gepostet von Julia Borsch

Omas Kiddelschierz - ein Zeitbild von 1955 

Region. Einen weiteren Beitrag der Reihe "Eefeler Verzellcher" liefert Eifelautor Joachim Schröder.

Bild: Archiv Joachim Schröder

Sie war Allzweck-Utensil, Wundertüte, Tragetasche, Tränenkissen, "Lepp zum Anhängen" und noch viel mehr: Oma Kätchens Kiddelschierz. Kittelschürze also - jenes Textil, das jede Hausfrau tagein, tagaus früher bei der Arbeit trug, sozusagen ihre Berufskleidung. Derer besaß Oma Kätchen vielleicht drei oder vier, fast alle waren schwarz-weiß, an eine bunte Schürze kann ich mich eigentlich gar nicht erinnern. Sie war gestreift, kariert oder mit Mustern, meist Blumen, bedruckt auf jeden Fall dunkel.

Die Kiddelschierz war Ober- und Schutzbekleidung: Sie wurde mit zwei Bändern von beiden Seiten im Rücken verknotet. Die Schürze war meist wadenlang. Diese Schürze hatte den Hauptzweck, die bessere Kleidung darunter, also Bluse, Kleid oder Pullover vor Schmutz und Spritzflecken am Ofen zu schützen. Aber dieses Universal-Textil hatte noch viel mehr zu bieten…

Am "Lepp" (Zipfel) dieser Schierz konnte ich mich als "Panz" festhalten, wenn ich auf den jungen Beinen noch etwas wackelig war, hier konnte ich manche Träne abtupfen oder - wenn ich einen Wunsch hatte - Oma "anzupfen", zum Anhalten bewegen und es kundtun: "Oma, has' du noch en Kamellche fir mech?"

Auch Mutter Agnes trug selbstverständlich im Haushalt wie im Garten ihre Kittelschürze. Eine kleine Episode aus der Küche fällt mir dazu ein - ich war etwa sechs Jährchen jung:

"Was kochst du, Mamchen?" fragte ich.
"Dicke Bohnen, mein Sohn", lautete die Antwort.
"Was kochst du, Mamchen?", fragte ich erneut.
"Dicke Böhnchen, mein Söhnchen".

Hmmmm... Ob ich's noch mal wagen soll?

"Was kochst du, Mamchen?"
"Sakret Jies, dou kleene Panz, deck Bungen", schallte es durch die Küche. Das saß!

Die gute alte Kittelschürze erfüllte vielerlei Funktionen. Wenn Oma aus dem Kellerregal ein Glas mit Marmelade entnahm, wischte sie kurzerhand mit dem Zipfel ihrer Schierz den angesammelten Staub vom Deckel. In der Schürze, die sie wie einen Sack in der linken Hand verbinden konnte, schleppte sie die Kartoffeln in die Küche. Auch Gläser mit Wurst, Möhren aus der Sandkiste oder Rauchfleisch wurden so aus dem Keller in ihr "Reich", die Küche, transportiert.

Aus dem Garten beförderte sie - ganz ohne Eimer oder Korb - Sellerieknollen, Gurken, Bohnen, Äpfel oder Kirschen ins Haus. Man kann sich leicht vorstellen, wie fleckig und bunt diese Schürze mit der Zeit wurde. Aber man war nicht kleinlich und übersah so manchen hygienischen "Defekt". Aus Omas "Allzweckwaffe" wurde auch das Hühnerfutter auf dem Hof ausgestreut: Körner und Krümel, Salatreste und Küchenabfälle. Anschließend fanden die aufgelesenen Eier ihren Platz in der "Schürzengrube".

Draußen auf der Wiese diente die Kiddelschierz als Gemüsetrage sowie Kräuter- und Salattüte. Im Felde wurden bei der Nachlese per Hand die letzten Ähren in die Schürze gebettet, an den Hecken die Haselnüsse gepflückt und die ersten reifen Quetschen eingefangen. Selbst Holzstücke zum Befeuern des Küchenherdes beförderten Oma Kätchen und Mutter Agnes mit Hilfe ihres Transport- und Auffangtextils.

Und außer den verschiedenen Gerüchen hing noch ein besonderer Zauber an der guten alten Schürze: mein Wissen um den "Notgroschen"! Hatte ich lange genug gebettelt oder war durch "gute Werke" besonders aufgefallen, griff Oma in die "Schierzenteisch" und - schwupp - meine Augen leuchteten schon - kam eine Münze heraus. Welch' ein Glück, eine Freude, ein Kinderlächeln auf meinen Lippen. Immer gab's dann ein Wangenküsschen für diese Omi bzw. Mama!

Mit dem 10-Pfennig-Stück führte es mich schnurstracks zum Wunderautomaten an der Backstube, der "en Strupp Kamelle" ausspuckte. Schoko oder Sahne. Auf gut Deutsch: das waren fünf einzeln verpackte Bonbons im Fünferpack.

Welch eine glückliche Kindheit!

 

Text: Joachim Schröder


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