"Ewig Jung" - Gaudi in lauer Sommernacht
Vorher erlebten sie in zweieinhalb Stunden eine mitreißendes »Musikspiel«, das nur durch die teils sehr bissigen, manchmal frivolen Dialoge, unterbrochen wurde. Die Titel der Ohrwürmer der letzten 50 Jahre - von »Buona Sera« über »Scarborough Fair« und »Born to be wild« bis zu »I love Rock ´n´ Roll« inspirierten die Premierengäste zum Mitklatschen, -wippen und -singen. Lange gab es auf der Burgfestspielbühne nicht mehr so viel Szenenapplaus. Er war der gesanglichen Leistung der Akteure geschuldet, die es verstanden, den Spaß auf der Bühne perfekt ins Publikum zu bringen. Doch nicht nur das Vergnügen stand im Vordergrund. Es blitzten Rivalitäten auf, die stark überzogen und turbulent die gesamte Bühne einnahmen. Diese wurde in voller Breite - und manchmal auch Höhe - bespielt. Dabei hatte jeder der sechs Schauspieler auf Sessel oder Sofa seinen seniorengerechten Platz. Die bitterböse, ernste Note des Altwerdens brachte Fabienne Hesse als ansehnliche Krankenschwester mit ihren Songs zu Tod, Sterben, Verrecken und Röcheln rüber. Doch kaum hatte sie die Bühne verlassen, drehten die beliebten Schauspieler des Burgfestspielensembles (Lorenz Schirren, Barbara Köhler, Werner Schwarz, Astrid Vosberg, Georg Lorenz, Holger Queck am Piano), die sich selbst im Jahr 2056 spielten, so richtig auf. Da wurde gequiekt, getrunken, gekifft und gegrabscht. Sechs Akteure - vom Alt-Hippie in Cowboystiefeln und Lederjacke, Dandy im braunen Morgenmantel, Lady im kleinen Schwarzen, Perückenträgerin mit Strickjacke, Backenbartträger mit Windjacke bis zum Pullunderträger mit Schirmmütze - alles klischeehaft. Das statische Bühnenbild zieren Fotoportraits à la Andy Warhol mit den ehemaligen Intendanten, Joachim Heyse, Pavel Fieber, Peter Nüesch, der 2016 seine letzte Saison hatte und Daniel Ris, der ab 2017 die Geschicke der Burgfestspiele leitet. Mit »Ewig jung« hat Peter Nüesch einen weiteren Coup - nach vielen vorangegangenen - gelandet und wird in die Annalen der großen Mayener Intendanten eingehen. »Das Spiel aus« heißt es nicht nur für diesen Abend, sondern ist es auch für Nüesch, der nach zehn Jahren seinen Platz räumt und bestimmt eine Lücke hinterlassen wird. »Die ganze Welt ist eine Bühne, Frauen und Männer spielen, treten auf und wieder ab. Ein Leben lang spielt man Rollen«, lautet das (Lebens-)Fazit der Senioren, die überzeugt sind, dass man nur so alt ist, wie man sich fühlt. Nachdem bei der ersten Premiere des Sommers, »M. Butterfly«, die Standing Ovations ausblieben, setzten diese bei »Ewig jung« sofort mit dem Schlussakkord ein. Die Zuschauerinnen und Zuschauer sprangen von ihren Sitzen, klatschten und sangen »We shall overcome« mit. Wer eine ernsthafte Betrachtung über das Alter erwartet hatte, war fehl am Platz. Es war eine Gaudi, ohne großen Tiefgang in einer lauen Sommernacht. Einfach zum Genießen! Wer neugierig geworden ist, sollte sich seine Karten sichern: Bell Regional, Touristikcenter, 0 26 51 / 49 49 42 oder unter tickets@touristikcenter-mayen.de. www.mayen.de Fotos: Seydel