren, um die Belastungsfähigkeit der Einrichtung auch weiterhin erhalten zu können. Bis zum 31.12.2022 gab es in Hermeskeil darüber hinaus im St. Josef-Krankenhaus einen ärztlichen Bereitschaftsdienst (kurz: ÄBD).

"Für echte Notfälle gibt es ja auch noch den Rettungsdienst"

Und hier beginnt das aktuelle Problem; denn durch die Aufkündigung der bewährten Kooperation der Marienhaus GmbH mit der Kassenärztlichen Vereinigung wurde dieses Serviceangebot zum Jahresende ersatzlos gestrichen. Im Rahmen unserer Recherche haben wir auch den in Hermeskeil ansässigen Allgemeinmediziner Dr. Ortwin Zais zur aktuellen Situation befragt: "Der ärztliche Bereitschaftsdienst ist seit Etablierung der Bereitschaftsdienste landesweit in Birkenfeld angesiedelt. Die Ärzteschaft hat damals wie auch die Bevölkerung auf die Unsinnigkeit hingewiesen. Das St. Josef-Krankenhaus hat dann eine "Notlösung" etabliert, nämlich zumindest für eine beschränkte Zeit an Wochenenden und Feiertagen einen Dienst anzubieten. Wir Ärzte haben nur über die KV in Mainz einen Einfluss auf Standorte. Und da gehen die Uhren irgendwie anders. Alle Ärzte zahlen einen monatlichen Obolus, um 280 EUR pro Monat, an die Bereitschaftsdienstzentralen… Mich hat das nicht mehr interessiert, weil ich die Dienste außerhalb meiner Räume nicht mit der Betreuung unserer Tumorpatienten vereinen kann." Da es die Bereitschaftsdienstzentrale bereits als Einrichtung gibt, entfallen daher - lt. Dr. Ortwin Zais - die Grundvoraussetzungen für Hausärzte. "Es ist eher ein Muss für Hermeskeil, dass eine solche Zentrale hier etabliert wird." Auch den Apotheker Dr. rer. nat. Michael Bur haben wir um seine Einschätzung gebeten: "Die Problematik des ärztlichen Bereitschaftsdienstes zeigt starke Parallelitäten zu der des Apothekennotdienstes. Diese Serviceleistungen finden zusätzlich zum schon sehr stressigen Alltag statt und sind finanziell wenig attraktiv. Dazu kommt eine manchmal zur Frustration führende zunehmende Inanspruchnahme durch Lappalien und Befindlichkeitsstörungen", kritisiert der Inhaber der Hirsch-Apotheke Hermeskeil. "Ein ärztlicher Notdienst müsste nur stundenweise am Samstagvormittag und am Sonntagvormittag angeboten werden. Mit stundenweise meine ich tatsächlich nur 2 oder 3 Stunden, so würden sich viel eher Ärzte finden lassen, die sich einbringen. Die kurzen Öffnungszeiten reichen voll und ganz aus. Bei den wenigsten Bagatellerkrankung ist eine sofortige Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe notwendig. Für echte Notfälle gibt es ja noch den Rettungsdienst", erklärt Michael Bur. Er kritisiert im Gespräch mit uns: "Die Schließung ist einfach nicht kommuniziert worden, gemäß dem Motto, wenn keiner von was weiß, dann wird es auch keinen Widerstand geben, hier liegt die Verantwortung bei den politisch Verantwortlichen." Auch in seiner Apotheke kann man sich in die Unterschriftenliste der BI eintragen: "Die Resonanz auf die Unterschriftenaktion ist sehr gut, jedoch glaube ich persönlich nicht an einen Erfolg. Es wäre einfacher gewesen etwas Bestehendes zu erhalten, als etwas, das weg ist, neu zu etablieren", gibt Bur zu bedenken. "Die Problematik ist meiner Meinung nach auch wesentlich komplexer. In Anbetracht der Altersstruktur der Ärzteschaft, werden wir nach einer mangelhaften ärztlichen Bereitschaftsdienstversorgung auch auf kurz oder lang ein Problem in der ärztlichen Grundversorgung bekommen. Hier sähe ich analog zu Landarztmodellen, Patenschaften und Stipendien ein sinnvolles Engagement der Bürger - zum Beispiel in Form eines Fördervereins - für eine gesicherte ärztliche Versorgung." Mechthild Ganz vom ambulanten Pflegedienst "Helfen & Pflegen" in Reinsfeld sieht die Situation nicht ganz so kritisch. Sie hat bisher gute Erfahrungen mit dem ärztlichen Bereitschaftsdienst in Birkenfeld gemacht: "Wenn ich sie gebraucht habe, kamen sie prompt." Statement aus dem rheinland-pfälzischen Gesundheitsministerium Selbstverständlich haben wir auch in Mainz beim MINISTERIUM FÜR WISSENSCHAFT UND GESUNDHEIT nachgehakt und von Pressesprecher David B. Freichel folgende Auskunft erhalten: "Nach der derzeitigen Gesetzeslage ist die Sicherstellung des vertragsärztlichen Bereitschaftsdienstes Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz als Selbstverwaltungskörperschaft der rheinland-pfälzischen Vertragsärztinnen und Vertragsärzte.

Der Bundesgesetzgeber hat keine konkreten Vorgaben zur Ausgestaltung des Bereitschaftsdienstes gemacht. Die Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz hat daher bei der Organisation des vertragsärztlichen Bereitschaftsdienstes einen weiten Gestaltungsspielraum. Das Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit ist hier nicht berechtigt, fachliche Vorgaben zu machen oder die Zweckmäßigkeit der Entscheidungen der Kassenärztlichen Vereinigung zu überprüfen. Die Landesregierung hat daher keine Möglichkeit, Einfluss auf Öffnungszeiten, Standortentscheidungen oder die organisatorische Ausgestaltung des Bereitschaftsdienstes der Kassenärztlichen Vereinigung zu nehmen. Das gilt auch für die Einstellung des Angebotes in Hermeskeil zum Ende des vergangenen Jahres. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Rheinland-Pfalz ist seit einiger Zeit dabei, ihren Bereitschaftsdienst umzustellen. Ziel der KV ist es, eine bedarfsgerechtere Versorgung der Patientinnen und Patienten zu erreichen, die Auslastung der Bereitschaftspraxen zu verbessern und die Dienstbelastung der Ärzteschaft zu reduzieren. Das Konzept wird schrittweise über ganz Rheinland-Pfalz ausgerollt. Seit Anfang 2020 sollen die Patientinnen und Patienten bei akuten Gesundheitsproblemen nicht mehr unangemeldet die Bereitschaftspraxen der KV oder die Notaufnahmen der Krankenhäuser aufsuchen, sondern sich zuerst an den Patientenservice der KV unter der bundesweit einheitlichen Telefonnummer 116 117 wenden. Dort ermittelt eine medizinisch ausgebildete Fachkraft die Dringlichkeit der Behandlung und den Versorgungsbedarf und leitet die Anruferin oder den Anrufer in die richtige Versorgungsebene. Je nach Schwere und Dringlichkeit der Erkrankung kann dies ein Termin in einer niedergelassenen Arztpraxis, ein Termin in einer geöffneten Bereitschaftspraxis der KV, eine Besuchsbehandlung durch den Hausbesuchsdienst der Bereitschaftspraxen oder bei lebensbedrohlichen Fällen die sofortige Weiterleitung an den Rettungsdienst sein. Zuvor wurden die Hausbesuche des Bereitschaftsdienstes durch die in der Bereitschaftspraxis Dienst habenden Ärztinnen und Ärzte mit erledigt. Wenn der Arzt bzw. die Ärztin gerade zu einem Hausbesuch aufgebrochen war, konnte dies dazu führen, dass Patientinnen und Patienten länger auf dessen oder ihre Rückkehr in die Bereitschaftspraxis warten mussten. Seither hat die KV einen gesonderten aufsuchenden Dienst eingerichtet, der ausschließlich Hausbesuche durchführt und mehrere der früheren Bereitschaftsdienstbereiche abdeckt. Dies ermöglicht es den in der Bereitschaftspraxis tätigen Ärztinnen und Ärzten, sich den in die Bereitschaftspraxis einbestellten Patientinnen und Patienten zu widmen und nach Vorstellung der KV längere Wartezeiten zu vermeiden. Teil der Reform ist auch die Reduzierung der Öffnungszeiten eines großen Teils der Bereitschaftspraxen. Zu den nachfrageschwachen Zeiten ab 23.00 Uhr soll die Versorgung in erster Linie im Rahmen von Hausbesuchen des aufsuchenden ärztlichen Bereitschaftsdienstes erfolgen." Statement der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz (KV RLP) Unsere Anfrage an die Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz hat Julia Lampferhoff (Leiterin Stabsstelle Kommunikation) wie folgt beantwortet: "Auch die KV RLP bedauert, dass das Krankenhaus in Hermeskeil die Organisation eines Ärztlichen Bereitschaftsdienstes am Wochenende beendet hat, kann aber die Gründe dafür sehr gut nachvollziehen. Als ein Hauptgrund wird der Ärztemangel angegeben, wodurch sich nicht mehr genügend Ärztinnen und Ärzten für Bereitschaftsdienste des Krankenhauses akquirieren lassen. Mit den gleichen Herausforderungen ist die Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz (KV RLP) betreffend des flächendeckenden Ärztlichen Bereitschaftsdienstes in Rheinland-Pfalz konfrontiert. Aufgrund der kontinuierlichen Verringerung der zur Verfügung stehenden ärztlichen Arbeitszeit in Deutschland, so auch in Rheinland-Pfalz, muss die Besetzung von Ärztlichen Bereitschaftspraxen (ÄBP) bundesweit effektiver geplant werden. Die KV RLP hat ihre ÄBP aktuell im Durchschnitt 73 Stunden besetzt, der Bundesdurchschnitt liegt nur bei 41 Stunden pro ÄBP. Damit bietet die KV RLP den Bürgerinnen und Bürgern in Rheinland-Pfalz immer noch ein weit überdurchschnittliches Angebot an Öffnungszeiten ihrer ÄBP. Zu beachten ist zudem, dass die KV RLP für Patientinnen und Patienten, die aus medizinischen Gründen nicht mobil sind, einen aufsuchenden Ärztlichen Bereitschaftsdienst vorhält. Somit ist die Versorgung auch solcher Patientinnen und Patienten in allen Regionen von Rheinland-Pfalz sichergestellt. Würde die KV RLP die Zahl der ÄBP und die Besetzungsstunden über eine aktuell schon Spitzenposition in Deutschland weiter erhöhen, müssten mehr Ärztinnen und Ärzte zu mehr Bereitschaftsdienststunden verpflichtet werden. Dies wäre mit ernsthaften Wettbewerbsnachteilen bei der Anwerbung von jungen Ärztinnen und Ärzten für Rheinland-Pfalz verbunden und würde den Ärztemangel und Versorgungsengpässe in Rheinland-Pfalz stärker verschärfen als in anderen Bundesländern. Die KV RLP muss daher im Interesse aller Menschen in allen Teilen von Rheinland-Pfalz sehr verantwortungsbewusst mit dem Bereitschaftsdienstangebot umgehen. Zudem sind die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) betreffend der Organisation des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes abhängig von gesetzlichen Vorgaben. Derzeit wird vom Bundesgesundheitsministerium eine Reform der Notfallversorgung vorbereitet, die den KVen gemäß den Vorschlägen der Regierungskommission konkrete Vorgaben zur Organisation des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes auferlegen könnte. Diese Vorgaben bleiben abzuwarten, bevor weitere Anpassungen auf Landesebene vorgenommen werden können." Der zweite "Runde Tisch" soll nach der Resonanz auf die Erstausgabe, die mit 16 Verantwortlichen aus dem Gesundheitssektor besetzt war, laut Stadtbürgermeisterin Lena Weber am Mittwoch, 3. Mai stattfinden. Bis dahin wollen Klaus Peter Breuer und seine Mitglieder der BI schriftliche Forderungen formulieren, um sie dann beim Gesprächstermin mit der Unterschriftenliste an eine(n) Vertreter(in) der KV Rheinland-Pfalz zu überreichen. Dieser "Runde Tisch" soll übrigens künftig einmal im Quartal tagen.

Liebe Leserinnen und Leser, wie sind denn bis dato Ihre Erfahrungen mit der Neuregelung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes seit Januar 2023? Schreiben Sie uns doch an red-hochwald@tw-verlag.de

 

 Text/Fotos: Sabine Krösser


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