Kein Stress für Tiere

Tierliebe und Fleischverzehr... unvereinbar? - Bauernrebell fordert: "Es ist Zeit für glückliche Tiere!"

Immer mehr Menschen ernähren sich vegetarisch oder sogar vegan. Die Hauptgründe: Verbraucher wollen nicht mitschuldig an Tierelend sein und sich gesünder ernähren. Wie Fleischgenuss ganz anders gehen kann, erläutert der schwäbische »Rinderflüsterer«. Idylle pur: eine grüne Wiese, auf der Kühe, Bullen und Kälbchen ihr Verdauungsschläfchen halten. Ein Bauer steht seelenruhig mittendrin, er hält locker eine Flinte in der Hand. Irgendwann kippt eine der dösenden Kühe zur Seite und bleibt reglos liegen, während die anderen ungerührt weiterkäuen. Kein panisches Muhen zu hören, kein Blut zu sehen und dennoch die Schlachtung eines Nutzviehs, das zum Ausbluten noch auf der Weide in eine mobile, EU-zertifizierte Box gehievt wird. »Wir sind kein Streichelzoo«, korrigiert der Bauer, Hermann Maier aus dem schwäbischen Balingen-Ostdorf, allzu romantische Loblieder auf seine ungewöhnliche Art, Fleisch für den menschlichen Verzehr zu erzeugen.

Uria leben urig

Im Jahr 1986 stoppt Maier nach Unfällen mit Schäden für Mensch und Tier beim Verladen der schlachtreifen Rinder die Transporte zum Schlachthof. Mehr als 15 Jahre dauert sein Kampf mit den Behörden, bis er die Tiere jägerisch auf der Weide betäuben und töten darf. In dieser Zeit gerät der Bioland-Hof mit mehr als 70 Hektar Weideland an den Rand des finanziellen Ruins – die Herde, die Maier frei nach den wilden Auerochsen »Uria« nennt, jedoch wächst auf etwa 260 ganzjährig im Freien lebende Tiere an, so dass weiteres Land hinzugepachtet werden muss. Wissen um Werte Seit seinem Erfolg gegen dem Amtsschimmel strömen Fernsehteams und Reporter aus ganz Europa, Zoologen und Tierfreunde zuhauf an die Maierschen Weidezäune und auf den Hof. Hermann Maier wurde zum »Rinderflüsterer« ernannt und schrieb ein Buch. Denn seine Tiere verhalten sich deutlich anders als solche, deren natürlicher Familienverband zerstört wird oder die aufgestallt sind. Die Entspannung der Vierbeiner steckt an: Am Wochenende stehen Porsche und Mercedes aus Stuttgart auf dem Feldweg Schlange… die Großstädter wollen glückliche Kühe gucken. Hermann Maier seinerseits will den Bauern zeigen, dass derart natürliche Fleischerzeugung nicht nur den Tieren, sondern auch den Menschen Gutes tut.

Maier auf Tour

Darum geht er auf Tour, zum Beispiel in die Eifel, wo Landwirtschaft eine ähnlich große Rolle spielt wie in seiner Heimat. »Es ist eine sehr realistische Weise des Wirtschaftens« betont er, »auch für konventionelle Höfe und nicht nur für Bioerzeuger.« Das Fleisch seiner Tiere erzielt deutlich höhere Preise als herkömmliches und wird auch von vielen Gourmetköchen verarbeitet. »Einerseits berühre ich ein Tabuthema, wenn ich vor Kollegen rede, andererseits ist spürbar: Viele wünschen einen schonenderen Umgang mit ihren Tieren.« Maiers nächstes Uria-Projekt: keine Ohrmarken mehr, die oft ausreißen und zu Verletzungen führen, stattdessen eine Kennzeichnung ausschließlich mit Chips. ako Termin: Hermann Maier kommt am 24. April um 15 Uhr ins Kunstkabinett auf den Hasenberghof zwischen Kronenburg und Dahlem. Eintritt frei. Weitere Infos: www.uria.de; www.axe-stiftung.de   Foto: FF Was sagen Experten in der Eifel und im Moselland? Wir haben nachgefragt.

Was in Baden-Württemberg schon funktioniert, könnte Einzug auf die Speisekarten und in die Supermarktsortimente der Region Trier halten. Experten finden das Angebot klasse.

Prüm / Wittlich / Piesport. Wer online im Uria-Shop surft, hat ein handfestes Aha-Erlebnis: Da kostet feinstes Filetfleisch mehr als 70 Euro pro Kilo oder ein Kilo Steak etwa die Hälfte davon. Klar, dass da manch einem schwindlig wird, der beim Discounter nur einen Bruchteil dafür ausgibt. Aber klar ist auch, dass Fleisch von Rindern, die so leben und sterben wie die Tiere von Hermann Maier, nur von Menschen gegessen wird, die Fleisch oder Wurst nicht als alltägliches und möglichst billiges Grundnahrungsmittel betrachten. Diese Menschen glauben: Fleisch ist ein Ausnahmegenuss, der bewusst konsumiert werden sollte. Kann auch in der Eifel und im Moselland funktionieren, was auf der für Sparsamkeit berühmten Schwäbischen Alb klappt? Die Voraussetzungen sind gut: Städte mit anspruchsvollen Verbrauchern ringsum, mittelständische Händlerstruktur und viele Feinschmeckerrestaurants, die auch von Touristen aufgesucht werden.

Bungert: für das Premiumsegment

Was sind die Voraussetzungen, um eine Uria-ähnliche Tierhaltung und Fleischerzeugung auch hier zu verwirklichen? Matthias Bungert, geschäftsführender Gesellschafter des gleichnamigen Kaufhauses in Wittlich, ist überzeugt: »Es wäre auch in unserem Interesse, ein solches Premiumprodukt in unserem Sortiment anbieten zu können. Wichtig dabei wäre eine vollständige Transparenz, von der Genetik der Rasse über die Haltung, Fütterung und Schlachtung/Zerlegung bis hin zum Transport. Eine Art Lastenheft, in dem die einzelnen Schritte dokumentiert werden, wäre elementar. Des Weiteren würde ein solches Produkt ein auf Qualität und Transparenz ausgerichtetes Marketingprogramm zur Verkaufsunterstützung benötigen. Ein exklusiver Verkauf in ausgesuchten Premium-Metzgereien und Restaurants würde die Wertigkeit der Marke betonen, was sich auch im Preis des Produktes widerspiegeln könnte und müsste.

Sternekoch: Idee fantastisch

Auch Sternekoch Thomas Schanz aus Piesport gibt sich prinzipiell offen: »Ich finde die Idee fantastisch und wäre interessiert, dieses regionale Produkt zu beziehen. Eine Grundvoraussetzung gibt es jedoch: Wie bei all meinen verwendeten Produkten muss die Qualität auf dem Teller schlussendlich hervorragend sein.«

Regionalmarke Eifel: realistische Chancen

Arndt Balter, Produktmanager der Regionalmarke Eifel, sieht in der schlachthoflosen und ganzjährig natürlichen Fleischerzeugung ebenfalls realistische Chancen: »Schätzungsweise 20 Prozent der Verbraucher, die Wert auf regionale Erzeugnisse legen, wären bereit, für Fleisch von frei lebenden Tieren ohne Transportstress mehr Geld auszugeben. Die Hochpreisigkeit schreckt solche Konsumenten erfahrungsgemäß nicht ab.« Als exklusive Spezialität könnte also Eifeler Uriafleisch auch Teil der Regionalmarke werden. „Mit Fleisch vom deutschen Weideschwein aus Kommern, das ebenfalls weitgehend natürlich lebt, gibt es sehr gute Erfahrungen, warum nicht auch mit Fleisch vom Rind?" ako

Kommentar von Stephanie Baumann

Massentierhaltung und ein gutes Tierleben gelten als Gegensätze. Zu Recht! Es gibt kein artgerecht produziertes Fleisch, denn artgerecht ist nur die Freiheit. Aber es gibt Unterschiede. Uria zum Beispiel macht diesen Unterschied und offeriert ein Premium-Angebot, für das Experten auch bei uns einen Markt sehen. Entscheiden darf der Verbraucher selbst. Letztendlich geht es dabei nicht um Geld und Ressourcen, sondern um Achtung, Wertschätzung und Maß.

stephaniebaumann@tw-verlag.de


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