Vom Lehmklumpen zur Tonvase
"Gott der Schöpfer
war der erste Töpfer".
"Aus der Erd' und mit der Hand
macht der Töpfer allerhand:
Krüge, Kacheln, Teller, Scherben,
thut sie auch glassiern und färben".
(Handwerkerspruch, 1880)
Zentrum der Eifeler Tonwarenherstellung ist das Gebiet um Speicher. Mächtige Lager weißen, grauen und roten Tons sind nur winzige Reste einer einstigen Tondecke, die im Tertiär hier abgelagert worden sind. Somit war und ist der Raum Speicher in der Südeifel prädestiniert für das Entstehen und die Weiterführung einer beachtlichen keramischen Industrie.
Etwa am Ende des ersten Jahrhunderts töpferten römische Siedler bereits im Speicherer und Herforster Walde. Dies beweist eine Anzahl ausgegrabener römischer Brennöfen und Brandgräber, deren Fundstücke (Töpfe, Henkelkrüge, Urnen, Schüsseln, Schaben, Trinkbecher) im Landesmuseum in Trier und in heimischen Werkstätten Speichers zu bewundern sind. Gegen Ende des letzten Krieges wurde ein großer Ofen mit Feuerungsanlage freigelegt. Die Brennkammern lagen über der Erde, die Feuerungsanlagen darunter, sodass durch die Anlehnung an die Erdwände keine Hitze verloren ging und auch die Gefahr des Berstens gebannt war. Ferner fanden sich die Grundmauern einer größeren Werkstatt und ein Trockenraum mit Keller.
Sogar die Namen einzelner römischer Töpfer sind uns durch eingebrannte Siegel auf gefundenen Scherben bekannt: Primanus, Quintus, Justinus, Satto u.a. Das Wirken eines römischen Meisters ist uns von einem unbekannten Dichter überliefert:
"Dieser drehte auf der Scheibe
just von feiner roter Erde
einen edlen Henkelkrug,
römerrecht von gutem Zug.
Und er nickte weiterdrehend,
schuf des Bauches stolze Wölbung,
engte dann mit schlanker Biegung
einen Hals mit weitem Munde,
formte drauf mit Meisterhand
auch den Ausguss und den Rand".
Brennkammern, die mit unversehrter Ware bestückt waren, zeugen wohl vom fluchtartigen Verlassen der Gegend durch die Römer, als im 4. Jahrhundert die Franken einbrachen.
Große Verdienste um die Erforschung des Speicherer Töpferwesens erwarb sich der Gründer der Steinzeugfabrik Jakob Plein-Wagner (1836 bis 1903). Seinen Arbeiten und Recherchen ist es zu verdanken, dass wir heute klar über die Töpferkunst der Römer informiert sind. Er entdeckte zahlreiche Töpferöfen im Speicherer Wald und schuf selbst eines der bedeutendsten Werke in Speicher.
Es kann als sicher gelten, dass die Franken nicht mehr im Speicherer und Herforster Wald getöpfert, sondern ihre Tätigkeit in den heutigen Ort verlegt haben. Hier gab es am Singbach günstige Voraussetzungen für ihre Arbeit, denn Wasser war allenthalben vonnöten. Die Blütezeit des Gewerbes lässt sich im 14. bis 16. Jahrhundert vermuten, als jede dritte Familie mit dem Handwerk in Beziehung stand. Ein beredtes Zeugnis davon gibt uns die Vereinigung der Speicherer Töpfer in der Eulener Bruderschaft um 1485.
Hier waren die Rechte und Pflichten der Mitglieder per Satzung klar definiert. So heißt es, daß man nicht vergessen möge, "dem ampt der heiligen meß mit gebührlichem opffer in der pfarkirchen beyzuwohnen". Und: "...zum 5. soll ein jeder krogmacher nit mehr dan einen knecht halten". Wollte der Sohn eines verstorbenen Töpfers das Handwerk des Vaters erlernen, so schrieben die Satzungen vor: "den selben sollen die meister umb den dienst lehren" (umsonst lehren). Die Erinnerung an diese Speicherer "Zunftbruderschaft" lebt bis heute fort in der Bruderschaftsprozession am ersten Maisonntag.
Die Töpfermeister waren sich ihrer Sonderstellung bewusst und suchten Ehre und Ruf ihres Handwerks zu wahren und zu mehren. Auch achteten sie auf beste Qualität. So hatten sich zwei von Zunftvorstehern bestellte Meister nach jedem Ofenbrand beim Leeren einzufinden und den Inhalt nach Form und Maß, nach Farbe und Dichte genau zu prüfen und alles, was fehlerhaft war, dem Scherbenhaufen anzuvertrauen. Sie hielten also Scherbengericht im wahrsten Sinne des Wortes. Vielerorts stößt man noch heute auf solche Scherbennester in der Umgebung, wo Abfälle abgelagert wurden oder ehemals Wege befestigt worden sind.
Auszug aus "Eefeler Verzellcher"
Text: Joachim Schröder