»Sowas tut richtig, richtig weh«
Cochem. Das Zeller »Klinikum Mittelmosel« soll im kommenden Jahr geschlossen werden. Diese Hiobsbotschaft sorgt für großen Unmut in der Bevölkerung. In der Kritik steht auch Landrätin Anke Beilstein (CDU). Im Interview hat die Kreischefin uns ausführlich Rede und Antwort gestanden.
WochenSpiegel: Das Zeller Krankenhaus wird im kommenden Jahr geschlossen. Diese Nachricht hat bei der Bevölkerung im Kreis Cochem-Zell für viel Ärger und Enttäuschung gesorgt. Wie haben Sie ganz persönlich diese Stimmung wahrgenommen?
Anke Beilstein: Die Schließung des Zeller Krankenhauses ist ein herber Verlust für die Menschen im Landkreis und treibt mich nach wie vor um. Denn die medizinische Versorgung sehe ich als ganz entscheidende Daseinsvorsorge. Die Trauer und Emotionen der Menschen kann ich nachvollziehen. Mir ging es nicht anders, als ich erkennen musste, dass die Schließung nicht zu verhindern ist. Deshalb war ich auch zu Beginn der Mahnwachen vor Ort, um zu informieren, Fragen zu beantworten und mitzuteilen, dass ich weiterkämpfen werde, um gerade im Notfallbereich Verbesserungen herbeizuführen.
WochenSpiegel: Kritik wurde auch an ihrer Person laut. Insbesondere darüber, dass über Monate Verhandlungen geführt wurden und niemand davon wusste – noch nicht einmal die Mitglieder des Kreistages. Recherchen unserer Zeitung brachten diese Tatsache an die Öffentlichkeit. Was sagen Sie zu dieser Kritik?
Anke Beilstein: Als die Träger beider Krankenhäuser Ende letzten Jahres auf mich zukamen, um mich über erhebliche Finanzierungs- und Liquiditätsprobleme zu informieren, war ich völlig entsetzt. Gerade erst ein paar Wochen im Amt, kamen die großen Herausforderungen alle auf einmal: die Umsetzung des neuen ÖPNV, Kostensteigerungen ohne Ende im Kita- und Sozialbereich, das Riesenloch im Haushalt – und dann noch die Nachricht, dass wir beide Krankenhäuser im Kreis verlieren könnten. Das war hart. Für mich war klar, dass ich da nicht tatenlos zuschauen wollte, auch wenn der Landkreis im Grunde genommen ja keine Entscheidungskompetenz hat. Es gab zwei Möglichkeiten: Entweder die Chance ergreifen und versuchen, beide Krankenhausträger, Kostenträger, Gesundheitsministerium und Kassenärztliche Vereinigung an einen Tisch zu bekommen, um auszuloten, was noch geht, oder die Sache einfach laufen zu lassen und mich dann, wenn es zu spät ist, über medienwirksame Aufschreie persönlich in ein gutes Licht zu setzen. Meine Einstellung ist, dass in solch schwierigen Situationen Verantwortung und Haltung gefragt sind und nicht die Frage von einer »guten äußeren Erscheinung«. Eine Publikation der wirtschaftlichen Lage beider Krankenhäuser hätte das Risiko gehabt, dass aus zwei kranken Patienten ganz schnell zwei todkranke geworden wären, weil solche Nachrichten erfahrungsgemäß eine große Verunsicherung auslösen, Fachpersonal sich dann anderweitig orientiert und der Prozess der faktischen Schließungen gleich an zwei Häusern eingeleitet wird. Das wollte ich auf jeden Fall vermeiden. Mit dem heutigen Wissen ist mir klar, dass das Ziel, beide Krankenhäuser halten zu wollen, eine »Mission impossible« war. Eine Landrätin ändert weder die gesetzliche Grundlage für das chronisch unterfinanzierte Gesundheitswesen, noch hat sie Einfluss auf Trägerentscheidungen. Ich habe Vorschläge gemacht, wie zum Beispiel das Zusammenlegen unter einer Trägerschaft, eine gemeinsame Trägerschaft oder eine Krankenhausgesellschaft unter Beteiligung des Landkreises. Alle waren jedoch der Meinung, dass in Anbetracht der aktuellen und zukünftig gewollten politischen Ausrichtung im Gesundheitswesen solche Ideen nicht tragfähig sind und höchstens ein Krankenhaus eine Überlebenschance hat. In Anbetracht der strukturellen Probleme im Gesundheitswesen hat auch niemand eine finanzielle Überbrückungshilfe als sinnvoll angesehen. Ein Gutachten von außen war nicht gewünscht, weil es ohnehin keine bindende Steuerungsfunktion gegenüber den Trägern entfalten kann. Das war schon sehr ernüchternd.
Gerade weil ich alles versucht habe, treffen mich falsche Narrative daher sehr und gehen mir auch unter die Haut. Sowas tut richtig, richtig weh! Dem Ältestenrat des Kreistages habe ich am 12. August die Gründe für die bis dahin vertraulichen Gespräche erläutert. Er hat dieser Vorgehensweise ausdrücklich zugestimmt und mir zudem das Vertrauen ausgesprochen, diese Gespräche fortzuführen.
Mir ist es wichtig, dass die Menschen sich ein allumfassendes Bild von der Sachlage machen können. Daher fand der erste Kreistag vor Ort in Zell in der großen Stadthalle statt. Träger, Gesundheitsminister, Kostenträger und Kassenärztliche Vereinigung berichteten und standen Rede und Antwort. Ich war und bin auch weiterhin im Gespräch mit Menschen, habe die Mahnwache besucht. Der komplette Tagesordnungspunkt zu dieser Kreistagssitzung wird für jeden nachlesbar auf unserer Homepage veröffentlicht.
Es gibt keinen Mangel an Informationen seitens des Landkreises, allerdings schützt das nicht davor, dass Menschen in ihrer Emotionalität unterschiedliche Wahrnehmungen haben und sogar Fakten in Frage gestellt werden.
WochenSpiegel: Das Zeller Krankenhaus wird geschlossen. Was wurde denn konkret von Ihnen in den Verhandlungen erreicht?
Anke Beilstein: Aufgrund der massiven Liquiditätsprobleme beider Krankenhäuser konnte ich in den Verhandlungen eine kurzfristige Liquiditätssicherung bis zum 31.12.2024 erreichen und somit eine vorschnelle Schließung beider Krankenhäuser verhindern.
Ein weiteres Ergebnis – bei aller Bitterkeit hinsichtlich der Schließung von Zell – ist, dass mit Cochem ein Krankenhaus im Landkreis erhalten bleibt und beide Träger zukünftig stärker miteinander kooperieren wollen. Positiv ist auch, dass in Zell nicht einfach die Schlüssel umgedreht werden, wie dies vielerorts gerade geschieht. Das aktuelle MVZ soll in seinen ärztlichen Angeboten erweitert werden, Herzkatheterlabor, Radiologie, BG-Ambulanz und OP werden weiter betrieben, es entsteht eine Kurzzeitpflege mit 40 Betten sowie ein Hospiz. Außerdem hat meine Hartnäckigkeit in Sachen Notfallversorgung bewirkt, dass wir die Zusage für einen zusätzlichen Rettungswagen erhalten haben.
WochenSpiegel: Was kann beziehungsweise sollte nun noch erreicht werden?
Anke Beilstein: Natürlich hätte ich mir gewünscht, dass es auch in Zell weiterhin ein stationäres Angebot gibt und habe mich bis zuletzt in diesem Zusammenhang für eine 24/7-Notfallversorgung eingesetzt. Dies war jedoch in den Verhandlungen nicht durchsetzbar, weil es den Bedarf aus Sicht der Kostenträger und des Gesundheitsministeriums aufgrund der geringen Fallzahlen nicht gibt. Meine Meinung ist: Jeder Mensch hat nur ein Leben. Daher ist es meine feste Überzeugung, dass eine gute Versorgung in akuten Notfällen, wie beispielsweise Herzinfark-ten oder Schlaganfällen, gesichert sein muss. An diesem Thema werde ich dranbleiben.
Was man sonst noch erreichen müsste? – Ein konstruktives Miteinander vor Ort! Mir imponiert der Kampfgeist der Menschen. Aber ich frage mich die ganze Zeit, warum sie diese Kraft nicht dort einsetzen, wo Ursache und Verantwortung für das chronisch unterfinanzierte Krankenhauswesen liegen? Das ist nicht in Zell und auch nicht in Cochem, sondern in Mainz und in Berlin.
Ich würde mir ein gemeinsames zielgerichtetes Vorgehen mit vereinten Kräften wünschen. Meine Tür steht da offen für den Austausch und Überlegungen jeder Art.
WochenSpiegel: Was haben Sie getan, als die Schließung feststand? Ein »weiter so« kann es ja nicht geben. Die Menschen im Zeller Raum brauchen medizinische Sicherheit, insbesondere bei den Themen Schlaganfall und Herzinfarkt.
Anke Beilstein: Die Strukturen in der Notfallversorgung, im Rettungswesen müssen insgesamt, auch kreisübergreifend, angepasst werden. Deshalb bin ich umgehend diesbezüglich aktiv geworden, habe Gespräche mit Notfallmedizinern und der zuständigen Rettungsdienstbehörde Mayen-Koblenz geführt. Darüber hinaus habe ich mich an Gesundheitsminister Hoch gewandt und verlässliche, detaillierte Fallzahlen zu stationären Notfällen angefordert. Da für das Thema »Notfallversorgung« das Innenministerium zuständig ist, habe ich mich auch an Innenminister Ebling gewandt und, über den bereits von Gesundheitsminister Hoch zugesagten Rettungstransportwagen hinaus, auch den Einsatz eines zusätzlichen Helikopters am Standort Zell beziehungsweise den Einsatz von nachtflugtauglichen Helikoptern gefordert. Ich weiß, dass dies technisch kein Problem ist. Da die Luftrettung überregional geplant werden muss, habe ich auch die Landräte der benachbarten Landkreise diesbezüglich um Unterstützung gebeten. Außerdem habe ich das Gespräch mit beiden Krankenhausträgern gesucht und unter anderem um Prüfung gebeten, inwieweit beispielsweise die Erweiterung des kardiologischen Angebots am Marienkrankenhaus Cochem möglich, sinnvoll und realisierbar ist.
Auch die Auswertung der Einsatzzahlen im Bereich Rettungswesen läuft derzeit auf meine Veranlassung hin, um auf Basis von fundierten Zahlen und Fakten eine bedarfsgerechte Planung und Anpassung der Strukturen vornehmen zu können.
WochenSpiegel: Sie sind seit einem Jahr im Amt. In dieser Zeit wurden Sie mit drei außergewöhnlichen Ereignissen konfrontiert: einem riesigen Schuldenberg, einem Bus-Desaster mit täglich zahlreichen Leerfahrten und nun der Schließung des Zeller Krankenhauses. Haben Sie nicht manchmal gedacht, Sie wären besser Landtagsabgeordnete geblieben?
Anke Beilstein: Mein Leben wäre sicher wesentlich einfacher gewesen. Aber ich habe mich dazu entschieden, Verantwortung für meine Heimat zu übernehmen – nicht nur für schöne Zeiten, sondern auch dann, wenn es schwierig wird. Dazu stehe ich auch weiterhin. Ich bin ein Kämpfertyp und kann ganz schön hartnäckig sein – vor allem, wenn’s um unseren Landkreis geht. Meine Heimat war und bleibt mein Antrieb für diesen Job. (Die Fragen stellte Mario Zender)