Michael Nielen

»Wir sind gekommen, um zu gehen«

Gemünd. Das Pilotprojekt der Interkommunalen Psychosozialen Unterstützung (IPSU), das in Gemünd den Betroffenen der Flutkatastrophe offenstand, läuft Ende Dezember aus. Ein Nachfolgeprojekt soll aber bereits im kommenden Jahr an gleicher Stelle starten.
Frank Waldschmidt (v.li.), Wolfgang Heidinger, Ingo Pfennings und Michaela Kratz zogen Bilanz und gaben einen kurzen Ausblick auf ein neues Projekt.

Frank Waldschmidt (v.li.), Wolfgang Heidinger, Ingo Pfennings und Michaela Kratz zogen Bilanz und gaben einen kurzen Ausblick auf ein neues Projekt.

Bild: Michael Nielen

Das Traumazentrum IPSU im Hilfszentrum Schleidener Tal, das seit Dezember 2021 flutbetroffene Menschen unterstützte, stellt seine Arbeit ein. Für das kommende Jahr wird ein Nachfolgeprojekt gestartet, das allerdings im Vergleich deutlich reduziert sein wird und den verbleibenden Bedarf von Hilfesuchenden abdecken soll.

»Irgendwann muss jeder Einsatz zu Ende gehen«, erklärt Frank C. Waldschmidt, Leiter der Psychosozialen Unterstützung der Malteser-Fluthilfe NRW. Ziel sei es, den Betroffenen nach der Flutkatastrophe nicht nur zu helfen, sondern sie auch zurück in den Alltag zu begleiten. Ähnlich sah das auch Wolfgang Heidinger, Bundesbeauftragter der Malteser-Fluthilfe. »Wir sind gekommen, um auzch wieder zu gehen.« Und Schleidens Bürgermeister Ingo Pfennings ergänzte: »Die Menschen müssen wieder in der Normalität ankommen. Das war von Anfang an unser Ziel.«

Die Notwendigkeit einer psychosozialen Unterstützung zeigte sich bereits in der Flutnacht im Juli 2021. »Betroffene, Einsatzkräfte, Helfer und Bürger waren stark traumatisiert«, erinnert sich Pfennings. Innerhalb weniger Tage wurden erste psychosoziale Hilfsangebote durch die Malteser und andere Organisationen eingerichtet. Bereits in den ersten vier Wochen wurden rund 2500 Interventionen durchgeführt.

Um den langfristigen Bedarf besser zu koordinieren, entstand auf Empfehlung von Waldschmidt eine Beratungs- und Koordinierungsstelle (BeKo). Im Dezember 2021 folgte die Einrichtung des Hilfszentrums Schleidener Tal als Gemeinschaftsprojekt der Stadt Schleiden, der Malteser, der Caritas, der Arbeiterwohlfahrt und weiterer Partner.

Das Zentrum bot eine breite Palette an Hilfen - von Unterstützung bei Anträgen bis hin zu Trauer- und Traumatherapien. Die Angebote wurden niedrigschwellig gestaltet, sodass Betroffene schnell Hilfe erhielten, ohne lange Wartezeiten oder weite Wege in Kauf nehmen zu müssen. Aufbauend auf diesen Hilfsangeboten wurde das Pilotprojekt IPSU im Hilfszentrum Schleidener Tal gestartet. Gefördert vom Land und mit finanzieller Unterstützung der Kommunen Schleiden, Kall und Hellenthal richtete sich das Projekt speziell an Menschen mit Traumata.

Ein Expertenteam aus Therapeuten, Psychologen und einer Psychiaterin bot Einzel- und Gruppentherapien an. Das Land NRW übernahm 90 Prozent der Gesamtkosten von knapp 600.000 Euro, die restlichen 60.000 Euro wurden von den beteiligten Kommunen getragen.

Die Bilanz des Projekts unterstreicht den Bedarf: Seit der Einrichtung des Hilfszentrums gab es bis Ende November 1277 Erstgespräche, 1568 niedrigschwellige Beratungen, 4188 stabilisierende Psychotherapien und 989 Seelsorge- und Traumatherapien, um nur einige Zahlen zu nennen. Das Café Lichtblick, ein Ort der Begegnung und des Austauschs, wurde von 1741 Menschen besucht. Rund drei Viertel der Hilfesuchenden waren dabei Frauen. »Es war nicht einfach, die Menschen dazu zu bringen, sich zu öffnen«, so Wolfgang Heidinger. Die enge Zusammenarbeit der Organisationen habe dabei vieles möglich gemacht.

Auch wenn das IPSU-Projekt endet, bleibt ein reduziertes Unterstützungsangebot erhalten. »Ein gewisser Bedarf besteht weiterhin«, so Heidinger. Ab Januar wird das Nachfolgeprojekt für ein Jahr fortgeführt. Details dazu sollen zeitnah vorgestellt werden.

Die Erkenntnisse aus dem Pilotprojekt werden vom Land NRW ausgewertet, um Lehren für zukünftige Katastrophenhilfen zu ziehen. Ingo Pfennings zieht ein positives Fazit: »Ich bin überzeugt, dass wir auch Suizide verhindert haben. Das Hilfszentrum war ein Leuchtturmprojekt für die Region.«


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