Klaus Desinger

Auf der Walz: Handwerksgesellen besuchen Landrat Kowalski

Birkenfeld. Für diesen Empfang zweier Überraschungsgäste im Schloss hat sich Landrat Miroslaw Kowalski am Dienstag gern kurz Zeit genommen.

Die beiden Handwerksgesellen Conrad Gillhaußen (links) und Valentin Schömmel (rechts) haben bei Landrat Miroslaw Kowalski - wie es die Tradition will - die Stempel für ihre Wanderbücher abgeholt. Danach blieb noch Zeit für ein gemeinsames Foto vor dem Schloss.

Die beiden Handwerksgesellen Conrad Gillhaußen (links) und Valentin Schömmel (rechts) haben bei Landrat Miroslaw Kowalski - wie es die Tradition will - die Stempel für ihre Wanderbücher abgeholt. Danach blieb noch Zeit für ein gemeinsames Foto vor dem Schloss.

Bild: Axel Munsteiner

. Die beiden Handwerksgesellen Conrad Gillhaußen und Valentin Schömmel befinden sich derzeit auf der Walz. Am Sitz der Kreisverwaltung holten sie sich - wie es die Tradition will - den Stempel und die Unterschrift des Landrats für ihre jeweiligen Wanderbücher ab. Mindestens drei Jahre und einen Tag, so ist es vorgeschrieben, müssen die jungen Männer unterwegs sein. Weitere Vorgaben sind, dass sie ledig, kinderlos und schuldenfrei sind. Zudem sind sie dazu angehalten, so minimalistisch wie möglich zu leben und zu arbeiten. "Wir dürfen zum Beispiel kein Geld für unsere Fortbewegung und für unsere Unterkunft ausgeben. Es ist also schon eine beschwerliche Zeit, die man mögen muss", sagt Conrad Gillhausen. Der 31-jährige Elektrikergeselle kommt aus Singen am Hohentwiel, also aus der Nähe des Bodensees, und ist schon längere Zeit auf der Walz, die er 2025 beenden wird. Anders sieht es bei Valentin Schömmel aus. Der Fahrradmechanikergeselle aus Freiburg im Breisgau hat erst vor acht Tagen mit seiner Wanderschaft begonnen. Kennengelernt hat er Gillhaußen bei einem Treffen, bei dem Wandergesellen in größere Zahl zusammenkommen. Nun begleitet der 25-jährige Schömmel seinen Handwerkskollegen. Die Nacht zuvor hatten Schömmel und Gillhaußen in einem Unterstand bei Türkismühle verbracht, bevor sie per Anhalter nach Birkenfeld weiterreisten. Dort entboten die beiden, die durch ihre traditionelle Kluft mit schwarzem Hut, Jackett, weiter Schlaghose und Reisebündel gut erkennbar sind, dem Landrat die seit Jahrhunderten überlieferten Handwerkergrüße. Kowalski revanchierte sich mit einer Bargeldspende, die die beiden Gesellen für ihre Wegzehrung nutzen können. Sie wollten nun anschließend Richtung Morbach und Mosel weiterziehen, berichteten Gillhaußen und Schömmel beim kurzen Plausch im Büro des Landrats.

Wanderschaft hat lange Tradition


Die Wanderschaft zünftiger Handwerksgesellen nach dem Ende ihrer Ausbildungszeit (Freisprechung) hat eine lange Tradition, die bis ins Spätmittelalter zurückreicht. Laut Wikipedia sollten die Gesellen dadurch vor allem neue Arbeitspraktiken, fremde Orte, Regionen und Länder kennenlernen sowie Lebenserfahrung sammeln. Deshalb dürfen sie sich unter anderem ihrem Heimatort auch nicht nähern und müssen einen 50-Kilometer-Radius einhalten. Ein Handwerker, der sich auf dieser traditionellen Wanderschaft befindet, wird als "Fremdgeschriebener" oder "Fremder" bezeichnet.
Im Lauf der Zeit haben die Wanderjahre aber einen Bedeutungsverlust hinnehmen müssen. Nach Auskunft des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) ist die Chance, in Deutschland einer Wandergesellin oder einem Wandergesellen zu begegnen, inzwischen sehr klein geworden. Nur ungefähr 450 Personen befinden sich momentan im deutschsprachigen Raum auf der Walz. Somit begeben sich weniger als 0,5 Prozent der jungen Handwerker, die jährlich ihren Gesellenbrief in Deutschland erhalten, auf Wanderschaft, informiert der ZDH. 2014 wurde die Walz von der UNESCO ins Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes in Deutschland aufgenommen.


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