Adler »fliegt« nicht mehr +++Mit Video++++
Von Mario Zender
Jürgen Adler könnte schon seit vielen Jahren seinen Ruhestand genießen. Seit 1985 war der Mediziner als Hausarzt im Hunsrückort Blankenrath tätig, bis er 2014 die Hausarztpraxis schloss. Seine Notarzttätigkeit setzte er aber weiter fort. »Mir war die schnelle Hilfe für die Menschen der Region wichtig«, so Adler im Gespräch mit dem WochenSpiegel. Zu bis zu 450 Einsätzen wurde Adler im Jahr gerufen. Und das nicht nur im Kreis Cochem-Zell, die Leitstelle schickte ihn auch zu Einsätzen in den Rhein-Hunsrück-Kreis. Dabei ist Adler ein absoluter Exot unter bundesdeutschen Notärzten.
Denn nicht nur wegen seines Alters, sondern auch wegen des Umstands, dass er sogar seinen Notarztwagen - samt Blaulicht und Ausstattung, wie mobiles EKG-Gerät - aus eigener Tasche bezahlte. Rund 140 000 Euro kostet so ein voll ausgestatteter Notarztwagen. Die Kosten »schluckte« Adler, denn für ihn ist - wie er selbst sagt - »sein Beruf auch gleichzeitig sein Leben«. Wenn der Piepser an seinem Bett ihn nachts um 3 Uhr aus dem Schlaf riss, saß er ohne Groll drei Minuten später in seinem Notarztwagen. »Für mich war klar, dass ich da bin, wenn ich gebraucht werde.« Dass er gebraucht wird, zeigt die hohe Anzahl an Einsätzen. Die sind in den vergangenen Jahren immer mehr angestiegen.
»Als ich 1985 anfing, waren es 60 Einsätze im Jahr und es wurden ständig mehr.« Im vergangenen Jahr registrierte Adler 450 solcher Alarmierungen. Meist war der engagierte Notarzt an sechs Tagen in der Woche einsatzbereit. »Nur einen Tag habe ich mich meist abgemeldet, ich wollte eine Nacht mal durchschlafen«, schmunzelt der 71-Jährige. Viele Erinnerungen bleiben ihm aus seinen 36 Jahren als Notarzt im Kreis. So etwa die besonders schlimmen Unglücke der vergangenen Jahre, wie ein abgestürzter Planwagen oder zwei Flugzeugabstürze.
Besonders hat Jürgen Adler noch den Tod eines kleinen Jungen, der an einem Herzfehler litt, in Erinnerung. Dieser war Patient in seiner Hausarztpraxis und morgens war er noch wegen einer Erkältung bei Adler. Nachts wird er über die Leitstelle alarmiert und zu einem Notfall gerufen. Es war der kleine Junge vom Morgen, der an den Folgen des Herzfehlers verstorben war. »Wir haben noch über eine Stunde versucht, mit Herzmassage ihn zurückzuholen. Leider ohne Erfolg.« Nach solchen Situationen sind bei dem Mediziner, wie er selbst »gesteht«, auch schon mal ein paar Tränen geflossen. »Solche Ereignisse beschäftigen einen schon sehr«, so Adler.
Wie vielen Menschen er etwa bei Unfällen oder medizinischen Notfällen das Leben gerettet hat, kann Adler nicht sagen. »Ich führe darüber keine Statistik, aber es werden einige sein.« Und die haben sich oftmals bei Adler für seine schnelle Hilfe bedankt. »Das kam immer wieder vor. Manchmal war es ein Dank am Telefon, mal ein Strauß Blumen oder eine Flasche Wein.« Doch das war für Adler nicht entscheidend. Für den 71-Jährigen war die schönste »Auszeichnung« und Dank, wenn es den Patienten wieder gut geht. »Wenn ich einem auf der Straße begegne, den ich als Notarzt versorgt hatte, war das ein gutes Gefühl.«
Doch mit dem guten Gefühl soll langsam Schluss sein. Zum 30. Juni hat er seinen Vertrag als Notarzt gekündigt. »Irgendwann muss ja mal Schluss sein«, sagt Adler. Die Frage nach dem Warum weicht er aber etwas aus. »Ich bin schon älter und ich will endlich meine Eisenbahn fertig bauen, an der ich seit zehn Jahren dran bin.«
Auf Nachfrage »gesteht« Adler aber auch, dass es einen privaten Grund für das »weniger Arbeiten« gibt. Sieben Jahre nach dem plötzlichen Tod seiner Ehefrau, hat Adler im Alter nochmal ein neues Liebesglück gefunden. Und wie der Zufall es will, ist seine neue Partnerin auch im Rettungsdienst tätig. Für Adler ein schöner Zufall. Wenn am heutigen Mittwoch der letzte offizielle Tag als Notarzt im Kreis ist, kann es zukünftig dennoch sein, dass Adler zu einem Einsatz fährt. »Ich möchte auch zukünftig ab und zu helfen, wenn ich gebraucht werde, etwa tageweise als Aushilfsnotarzt.«