Lydia Schumacher

Karriere startete in geliehenen Schuhen

Gerolstein/Stadtkyll/Addis-Abeba/Paris. Es ist ein modernes Märchen: Samuel Fitwi flüchtete aus Eritrea nach Deutschland, kam in der  Vulkaneifel an, und wird am Samstag, 10. August, für Deutschland am olympischen Marathon-Lauf teilnehmen.
Die Olympischen Spiele in Paris haben längst begonnen. Samuel Fitwi, der Marathon-Läufer des deutschen Olympia-Teams aus der Vulkaneifel, trainiert noch. Tag für Tag läuft er seine Runden in Addis Abeba, der Hauptstadt Äthiopiens. »Mitte Juni, gleich nach der Leichtathletik-WM in Rom,  ist er rübergeflogen«, berichtet  sein Trainer,  Yannik Duppich, vom Verein Silvesterlauf Trier. Die sauerstoffarme Luft auf mehr als 2.500 Metern über dem Meeresspiegel soll für zusätzliche Trainigseffekte sorgen, weil die Bildung roter Blukörperchen anrgeregt wird. Das bringe eine bessere Sauerstoffversorgung beim entscheidenden Wettkampf. Für die »Top-Athleten der Weltklasse«, zu der Samuel gehöre, sei das Training in der Höhe Standard, sagt Duppich. Er steht jeden Tag in Kontakt mit Samuel und passt dessen Trainingspläne an.  
Apropos Top-Athlet und Weltklasse: Hätte jemand Samuel Fiwi vor zehn Jahren erzählt, dass jemand diese Worte und seinen Namen in irgendeinen Zusammenhang bringt, er hätte ihn wohl ausgelacht. Damals hat er zusammen mit drei Gleichaltrigen seine Flucht aus Eritrea geplant und wusste gar nicht, welches Talent in ihm schlummerte. Nach der Ankunft lebte er  in einer Wohngemeinschaft mit anderen jungen Geflüchteten. Christian Linden, Grundschullehrer aus Stadtkyll, und seine Frau haben sich damals entschieden, einen jungen Geflüchteten bei sich aufzunehmen. Neben vier eigenen und einem Adoptivkind, lebten zu diesem Zeitpunkt fünf Pflegekinder in der Familie.
Samuel, gerade 18 Jahre alt, kam dazu. Er besuchte das Internat in Neuerburg, wo ein »Cooper-Test« gemacht wurde. Dazu musste er zwölf Minuten laufen; am Ende wurde die  Distanz gemessen. Das Ergebnis war mit vier Kilometern so überragend, dass Christian Linden ihn mit Yannik Duppich bekannt machte. Was seither passiert ist, das beschreibt Linden als »ein modernes Märchen«: »Sie müssen sich vorstellen, dasss Samuel anfangs keine eigenen Laufschuhe hatte. Die hat der Yannik ihm damals geliehen. Und jetzt läuft er  für Deutschland.« Mit anfangs geliehenen Schuhen hat es Samuel ins Olympia-Team geschafft. Als Mensch, so Linden, habe sich Samuel kein bisschen verändert, trotz des ganzen Rummels, der jetzt um ihn stattfinde. Er sei bescheiden wie eh und je. Auch deshalb sei er seinem Verein treu geblieben, obwohl viele ihn haben wollten. Und er betrachte die Vulkaneifel als seine Heimat. Sobald er in Gerolstein sei, komme er sehr gerne zum Familienbesuch. Dann läuft er schon mal eine Extra-Runde mit seinem Patensohn Paulus, der mit zweitemVornamen auch Samuel heißt.  
Linden wird dabeisein, wenn Samuel Fitwi am Samstag, 10. August, ab 8 Uhr, die Marathon-Strecke von 42,195 Kilometern läuft. Diese startet am Rathaus,  endet am Invalidendom und führt an bekannten Sehenswürdigkeiten vorbei, wie der Opéra Garnier, dem Place Vendôme, dem Jardin des Tuileries, den Pyramiden des Louvre, dem Place de la Concorde, dem Grand Palais, dem Château de Versailles, dem Eiffel-Turm. Außer Christian Linden werden 14 Familienmitglieder und Freunde mitfahren, wenn sich zwei Fanbusse auf den Weg machen, die die Kreissparkasse Vulkaneifel als Sponsor organisiert hat.  Insgesamt 97 Menschen haben sich angemeldet. Das werden gewiss nicht die einzigen Fans sein, zu Hunderten werden Freunde und Weggefährten aus der Eifel und aus Trier an der Strecke stehen.  
Samuel wird wenige Tage vorher  in Paris landen. Was sich der Sportler vorgenommen hat?»Seine Form ist sehr gut. Da es seine erste Teilnahme an Olympischen Spielen ist, hat er sich vorgenommen, unter den Top 20 ins Ziel zu laufen«, sagt Trainer Duppich. Und danach bereite sich Samuel Fitwi auf die nächsten Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles vor.
Weitere Info: www.samuelfitwi.com
 
 
 

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