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Zwölf Stunden nach der Tat auf freiem Fuß

Samstagabend kurz vor 22 Uhr: Die Angestellte in der Cochemer Shell-Tankstelle hat in wenigen Minuten Feierabend, als ein junger Mann den Verkaufsraum betritt und unter Vorhalten eines Messers Geld fordert. Es dauert nur wenige Minuten bis bei ihm die Handschellen klicken. Zwölf Stunden nach der Tat ist er aber wieder auf freiem Fuß...

Er sieht aus wie ein "normaler" Jugendlicher, der noch kurz vor der Schließung einen Energydrink oder eine Schachtel Zigaretten kaufen möchte. Doch Sekunden später entpuppt sich der unmaskierte Mann als bewaffneter Räuber. Er hält ein Messer in der Hand und fordert Geld. Die verängstigte Kassiererin erklärt ihm, dass sie kein Bargeld aushändigen kann, da die Kassenanlage nicht zu öffnen ist. Nach wiederholter erfolgloser Aufforderung lässt der Täter von der Angestellten ab, greift ins Regal, nimmt sich zwei Flaschen Wodka und rennt aus der Tankstelle. Das Opfer informierte umgehend die Cochemer Polizei, die nur wenige hundert Meter entfernt ihre Wache hat. Der Tatverdächtige kann schließlich noch in unmittelbarer Nähe zum Tatort an der Cochemer Moselpromenade durch eine Streife erkannt und festgenommen werden. Wodka und Messer wurden aufgefunden und sichergestellt. Schnell stellt sich heraus, dass es sich bei dem Täter offenbar nicht um einen Profi handelt. Dafür spricht nicht nur das dilettantische Vorgehen oder das unmaskierte Gesicht, sondern auch der alkoholisierte Zustand bei der Tat. Am Sonntag wurde der 20-Jährige, der aus dem Kreis Cochem-Zell stammt, beim Amtsgericht Koblenz dem Haftrichter vorgeführt. Dieser erließ zwar Haftbefehl wegen Fluchtgefahr, setzte diesen aber direkt gegen Meldeauflagen außer Vollzug. Sprich, der Tatverdächtige kam auf freien Fuß! Oberstaatsanwalt Rolf Wissen auf Anfrage des WochenSpiegel: »Der Beschuldigte hat einen festen Wohnsitz und feste familiäre Bindungen. Er besucht eine Schule zur Erreichung des Fachabiturs. Es ist nicht auszuschließen, dass Reifeverzögerungen bei dem heranwachsenden Beschuldigten vorliegen und er deshalb noch nach Jugendstrafrecht verurteilt werden kann.« Der Kommentar von Mario Zender
Ein Räuber überfällt am Samstagabend eine Tankstelle in Cochem. Der mit einem Messer bewaffnete Täter bedroht die Kassiererin und fordert Bargeld. Die Frau kann ihm keins geben, die gesicherte Kassenanlage kann nicht geöffnet werden. Schließlich flüchtet der Mann. Die Polizei schnappt ihn unweit vom Tatort. Am Sonntag wird er in Koblenz dem Haftrichter vorgeführt. Auf schweren Raub mit einer Waffe steht laut Strafgesetzbuch eine Mindest-Freiheitsstrafe von fünf Jahren. Der Tatverdächtige, bei dem das Messer und zwei geraubte Flaschen Wodka gefunden wurden, marschierte keine zwölf Stunden später aus dem Polizeigewahrsam nach Hause. Der zuständige Haftrichter hat den Haftbefehl unter Auflagen außer Vollzug gesetzt. Unfassbar! Was soll das Opfer denken, wenn es dem mutmaßlichen Räuber in den nächsten Tagen in Cochem über den Weg läuft? Solche Entscheidungen der Justiz sorgen für Frust in der Bevölkerung. Steuerhinterzieher werden verfolgt wie Schwerstkriminelle und einen bewaffneten Räuber setzt man keine zwölf Stunden nach der Tat wieder auf freien Fuß! Sicherlich keine Entscheidung im »Namen des Volkes«… Mail an den Autor: mariozender@wvm-verlag.de Video: Thielen


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