Julia Borsch

Orange Day 2024: Gewaltprävention im Landkreis Trier-Saarburg

Trier-Saarburg. Frau Angelika Mohr, Gleichstellungsbeauftrage des Landkreis Trier-Saarburg, im Interview anlässlich des Orange Days 2024.

Angelika Mohr, Gleichstellungsbeauftragte des Landkreis Trier-Saarburg, im Interview anlässlich des Orange Day 2024

Angelika Mohr, Gleichstellungsbeauftragte des Landkreis Trier-Saarburg, im Interview anlässlich des Orange Day 2024

Bild: © Foto Braitsch, Trier

Der WochenSpiegel hat im Vorfeld des diesjährigen Orange Day am Montag, 25. November, mit der Gleichstellungsbeauftragten Angelika Mohr, Landkreis Trier-Saarburg, gesprochen. Lesen Sie nachfolgend das Interview in voller Länge.

 

WochenSpiegel: Welche konkreten Maßnahmen plant der Landkreis Trier-Saarburg, um das Bewusstsein für Gewalt gegen Frauen zu schärfen und Betroffene zu unterstützen?

Angelika Mohr: " Am 25. November wird um 14 Uhr vor der Kreisverwaltung Trier-Saarburg die Fahne "Wir sagen NEIN zu Gewalt gegen Frauen" als Zeichen der Solidarität mit von gewaltbetroffenen Frauen von Landrat Stefan Metzdorf und der Gleichstellungsbeauftragten Angelika Mohr gehisst. Zu dieser Solidaritätsaktion werden die Bürgerinnen und Bürger eingeladen. Im Anschluss gibt es die Möglichkeit sich bei einem Getränk auszutauschen. Weitere Veranstaltungen rund um die Orange Days sind ein Vortrag mit Diskussion zum Thema "Nein zu Gewalt gegen Frauen" am 25. November um 19 Uhr im Kreismuseum Bitburg mit Referentin Sabine Kräuter-Stockton in Kooperation mit dem Soroptimist International Club Bitburg-Prüm und den Gleichstellungsbeauftragten der Kreise Bitburg-Prüm und Trier-Saarburg.
Auch das Frauenhaus Trier beteiligt sich in diesem Jahr mit einer Spendenaktion am Informationsstand "Gewalt kommt nicht in die Tüte" in der Trierer Innenstadt (Ecke Fleichstraße) am Montag, 25. November.

 

WochenSpiegel: Gibt es im Landkreis Trier-Saarburg spezielle Projekte oder Programme, um Gewaltprävention in Schulen, Universitäten und der breiteren Öffentlichkeit zu fördern?

Angelika Mohr: Der Kreis Trier-Saarburg finanziert eine kreisweite Fachstelle zur Gewaltprävention und Mädchenarbeit. Träger dieser Fachstelle ist das Jugendnetzwerk Konz e.V.(Junetko). Angebote der Fachstelle umfassen Fortbildungen und Fachtage für Multiplikator:innen sowie Projekte und Trainings für Kinder und Jugendliche rund um das Thema Gewaltprävention.

Die erzieherische Kinder- und Jugendschutzstelle der Kreisverwaltung analysiert die (regionalen) gesellschaftlichen Veränderungen unter dem Gesichtspunkt des Kinder- und Jugendschutzes. Sie weist auf Jugendgefährdungen hin und entwickelt Konzepte und Maßnahmen, um den Schutzauftrag umzusetzen. Hierbei arbeitet sie mit Netzwerkpartner:innen zusammen. Zielgruppen des Jugendschutzes sind Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene, Eltern und Erziehungsberechtigte sowie Multiplikator:innen.

Der Arbeitskreis "Gewaltprävention" der Stadt Trier und des Kreises Trier-Saarburg zielt darauf ab Wege aufzuzeigen, wie ein gewaltfreies und friedliches Miteinander in den verschiedenen Bereichen der Gesellschaft realisiert werden kann - in der Familie, in der Schule, im Jugendtreff und im Verein. Der Kreis ist für seine Arbeit schon mehrfach ausgezeichnet worden.
Einmal jährlich veranstaltet der AK "Gewaltpräventionswochen" für Schulklassen, Jugendeinrichtungen, Familien und Fachkräfte. Sie sind vielfältig gestaltet. Zum Programm gehören unter anderem Theaterstücke zum Umgang mit sozialen Medien, Kinofilme über Vorurteile, Freundschaft, Selbstfindung, Zusammenhalt, sowie Workshops und vieles mehr.

"Regionaler Runder Tisch gegen Gewalt in engen sozialen Beziehungen (RRT GesB) Stadt Trier und des Kreises Trier-Saarburg": Zusammenschluss von Vertreter:innen von Polizei, Justiz, Frauenhäusern, Notrufen, Interventionsstellen, Sozial- und Jugendämtern, Sozialraumzentren, Kinderschutzeinrichtungen, Beratungsstellen, Täterarbeitseinrichtungen und der Gleichstellungsbeauftragten. Ziel ist die Verbesserung der Situation von durch Gewalt in engen sozialen Beziehungen betroffenen Personen, insbesondere von Frauen und ihren Kindern sowie die Optimierung der Zusammenarbeit und Kooperation aller am Hilfesystem Beteiligten.

Auch Beratungsstellen wie der Frauennotruf und pro familia sind in der Präventionsarbeit im Landkreis aktiv. So bietet der Frauennotruf z.B. Workshops für Lehrkräfte zum Thema sexualisierte Gewalt an Schulen an, den Selbstbehauptungskurs WenDo und Workshops zu toxischer Männlichkeit und sexualisierte Belästigung am Arbeitsplatz. Pro familia ist mit Angeboten der sexuellen Bildungsarbeit in Kitas und Schulen sowie der Täterarbeitseinrichtung "Contra Häusliche Gewalt" aktiv.

WochenSpiegel: Wie schätzen Sie die Wirksamkeit der bisherigen Initiativen im Landkreis ein und welche weiteren Schritte sind Ihrer Meinung nach notwendig, um Gewalt gegen Frauen langfristig zu bekämpfen?

Angelika Mohr: Gewalt gegen Frauen ist ein gesellschaftlich strukturell gewachsenes Problem. Gewalt beginnt schon mit scheinbar harmlosen obszönen Bemerkungen und unerwünschten Berührungen. Statt Frauen zu unterstützen, bleibt häufig eine Reaktion und Solidarität des öffentlichen und sozialen Umfeldes aus. In vielen Fällen fühlen sich die Täter durch das Schweigen oder gar Mitlachen in ihren sexistischen Verhaltensweisen gestärkt. Ein solches System kann ein Türöffner für weitergehende gewalttätige Übergriffe sein.

Die aktuellen Zahlen des Bundeskriminalamtes zeigen einen Anstieg von häuslicher Gewalt von 6,5 % im Jahr 2023 im Vergleich zum Jahr 2022. 70 % der Opfer sind weiblich.
Mit Aktionen, wie z.B. die Solidaritätsbekundung durch das Hissen der Fahne am Orange Day positioniert sich der Kreis als öffentliche Behörde und fungiert als Vorbild für Bürger:innen.

Mit Ausstellungen (s.o.) wird für dieses Thema sensibilisiert. Die gewaltpräventiven Angebote im Landkreis setzen schon früh in der Sozialisierungsphase der Kinder und Jugendlichen an, um gewaltfreien Umgang miteinander zu lernen. Die Initiativen, Projekte, Aktionen, Fortbildungen und Workshops zum Thema Gewaltprävention dienen der Aufklärung und sind wichtige Instrumente, um langfristig einen Wandel des gesellschaftlichen Bewusstseins zu bewirken.

Trotz aller Bemühungen ist die Anzahl der Fälle von Gewalt gegen Frauen weiterhin hoch. Dies bedeutet, dass noch mehr getan werden muss, um die Wirksamkeit dieser Initiativen zu erhöhen und nachhaltige Veränderungen zu erzielen. Es müssen weiterhin Kampagnen und Bildungsprogramme initiiert werden, um das Bewusstsein für das Thema zu schärfen und Geschlechterstereotypen abzubauen. Die Gleichstellung der Geschlechter kann langfristig dazu beitragen, die Ursachen von Gewalt zu bekämpfen. Betroffene Frauen müssen stärker unterstützt werden, z.B. durch die Einführung und Umsetzung des neuen Gewalthilfegesetzes. Frauenunterstützende Organisationen müssen auskömmlich finanziert werden, um sich für die Rechte und den Schutz der Frauen umfänglich einsetzen zu können. Außerdem kann politischer Druck und Lobbyarbeit Veränderungen auf gesetzlicher und gesellschaftlicher Ebene bewirken.

 

WochenSpiegel: An wen können sich betroffene Frauen wenden? Gibt es anonyme Hilfsangebote?

Angelika Mohr:

  • Von sexualisierter Gewalt betroffene Frauen, deren Angehörige und Unterstützungspersonen können sich an den Frauennotruf Trier (Tel. 0651-49777) wenden. Das Beratungs- und Unterstützungsangebot ist kostenlos und wird auf Wunsch anonym angeboten.
  • Das Frauenhaus Trier (0651 74444) bietet Wege aus der Gewalt. Gewaltbetroffene Frauen oder Unterstützungspersonen können sich kostenfrei und anonym beraten lassen. Betroffene Frauen finden Schutz im Frauenhaus, Unterstützung beim Aufbau eines Lebens ohne Gewalt und können nachgehende Beratung nach dem Aufenthalt im Frauenhaus in Anspruch nehmen.
  • Der Frauennotruf des Sozialdienstes katholischer Frauen Trier (SkF) (0651 9496 100) bietet kostenfrei und anonym Hilfen für Frauen in kritischen Lebenssituationen an, auch bei Bedrohung und Gewalt.
  • In Notsituationen ist es ratsam immer zuerst die Polizei anzurufen. Sie kann Maßnahmen ergreifen, um Frauen und ihre Kinder zu schützen. Die Interventionsstelle Trier nimmt nach einem Polizeieinsatz Kontakt mit den gewaltbetroffenen Frauen auf, wenn diese damit einverstanden sind und bieten eine Beratung in akuten Krisensituationen an, informieren über ihre rechtlichen Möglichkeiten und vermitteln bei Bedarf an weiterführende Hilfsangebote.
  • Das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" (116 016, auch online auf www.hilfetelefon.de) berät bundesweit rund um die Uhr kostenfrei und anonym betroffene Frauen, deren Angehörige und Unterstützungspersonen zu allen Formen von Gewalt, z.B. zu häuslicher und sexualisierter Gewalt, Stalking, Mobbing und Zwangsheirat. Mit Hilfe von Dolmetscherinnen ist eine telefonische Beratung in 17 Fremdsprachen sowie in Deutscher Gebärdensprache möglich.

 

Die Fragen stellte Julia Borsch

 


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