Die Überzeugungstäterin
Cochem. Gegen die angeblich auf dem Fliegerhorst Büchel lagernden Atomwaffen wird immer wieder demonstriert. Wer sind diese Demonstranten? Wir haben den Prozess gegen eine 71-jährige Rentnerin aus Nordrhein-Westfalen verfolgt. Ria Makein stand deshalb nicht zum ersten Mal vor Gericht.
Von Mario Zender
Cochem. Sie kämpfen für eine eigentlich gute Sache. Nur sind die Mittel, die sie auswählen, nach Meinung des Staatsanwaltes die falschen. Ria Makein ist 71 Jahre alt. Ihr Leben lang hat die rüstige Rentnerin gearbeitet, zuletzt als Kindergartenleiterin. Ihren Ruhestand verbringt die Frau jedoch nicht mit Büchern, Hand- oder Gartenarbeit, wie andere Frauen das in ihrem Alter tun, um den Alltag ruhig anzugehen. Ria Makein hat es sich zur Aufgabe gemacht, etwas für diesen Planeten zu tun. Sie versucht mit einem »möglichst kleinen ökologischen Fußabdruck« zu leben. Nach eigenen Angaben ernährt sie sich vegan, fährt die meisten Strecken mit ihrem Fahrrad, trägt ihre Kleidung viele Jahre und versorgt ihr Haus über eine Photovoltaikanlage mit Energie.
So schont sie nach eigenen Angaben Ressourcen und trägt aktiv zum Umweltschutz bei. Noch intensiver setzt sich die Rentnerin seit ihrem 29. Lebensjahr für eine andere Überzeugung ein: den Kampf gegen Kriegswaffen, insbesondere gegen Atomwaffen. »Als ich mit 29 Jahren darauf aufmerksam gemacht wurde, dass wir auf einem Pulverfass leben und mit dem sogenannten NATO-Doppelbeschluss eine weitere Lunte gelegt werden sollte, begann ich darüber nachzudenken, für welche Zukunft ich diese Kinder vorbereite. Eine Zukunft unter der atomaren Bedrohung wollte ich nun vermeiden helfen. Ich begann zu protestieren«. Dieser Protest führte sie über die Jahre an viele Standorte, wo Kriegswaffen und Atomwaffen eine Rolle spielen. Etwa die Großdemos in Bonn 1981 und 1983, Blockaden in Mutlangen, wo Pershing II stationiert werden sollten, und dort kam es auch zu den ersten »Einstiegen« in Militärgelände mit folgenden Gerichtsverhandlungen. In den Jahren 1991 und 1994 saß sie deshalb sogar im Gefängnis. Als von der US-Airbase in Frankfurt Militärflüge in den Irak starteten, wollte sie auch dagegen ein Zeichen setzen.
»Im Dezember vor Beginn der Offensive flog ich mit der Initiative Frieden am Golf nach Bagdad. Die Idee war, sich gegen die zurückgehaltenen Europäer dort auszutauschen, um das Argument der »Geiselbefreiung“ zu entkräften.« So sollte nach Meinung von Ria Makein ein weiterer Angriff der USA auf den Irak verhindert werden. Weil die heute 71-Jährige nicht möchte, dass mit ihren Steuergeldern Kriege finanziert werden, hat sie sich in der Vergangenheit schon öfter mit dem Finanzamt angelegt. »Somit habe ich seit 1985 beim Finanzamt dagegen Klage eingelegt und das Finanzamt mehrmals verklagt. Dies führte natürlich nicht zum Erfolg, sodass ich dem Finanzamt vor einigen Jahren mitteilte, nicht mehr mit ihm zusammenarbeiten zu wollen.« Seitdem geht jeder Brief vom Amt mit »Annahme verweigert« zurück, und sie muss jederzeit mit der Pfändung ihres Kontos rechnen. Dabei ist sie nicht gegen den Staat, sondern ihm sogar sehr dankbar. »Ich konnte dann dank BAföG in Düsseldorf Sozialpädagogik studieren. Dafür bin ich diesem Staat sehr dankbar und befürworte einen starken Staat zur Erfüllung aller seiner sozialen Aufgaben.« Ausgesprochen dankbar ist sie den jugendlichen Protestierern von »Fridays for Future«, dass sie mit ihren Demonstrationen den Ressourcenverbrauch der reichen Länder skandalisieren und sich für echte Klimapolitik einsetzen. Dem steht nun das Einüben von Panzerfahrten und Bombenflügen deutlich entgegen. »Eine Flugstunde dieser Tornados kostet so viel wie ein Jahresgehalt einer Erzieherin im Kindergarten. Wie viel Energieverbrauch und Umweltvergiftung sind gleichzeitig damit verbunden?« Ein besonderer Dorn im Auge sind Ria Makeins Atomwaffen. Deshalb fährt sie immer wieder mit Gleichgesinnten die rund 130 Kilometer von ihrem Wohnort Bedburg nach Büchel, dort, wo angeblich US-Atombomben lagern. So war es auch am 8. Mai letzten Jahres. »Wir haben am 8. Mai ganz bewusst am Tag des Kriegsendes des 2. Weltkrieges, in Büchel in der Eifel gegen die dort gelagerten Atombomben protestiert«, so Ria Makein.
»Am 8. Mai sind wir als Gruppe von sieben Menschen ins Militärlager in Büchel gelaufen. Ja, in der Tat: Wir sind durch das offene Tor reingegangen und so weit wie möglich an den Wachleuten vorbei, die uns natürlich hindern wollten. Zwei Personen von uns sind tatsächlich bis zur Baustelle vorgedrungen, um den Bauarbeitern dort bewusst zu machen, woran sie beteiligt sind«, erzählt Ria Makein. »Es erfolgte die Anzeige wegen Hausfriedensbruchs.« Sie habe ganz bewusst den 8. Mai für ihre Tat gewählt, den Tag des Kriegsendes des Zweiten Weltkrieges. An diesem Tag wollte sie in Büchel in der Eifel gegen die dort gelagerten Atombomben protestieren, indem sie aufs Gelände gegangen sei. »Dort wird zurzeit die Landebahn ausgebaut, damit moderne Jagdbomber dort starten und landen können. Dies ist ein weiterer Schritt zur Vorbereitung des Atomkrieges, den wir alle nicht überleben werden.« Dass sie keine »normale« Straftäterin sei, versuchte Ria Makein der Richterin am Amtsgericht Cochem zu verdeutlichen. Dort wurde ein Strafbefehl erlassen, gegen den Ria Makein Einspruch einlegte. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft forderte in der Hauptverhandlung nun 60 Tagessätze à 50 Euro als Geldstrafe. Diesem Antrag entsprach auch die Richterin und verurteilte die Aktivistin wegen Hausfriedensbruchs. Gegen das Urteil will Ria Makein Einspruch einlegen. Sollte es rechtskräftig werden, wird sie wieder ins Gefängnis gehen. Denn die Geldstrafe zahlt sie nicht. »Ich gehe mit gutem Gewissen ins Gefängnis«, so die 71-Jährige.