Andrea Fischer

Die spirituelle Dimension im Heilungsprozess

Trier/Region. Wandel im Gesundheitswesen: Jahrestagung sondiert Chancen und Herausforderungen der Klinik-Seelsorge

Die AG Sprecher*innen Steffen Stutz, Judith Pesch, Sabine Brühl-Kind, Markus Annen und Hermann-Josef Mayers mit Prof. Simon Peng-Keller (Mitte). Die Mitglieder der AG Sprecher*innen sind die Ansprechpersonen für die KH-Seelsorgenden in den jeweiligen Regionen Koblenz-Mittelrhein, Nahe-Hunsrück, Rhein-Wied-Sieg, Saarland, Trier. Auf dem Foto fehlt Carlo Fischer-Peitz.

Die AG Sprecher*innen Steffen Stutz, Judith Pesch, Sabine Brühl-Kind, Markus Annen und Hermann-Josef Mayers mit Prof. Simon Peng-Keller (Mitte). Die Mitglieder der AG Sprecher*innen sind die Ansprechpersonen für die KH-Seelsorgenden in den jeweiligen Regionen Koblenz-Mittelrhein, Nahe-Hunsrück, Rhein-Wied-Sieg, Saarland, Trier. Auf dem Foto fehlt Carlo Fischer-Peitz.

Bild: Julia Hennen

Wandel im Gesundheitswesen: Herausforderungen und Chancen für die Krankenhaus-Seelsorge

Wie auf den Wandel im Gesundheitswesen reagieren und die Krankenhaus-Seelsorge für die Zukunft fit machen? Das haben Krankenhaus-Seelsorgende aus dem Bistum Trier bei ihrer Jahrestagung Anfang Oktober im Robert-Schuman-Haus in Trier diskutiert. Den Gastvortrag hielt Prof. Simon Peng-Keller, Professor für Spiritual Care an der Universität Zürich.

Spiritual Care: Interprofessioneller Ansatz in der Gesundheitsversorgung

Spiritual Care steht für den interprofessionellen Einbezug spiritueller Aspekte in die Gesundheitsversorgung. „Gerade in kirchlichen Krankenhäusern gehörte Spiritual Care zur DNA”, sagt Peng-Keller. In den 1970ern habe es eine Umstellung von der Kranken-Seelsorge zur Krankenhaus-Seelsorge gegeben. Der Grundgedanke dahinter? „Die Seelsorge besucht nicht nur einzelne Kranke, sondern übernimmt systemische Verantwortung und beteiligt sich am Auftrag von Gesundheitsinstitutionen. Spiritual Care knüpft an diese Bewegung an”, erklärt der Professor, der von 2016 bis 2020 als Seelsorger im Kompetenzzentrum Palliative Care am Universitätsspital Zürich tätig war.

Veränderungsprozess als Chance: Flexibilität und Eigenständigkeit in der Seelsorge

Um auf neue Rahmenbedingungen wie etwa Schließungen von Fachabteilungen, Verkürzung von Liegezeiten, mehr ambulante und telemedizinische Versorgung, Nachwuchsmangel in Pflege und Seelsorge, Sparmaßnahmen und eine zunehmend weltanschaulich pluralisierte Gesellschaft adäquat zu reagieren, brauche es einen Veränderungsprozess, findet Steffen Stutz, Referent für Krankenhaus- und Klinik-Seelsorge im Bistum Trier. Dabei biete der Wandel durchaus Chancen: „Wir als Kirche haben einen besonderen Zugang zu Spiritualität und sollten diesen selbstbewusst im Bereich der Spiritual Care einbringen.” Krankenhaus-Seelsorgende seien dafür qualifiziert, die spirituelle Dimension des Heilungsprozesses zu unterstützen – laut Stutz „ein wesentlicher Auftrag der Kirche und ein unverzichtbarer Zweig im Gesundheitswesen.” Um als gleichwertige Partnerin wahrgenommen zu werden, müsse die Krankenhaus-Seelsorge sich als eigenständige Profession etablieren, interdisziplinär arbeiten und den Bereich der Spiritual Care weiter ausbauen. Um nicht den Anschluss an rasante gesellschaftliche Veränderungen zu verlieren, müsse die Kirche künftig schneller und flexibler reagieren.

Neue Zugangswege zur klinischen Seelsorge dringend erforderlich

Eines der Hauptprobleme ist laut Peng-Keller der Nachwuchsmangel, denn in den nächsten fünf bis zehn Jahren würden viele klinisch Seelsorgende in den Ruhestand gehen, ohne dass es für die freiwerdenden Stellen Nachfolger*innen gebe. „Es gäbe zwar durchaus Menschen, die sich für diesen Beruf interessieren. Doch ist der bisherige Ausbildungsweg über ein volles Theologiestudium und längere Gemeindearbeit für sie keine realisierbare Option. Es braucht unbedingt neue Zugangswege zum Berufsfeld klinischer Seelsorge.” Die Modelle dafür lägen bereits auf dem Tisch, es sei jedoch noch nicht absehbar, wann die Bistümer und kirchlichen Bildungseinrichtungen diese umsetzen.

Interreligiöse und interkulturelle Kompetenzen als Schlüssel für die Zukunft

Dabei dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass sich Seelsorge im Gesundheitswesen nicht an der Kirchenzugehörigkeit orientiere. Peng-Keller plädiert daher dafür, interreligiöse und interkulturelle Kompetenzen in der Seelsorgeausbildung stärker zu gewichten. Da Seelsorge im Gesundheitswesen im Wesentlichen Beziehungsarbeit sei, seien Seelsorgende darauf angewiesen, dass die Pflegefachpersonen und die Ärztinnen und Ärzte sie kennen und ihnen vertrauen. Doch: „Je gestresster das Personal und je höher die Fluktuation, desto schwieriger wird die seelsorgliche Arbeit.”


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