gepostet von Julia Borsch

Das bäuerliche Fuhrwesen

Kreis. Lesen Sie hier einen neuen Beitrag in der Reihe "Eefeler Verzellcher" des Eifelautors Joachim Schröder.

Im Jahr 1826 wurden das "bäuerliche Fuhrwesen" als Nachteil für den Ackerbau bezeichnet.

Im Jahr 1826 wurden das "bäuerliche Fuhrwesen" als Nachteil für den Ackerbau bezeichnet.

Bild: Archiv, Joachim Schröder

Als Bauer arbeiten heißt seit jeher auch Frachten transportieren. Ob es um Holz aus dem Wald, um Mist oder die Heimfracht von Ernten wie Heu, Getreide oder Früchten geht, umfangreiche Transporte waren fast an der Tagesordnung. Darüber hinaus fielen kleinere Fuhren im Hofbereich an: Geräte, Saatgut, Düngemittel. Landwirtschaftliche Produkte waren außerdem zur Weiterverarbeitung zu bringen: Frucht in die Mühle, Milch an die Verbraucher oder Gemüse/Obst auf den Markt. Für die zahlreichen Transporte standen dem Bauern der von Vieh gezogene vierrädrige Wagen oder die zweirädrige Karre zur Verfügung.

Neben den notwendigen Fuhren zur Bewirtschaftung des Hofes und zur Vermarktung der Erzeugnisse konnte der Bauer von den Grundherren zu "Spanndiensten" verpflichtet werden. Dabei musste er als Höriger auf grundherrlichen "Baustellen" oder bei anderen Tranportanlässen mithelfen. Das Stellen von Gespannen und die zu erübrigende Zeit und Arbeitskraft belasteten den Bauern stark, so dass er nicht selten die Fuhrdienste durch Geldzahlungen ablöste. Erst mit der Aufhebung der Leibeigenschaft fielen die Frondienste weg, und der Bauer nutzte den Besitz von Wagen, Karre und Zugvieh zum Nebenverdienst. Im Jahre 1836 wird beklagt, dass der Eifelbauer durch seine Nebentätigkeit seine Hauptarbeit vernachlässigte:

"Ein anderer Nachtheil für den Ackerbau ist das Fuhrwesen. Die hiesigen Bauern durchfahren mit Fracht halb Europa und versäumen dadurch ihre Ackerwirtschaft, wo mit dem Gespann oft nicht allein Stunden, sondern Tage zu benutzen nöthig sind. Kurz, der hiesige Einwohner ist mehr Handels- als Ackermann, und oft, besonders bei dem Fuhrwesen, zu seinem Schaden..."

Doch war dieses Zubrot für kleinere bäuerliche Betriebe eine Notwendigkeit. In einigen Landstrichen der Zentraleifel machte diese Nebentätigkeit ein Drittel der Gesamteinnahmen aus. Hauptsächlich das Steine fahren aus den Brüchen, die Holzfuhren im Winter oder andere Lohnfuhren brachten das erhoffte und häufig hart erarbeitete Nebeneinkommen. Doch auch kostenlose Hilfsfuhren, etwa beim Hausbau, leistete der Bauer im Sinne dörflicher und nachbarschaftlicher Hilfeleistungen. Auch hier ging es um Stein-, Holz-, Sand- oder Lavatransporte.

Als Zugtiere dienten neben den Pferden Ochsen und Kühe. Noch bis in die 50er Jahre war es in den Eifeldörfern üblich, dass kleine bäuerliche Betriebe, die keine Zugpferde besaßen, Ochsen oder Kühe einspannten. Aus eigener Anschauung ist dem Schreiber dieser Zeilen bekannt, wie noch 1959 Getreide- und Heufuhren mit Leiterwagen und Kühen geleistet wurden. Für den Kleinbauern waren Pferde kaum rentabel und in Anschaffung und Unterhalt zu teuer. Geschirr-, Beschlag- und Futterkosten konnte er kaum aufbringen. Kühe und Ochsen waren durchaus widerstandsfähig, konnten zu allen Spannarbeiten herangezogen werden und blieben trotz harter Beanspruchung zucht- oder mastfähig. Was bei Zugkühen zurückging, war die Milchleistung, was der Bauer jedoch in Kauf nahm.

Als Transporthilfen nutzte der Bauer den Leiter- und Kastenwagen sowie die Karre. Beide Fahrzeuge stellte der Stellmacher her in handwerklicher Facharbeit. Geländegängiger war die zweirädrige Karre, da sie in feuchten und weichen Niederungsböden besser zu handhaben war. Bei eingespanntem Zugtier konnte die Last besser über dem Achsenschwerpunkt verteilt werden, der Radlauf war begünstigt durch große Räder. Bei der Kippkarre laufen die Scherbäume bis zur Achse, während der Kasten auf einem eigenen Gestell sitzt. Der Aufsatz gleicht dem der Langkarre, die nicht kippbar war. Eine Kippkarre eignete sich besonders für den Transport von gedroschenem Getreide, Saatgut oder Sand.

Die Karre wurde in der Regel von einem Pferd gezogen. Für sperriges Ladegut, Heu und Getreide benutzte der Bauer den vierrädrigen Leiterwagen. Er war vielseitig verwendbar, da man den Aufsatz je nach Gebrauch verändern konnte. So wurde der Wagen mit einem Kasten versehen, wenn Dung, Früchte oder Kartoffeln zu transportieren waren, für Heu oder Stroh wurde der Wagen durch "Leitern" verlängert. Sollte besonders hoch geladen werden, setzte man vorne zwischen die Leitern noch ein Ladegitter und hinten zwei Stöcke ein. Zum Transport von Langholz entfiel der Aufbau, hier reichte das Grundgestell mit den Rungen.

Das Kernstück eines Wagens ist das Rad. Es besteht aus Nabe, Speichen und Felgenteilen, die jeweils zwei Speichen aufnehmen. Zum Schutz des Rades ist es mit einem eisernen Reifen eingefasst. Die Vorderräder sind kleiner als die Hinterräder (zwölf zu vierzehn Speichen). Wagen und Karren bauten die Stellmacher und Schmiede. Mit dem Einzug der gummibereiften Wagen und rationellerer Maschinen nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Landhandwerk des Stellmachers überflüssig. Schmiede konnten sich dagegen auf die neue Situation einstellen und ihre Aufgabenfelder erweitern.

 

Text: Joachim Schröder


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