gepostet von Julia Borsch

Im Sommer schon an die Erntezeit denken?

Region. Einen neuen Beitrag in der Reihe "Eefeler Verzellcher" liefert Eifelautor Joachim Schröder. Heute: Erntezeit in der Eifel.

Die Eifelbauern dachten auch im Sommer schon an den Herbst und die bevorstehende Erntezeit

Die Eifelbauern dachten auch im Sommer schon an den Herbst und die bevorstehende Erntezeit

Bild: Archiv, Joachim Schröder

Wie am Gertrudistag im Frühjahr ist im Herbst der Michelstag eine bedeutende Zeitenscheide. In der Eifel wurden bis in die 50er Jahre am Vorabend des "Mechelsdaaches" auf den Höhen Bergfeuer entzündet, verschiedentlich auch Feuerräder zu Tal gerollt. Zuvor sammelte die Dorfjugend Stroh und Reisig unter Singen von Heischeliedern bei den Dorfbauern. "Jet uus jett firr et Mechelsfeier", "Jett uus en Bird Strieh", "Jett uus en ahle Kuref, en ahle Bäsem", lauteten die Gesänge der Jugend. Von diesem Tag an herrschte Weidefreiheit auf allen Wiesen. Zäune wurden aufgelöst, die Arbeit der Kuhjungen war vorbei. Letzte Wiesen- und Ränderflächen konnten nun ungehindert angegangen werden.

Auch war dies ein wichtiger Los- und Fälligkeitstag. So mussten zu diesem Termin Pachtzinsen entrichtet werden. "Der Michelsdaach de Pächter schrecke mat", hieß es im Volksmund. Das Wetter an diesem Tag war bestimmend für die weitere Witterung, ihm wurde hohe Bedeutung beigemessen.

Von nun an kehrte in der Eifel der Herbst ein. Es kam die Zeit der Obsternte, an Ahr und Mosel der Weinlese. Im Mittelpunkt der Bemühungen stand die Sorge um die Kartoffeln, dem Grundnahrungsmittel der Menschen hier. Aber Birnen, Äpfel und Quetschen waren höchst beliebt, brannte man hieraus doch den geschätzten Schnaps, kochte Mus, Gelee oder trocknete die Früchte nach dem Backen der Brote im "Baakes". In diese Herbstzeit mit ihrem Segen und den vielfältigen Gaben der Natur fielen zahlreiche Kirmesfeiern zwischen dem Michels- und Martinstag. Bereits in vorchristlicher Zeit feierte man der Fruchtbarkeit dienende Opfer- und Dankfeste, wobei der üppige Verzehr von Obst, Wein und Schnaps im Mittelpunkt stand.

An die Stelle der Opferfeste wurden nunmehr kirchliche Feiern gesetzt, allen voran der Kirchweihtag oder das Patronatsfest eines Heiligen. Der Dank für die Ernte des Jahres rückte an die Stelle heidnischer Opferfeiern. Kirmesfeste, verbunden mit feierlichen Hochämtern und Ernteumzügen, waren in der Eifel seit ehedem große Familienbegegnungen, Sippenfeste. Wie bei einer Hochzeit wurde gebacken: Weck, Kränze, Streuselkuchen. "Knepplatz un Bretzeln, on alles, wat jot schmaat" - so lautete ein Monschauer Kirmesliedchen.

Hauptmahlzeit an den drei Kirmestagen war das Mittagsessen am Sonntag nach dem feierlichen Hochamt. Übliche Kirmesspeisen waren früher fette Brühe mit gehacktem Hammel- oder Kalbfleisch, die "Zos", weiterhin Weißbrei mit Zucker und Eidotter. Ein köstlicher Bauernspruch ist uns aus der Westeifel überliefert: "Frau, dou hass decker jehurt, Maan un Weif sen eene Leif, daan ärßen ech de Breij matt firr dech!" ("Frau, du hast öfter gehört, Mann und Frau sind ein Leib, dann esse ich den Brei mit für dich!").

Eine beliebte Kirmesspeise war in der Eifel das Sauerragout: Gehacktes mit Zwetschgen und Reis. Den Nachmittag verbrachte die große Kirmesgesellschaft - nicht selten waren es über 100 Leute- mit Kaffee und Kuchen, Fladen, Gebäck und Schnaps und "Steckelcher und Verzellcher von anno Tuback". Man erzählte von früher, Sagen und Gruselgeschichten, Witze und "Tratsch", dazu gesellten sich Karten- und Dill-Dopp-Spiel. Die Eifeler Herbstkirmessen lassen vermuten, dass der Brauch auf uralten Herbst- und Sippenfesten beruht. Die Bauern wollten nach Abschluss der wichtigen Erntearbeiten und der damit verbundenen Beschaffung aller Wintervorräte ein großes Fest begehen, an dem alle Familienangehörigen samt Gesinde und Nachbarn teilhaben sollten.

 

Auszug aus den "Eefeler Verzellcher", Text: Joachim Schröder


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